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Neurobiologie

Licht schaltet Nervenzellen an

Forscher steuern Ionenkanäle in Sinnesrezeptoren mithilfe von Licht

Informationen werden im Gehirn übermittelt, indem ein Neuron durch einen Reiz elektrisch angeregt wird und die Erregung an benachbarte Nervenzellen weiterleitet. Dieses elektrische Potenzial wird ausgelöst, wenn geladene Ionen durch Kanäle in der Zellmembran geschleust werden. Auch bei der Übermittlung von Sinnesreizen im Auge sind Ionenkanäle von Bedeutung. Nun haben Münchener Wissenschaftler einen Mechanismus entdeckt, mit dem sie Ionenkanäle in Sinnesrezeptoren mithilfe von Licht gezielt steuern können.

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Durch die so genannte Cis-Trans-Isomerisierung gelang es den Forschern, Kaliumkanäle in Nervenzellen des Auges wiederholt an- und auszuschalten. Dieses Ergebnis könnte die Grundlage für die Entwicklung lichtmodulierter Arzneistoffe sein, etwa für die Therapie bestimmter Formen der Blindheit und von Herzerkrankungen, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie International Edition“.

Photodynamische Therapien

In der Krebstherapie kommen so genannte photodynamische Therapien schon seit einiger Zeit zum Einsatz: Dabei reichert sich eine lichtempfindliche Substanz im Tumorgewebe an. Eine Bestrahlung mit Licht aktiviert dann das Medikament, das das Tumorgewebe gezielt zerstört. Aber auch bei Nerven- und Sinneszellen könnte eine gezielte Regulierung durch Licht medizinische Behandlungsansätze liefern – etwa zur Behandlung bestimmter Augenkrankheiten.

„Die Ionenkanäle in den Nervenzellen des Auges sind wichtig für den Prozess des Sehens“, sagt Professor Dirk Trauner von der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Nur wenn die Kanäle aktiviert werden, werden die im Auge eintreffenden Informationen an die nächste Nervenzelle und schließlich bis ins Gehirn weitergeleitet.“

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Eine besonders wichtige Rolle kommt dabei Kanälen zu, die den Durchtritt von Kalium- oder Natriumionen erlauben. Dem Team um Trauner gelang bereits letztes Jahr der Nachweis, dass ein Molekül aus der chemischen Gruppe der Azobenzene, das so genannte AAQ, die Kaliumkanäle von Nervenzellen empfindlich auf Lichtreize reagieren lässt.

Forscher klären Wirkmechanismus der Lichtsensitivität auf

Nun konnte der Biochemiker in Zusammenarbeit mit Forschern der University of California in Berkeley, USA, den Wirkmechanismus der Lichtsensitivität aufklären. „Entscheidend ist dabei, dass das AAQ-Molekül in zwei verschiedenen räumlichen Formen vorliegen kann“, so Trauner. „Wir konnten nun beobachten, dass AAQ in die Neuronen eindringt und am Kaliumkanal dort bindet, wo die Ionen im Normalfall vorbeifließen.“

In der Trans-Konfiguration blockiert das Molekül dann den Ionenkanal, während es in der Cis-Konfiguration den Kanal öffnet – und so den Kaliumionen den Durchtritt erlaubt.

Bemerkenswert ist nach Ansicht der Forscher zudem, dass AAQ auch an natürlich vorkommende Ionenkanäle bindet, während alle bisher verwendeten lichtsensitiven Moleküle nur an genetisch veränderte Moleküle andocken können. Auch die Konfiguration des Moleküls lässt sich regulieren: Die Cis-Form nimmt AAQ bevorzugt bei langwelligem Ultraviolettlicht an, während es bei grünem Licht in die Trans-Form übergeht.

Viele Anwendungsmöglichkeiten

Damit ließen sich nach Angaben der Forscher in Zukunft möglicherweise auch Arzneistoffe entwickeln, die sich durch Licht einer bestimmten Wellenlänge aktivieren lassen. Derart lichtempfindliche Arzneistoffe könnten etwa dazu beitragen, bestimmte Formen der Blindheit wie die Makuladegeneration zu behandeln.

Bei diesem häufigen Leiden sterben die lichtsensitiven Zellen der Netzhaut ab, während die nachgeschalteten Neuronen noch funktionsfähig sind. „Denkbar ist, diese retinalen Ganglienzellen durch lichtsensitive Substanzen anzuregen – und so die Sehfähigkeit wiederherzustellen“, meint Trauner. „Aber das ist im Moment natürlich noch Zukunftsmusik.“

Weitere Studien nötig

Bislang konnten die Forscher nur das Prinzip aufklären, das möglicherweise aber auch andere Anwendungsfelder in der Medizin eröffnet. Denn auch Kalzium- und Natriumkanäle ähneln den Kaliumkanälen in der Struktur und Funktion. Sollten sie diese Übereinstimmungen für vergleichbare Anwendungen zugänglich machen, könnte dies bei der Behandlung von Herzerkrankungen von Nutzen sein – wenn lichtsensitive Moleküle gezielt Kalziumkanäle der Herzmuskelzellen öffnen und schließen.

Doch jede dieser potenziellen therapeutischen Anwendungen lässt sich nur realisieren, wenn die fraglichen Moleküle sehr selektiv wirken: Die lichtempfindlichen Substanzen dürfen nur an bestimmte Ionenkanäle in bestimmten Zelltypen binden. Trauner und sein Team wollen diese selektive Wirksamkeit nun in einem nächsten Schritt untersuchen.

(idw – Universität München, 17.11.2009 – DLO)

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