Temperaturschwankungen beeinträchtigen die meisten lebenden Organismen. Säugetiere und Vögel halten deshalb ihre Körpertemperatur durch aufwändige Systeme konstant. Wie einfache Coli-Bakterien, die diese Möglichkeit zum Temperaturausgleich nicht besitzen, dennoch die Schwankungen ausgleichen, haben jetzt Heidelberger Wissenschaftler entschlüsselt.
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Die Funktionsweise dieser „Mikroben-Klimaanlage“ konnten sie am Modellorganismus Escherichia coli enthüllen. Die Ergebnisse ihrer neuen Studie über das Darmbakterium stellen die Forscher um Professor Victor Sourjik vom Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg in der Fachzeitschrift „Cell“ vor.
Temperaturschwankungen verursachen massive Störungen
Die meisten lebenden Organismen sind ständig Temperaturschwankungen ausgesetzt, zum Beispiel durch die Temperaturänderungen im Tagesverlauf oder in größeren Zyklen wie den Jahreszeiten. Diese Temperaturänderungen wirken auf alle chemischen Reaktionen in betroffenen Organismen und können leicht zu Störungen im Verhalten, im Stoffwechsel oder in der Entwicklung führen.
So haben biologische Organismen Mechanismen entwickelt, die eine Kompensation externer Temperaturschwankungen ermöglichen. Säugetiere und Vögel halten ihre Körpertemperatur mit aufwändigen Systemen und unter hohem Energieverbrauch konstant. Was aber machen einfachere Organismen, die diese komplexe Möglichkeit der Temperaturregulation nicht besitzen?
Temperaturkompensation bei Bakterien aufgedeckt
Am Beispiel des chemotaktischen Verhaltens von Escherichia coli konnten die Heidelberger Wissenschaftler zeigen, wie eine solche Temperaturkompensation bei Bakterien funktioniert.
Als Chemotaxis wird eine gerichtete Bewegung der Zellen oder Organismen zu der Quelle eines chemischen Stoffes bezeichnet. Wie bei höheren Organismen, ermöglicht die Chemotaxis Bakterien, die Nährstoffquellen in der Umgebung aufzusuchen. Dies beruht auf einer relativ komplexen Strategie, wobei Mikroben die Konzentration chemischer Stoffe entlang ihres Wegs über die Zeit vergleichen und entsprechend ihre Schwimmrichtung anpassen.
Temperatur beeinflusst Schwimmgeschwindigkeit
Die Temperatur beeinflusst sowohl die Schwimmgeschwindigkeit der Bakterien als auch alle chemischen Reaktionsgeschwindigkeiten in dem Chemotaxis-Proteinnetzwerk, das dieser Entscheidungsstrategie zu Grunde liegt. Die aktuelle Studie zeigt nun, dass sich die – teils sehr starken – Temperatureffekte auf einzelne Parameter in der Summe genau ausgleichen, so dass das Chemotaxis-Netzwerk am Ende fast perfekt temperaturkompensiert ist.
„Besonders interessant war der Befund, dass die Bakterien sich auf ihre jeweilige Wachstumstemperatur einstellen können“, erläutert Sourjik. „Das bedeutet, dass Chemotaxis am besten bei der Temperatur funktioniert, bei der die Bakterien gerade wachsen.“ Wie der Heidelberger Wissenschaftler betont, finden sich biologische Prinzipien einfacher Organismen in ähnlicher Form in höheren Organismen. „Wir gehen davon aus, dass sich in mehrzelligen Lebewesen sehr ähnliche Regelmechanismen entdecken lassen“, so Sourjik. (Cell, 2011; doi: 10.1016/j.cell.2011.03.013)
(Universität Heidelberg, 18.04.2011 – DLO)