Wissenschaftler haben jetzt eine überraschende Erklärung dafür gefunden, warum Fledermäuse nachtaktiv sind: Nicht Fressfeinde oder Orientierungsprobleme sind schuld, sondern ein höherer Energieverbrauch und damit eine Gefahr der Überhitzung.
Fledermäuse sind nachtaktiv, Vögel tagaktiv. Diese Regel trifft für nahezu alle Vertreter der beiden
Wirbeltiergruppen zu. Nur, warum ist das so? Vögel orientieren sich hauptsächlich mit ihrem Sehsinn und haben deshalb in der Dunkelheit der Nacht Schwierigkeiten, sich zurecht zu finden. Aber Fledermäuse können sowohl sehen als auch Echo orten. Beide Sinne sollten sie in die Lage versetzen, auch am Tag erfolgreich zu sein. Demzufolge sind es nicht die Sinne, die Fledermäuse von der Eroberung der Luft am Tag ausschließen.
Forscher des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin haben nun herausgefunden, dass thermische und energetische Besonderheiten Fledermäuse in die nächtliche Nische zwingen. Vergleichende Messungen der Körpertemperatur und der „Flugkosten“ am Tag und in der Nacht zeigten, dass Fledermäuse am Tag potenziell überhitzen und zudem mehr Energie im Flug verbrauchen als in der Nacht.
Keine Wärmeisolierung
„Fledermäuse haben im Gegensatz zu Vögeln kein isolierendes Gefieder. Sie können sich also nicht vor dem Wärmeeintrag der Sonnenstrahlen schützen“, erklärt Christian Voigt, der Leiter des Forschungsprojekts. „Die Flughaut der Fledermausflügel ist nackt, dunkel und mit Blutgefäßen durchzogen. Deshalb funktioniert sie als großer Wärmekollektor. Die mit den Flügeln eingefangene
Energie können Fledermäuse nicht ausreichend ableiten und deshalb würden sie überhitzen, wenn sie
tagsüber fliegen“. Theoretisch könnten Fledermäuse zwar ihren Flügelschlag im Tagesflug verändern, um den Wärmeeintrag zu reduzieren. Dies würde ihren Flug jedoch ineffizient machen und somit höhere energetische Kosten nach sich ziehen.
Tagaktivität möglich, aber zu „teuer“
Interessanterweise fanden die Forscher heraus, dass die Körpertemperatur von Fledermäusen bei kurzen Tagesflügen zwar ansteigt, aber keine kritischen, gesundheitsgefährdenden Höhen erreicht. Deshalb, so argumentieren die Autoren, könnten Fledermäuse potenziell tagaktiv werden. Da sie jedoch im Vergleich zu Vögeln höhere Flugkosten haben, sind sie dieser anderen Wirbeltiergruppe in der Konkurrenz um die gleichen Nahrungsressourcen unterlegen. Den Nachteil einer Wärme absorbierenden Flughaut machen Fledermäuse mit ihrer ausgezeichneten Echoortung wett. Diese befähigte sie im Laufe der Evolution, ihre Aktivitätsphase in die Nacht zu verlagern.
Damit waren sie höchst erfolgreich: Fledermäuse sind die zweitartenreichste Säugetiergruppe und stellen in den Tropen die dominierende Säugetiergruppe dar. Und dies obwohl sie nur nachtaktiv sind. (Proceedings of the Royal Society of London: Biological Sciences, 2011, doi:10.1098/rspb.2010.2290)
(Forschungsverbund Berlin e.V., 05.01.2011 – NPO)