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Geowissen

Wie kalt ist der Arktisboden?

Forscher optimieren Mess- und Berechnungsverfahren

Turbulenzmesskomplex in Ny-Ålesund, Spitzbergen © J. Lüers

Die Temperatur an der Erdoberfläche spielt eine zentrale Rolle in Modellen der Meteorologie und der Klimaforschung. Auf einer Expedition nach Spitzbergen haben Forscher nun genau nachgemessen, wie kalt der Erdboden in der Arktis ist – mit überraschenden Ergebnissen.

Denn im Rahmen des Forschungsprojekts ARCTEX 2006 sind sie auf ein Phänomen gestoßen, das selbst erfahrene Klimaforscher zu Fehleinschätzungen der Bodenoberflächentemperatur verleiten kann. Die Wissenschaftler um Johannes Lüers von der Universität Bayreuth und Jörg Bareiss von der Universität Trier berichten über ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Atmospheric Chemistry and Physics“.

Inversionsschichten als mögliche Fehlerquelle

Normalerweise nimmt die Temperatur der Luft stetig ab, je weiter man sich von der Erdoberfläche entfernt. Dieser so genannte vertikale Temperaturverlauf ist jedoch über kalten Oberflächen, wie zum Beispiel über einer Schnee- oder Eisfläche im Arktischen Frühling, oftmals gestört – und zwar in dem Abschnitt zwischen Boden und drei Metern darüber.

Dabei steigt die Temperatur über der Erd- oder Schneeoberfläche zunächst stark an, bis schließlich eine Höhe zwischen einem und drei Metern erreicht ist, so die Wissenschaftler. Erst dann fällt die Temperatur mit wachsender Entfernung vom Erdboden im normalen Verlauf ab. Dieses Phänomen wird in der Forschung als schmale Inversionsschicht – narrow inversion layer – bezeichnet.

Johannes Lüers © J. Lüers

Fehlerhafte Berechnung der Oberflächentemperatur am Boden

Eine derartige Inversionsschicht kann sich nach Angaben der Forscher jedoch irreführend auf die Berechnung der Oberflächentemperatur am Boden auswirken. Denn sie puffert vertikale turbulente Luftbewegungen in den darüber liegenden Luftschichten ab. Dadurch sind die Stoff- und Energieflüsse, die in dem Bereich zwischen dem Boden und drei Metern Höhe stattfinden, entkoppelt von den Stoff- und Energieflüssen, die sich in den darüber liegenden Luftschichten abspielen.

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Diese Entkopplung muss bei den Messverfahren und bei den Berechungsformeln berücksichtigt werden, die bei der Abschätzung der Bodenoberflächentemperatur zum Einsatz kommen. Andernfalls können hierbei erhebliche Fehler auftreten, so die Bayreuther Wissenschaftler.

Auf dem Weg zu besseren Mess- und Berechnungsverfahren

Die Klimaforscher haben deshalb bei ihren Messungen in der Arktis gezielt darauf hingearbeitet, die Bodenoberflächentemperatur durch vielfältige Messverfahren und -instrumente möglichst zuverlässig abzuschätzen. „Je genauer man den Einsatz von Messinstrumenten und Messverfahren den spezifischen klimatischen Verhältnissen anpasst, desto zuverlässiger lässt sich die Temperatur am Erdboden berechnen“, erklärt Lüers. „Und damit steigt auch die Zuverlässigkeit von Wetter- und Klimamodellen, in denen die Bodenoberflächentemperatur ein wesentlicher Parameter ist.“

Für die Bodenoberfläche in Spitzbergen haben die Forscher aus Bayreuth im Mai 2006 eine Temperatur von bis zu minus 15 Grad Celsius ermittelt. Wie Lüers hervorhebt, nimmt die sorgfältige Auswertung von Klimadaten, die in mehrwöchigen Forschungsexpeditionen gewonnen wurden, oftmals längere Zeiträume in Anspruch: „Es ist daher keineswegs ungewöhnlich, dass unsere Publikation erst dreieinhalb Jahre nach den Messungen in der Arktis erscheint.“

Forschungsprojekt ARCTEX

ARCTEX – der Name steht für Arctic Turbulence Experiments – ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Klimaforschungsprojekt. Es begann im Jahr 2006 mit einer Expedition zur Inselgruppe Spitzbergen – norwegisch: Svalbard -, die seit 1925 von Norwegen verwaltet wird. 2009 fand dann noch eine weitere Forschungsreise statt.

(idw – Universität Bayreuth, 12.03.2010 – DLO)

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