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Umwelt

Deutscher Umweltpreis 2009 verliehen

Bundespräsident Horst Köhler überreicht höchstdotierte Umweltauszeichnung Europas

Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2009 (v.l.): DBU-Generalsekretär Fritz Brickwedde, Professor Bo Barker Jørgensen, Carsten Bührer, Petra Bültmann-Steffin, Bundespräsident Horst Köhler, Angelika Zahrnt, DBU-Kuratoriumsvorsitzender Hubert Weinzierl, Bayerns Umweltminister Markus Söder sowie Staatssekretär Michael Müller. © DBU

Der Deutsche Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist gestern zum 17. Male vergeben worden. Den mit 500.000 Euro höchst dotierten Umweltpreis Europas erhielten zu je einem Drittel das Unternehmer-Duo Petra Bültmann-Steffin und Carsten Bührer, der Wissenschaftler Professor Bo Barker Jørgensen sowie die Ehrenvorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Angelika Zahrnt.

Anlässlich der Preisverleihung in der Kongresshalle Augsburg betonte Bundespräsident Horst Köhler, die Preisträger 2009 stünden beispielhaft für drei Schlüsselbereiche, auf die es in den nächsten Jahrzehnten entscheidend ankomme: Wissenschaft, Technologie und gesellschaftliche Veränderung.

„Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter im Zeichen von Ökologie und Nachhaltigkeit. Wir stellen heute die Weichen für unser Wohlergehen von morgen. Keine Nation kann mehr auf Kosten anderer ihr Glück machen, alle müssen auf das Gleichgewicht der Welt achten. Ich hoffe sehr, dass sich die Verhandlungsdelegationen, die Anfang Dezember in Kopenhagen zur Weltklimakonferenz zusammentreffen, dieser Verantwortung bewusst sind“, sagte Köhler auf der Veranstaltung.

„Vordenkerin und Vorkämpferin“

Professor Klaus Töpfer – Mitglied der Jury, DBU-Umweltpreisträger und ehemaliger Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen – betonte in seiner per Video eingespielten Laudatio auf Zahrnt, sie sei eine „Vordenkerin und Vorkämpferin“, die nicht den schnellen Applaus suche. Sie analysiere genau, bevor sie das als richtig Erkannte mit großer Beharrlichkeit umsetze.

Zahrnt fühle sich der Zukunft verpflichtet und habe sich mit der Zukunftsfähigkeit Deutschlands intensiv auseinander gesetzt. Sie ernte Respekt, wo sie sich in ihrer Bescheidenheit, aber großen Persönlichkeit einbringe. Töpfer: „Ein Glück, eine solche Frau zu kennen, mit ihr zusammen zu arbeiten und zu wissen, dass wir so die Kälte nur wirtschaftspolitischer Ausrichtung durch die Aufnahme von Nachdenklichkeit und Nachhaltigkeit menschlicher machen können.“ Töpfer gratulierte Zahrnt zur Auszeichnung „in der guten Hoffnung, dass wir vielleicht doch noch zu einer richtigen ökologischen Steuerreform kommen.“

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Innovationen zum Klima- und Umweltschutz

Zum Preisträger-Duo Bültmann-Steffin/Bührer führte ebenfalls per Video Wolfgang Plischke – Jury-Mitglied und Vorstand der Bayer AG – aus, dass in der weiterverarbeitenden Metall-Industrie enorme Mengen an Strom benötigt würden, circa drei Prozent des weltweiten Verbrauchs. Das Unternehmer-Duo habe einen Spezialheizer auf der Basis der Hochtemperatur-Supraleitung entwickelt, mit dem man die Hälfte dieser Energie einsparen könne – das entspreche in Deutschland der Produktion von vier Steinkohlekraftwerken.

Mit ihrem unternehmerischen Mut hätten Bültmann-Steffin/Bührer gezeigt, „dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen mit Innovationen zum Klima- und Umweltschutz beitragen können“.

Klimadiskussion weiter fassen

Und Professor Michael Schmidt, Jurymitglied und Lehrstuhlinhaber an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus, würdigte per Video die Forschungsergebnisse Professor Jørgensens als „für die Klimaforschung von großer Bedeutung“. Im globalen Kohlenstoffkreislauf spielten die Meere als Senke, als Speicher für Kohlenstoff die größte Rolle. Kohlenstoff werde am Meeresboden als Methan abgelagert. Im Zuge der globalen Erderwärmung komme es aber nicht nur zur Erwärmung der Atmosphäre, sondern auch küstennaher oder flacher Gewässer wie zum Beispiel der Ostsee.

Die Forschungsergebnisse Jørgensens zeigten, dass durch geochemische und mikrobielle Prozesse das Methan am Meeresboden dann wieder gelöst werde und somit in die Atmosphäre aufsteigen könne. Schmidt: „Die Forschungsergebnisse zeigen in beeindruckender Weise, dass wir die Klimadiskussion weiter fassen müssen. Indirekte Wirkungen der globalen Erwärmung wie die mögliche Freisetzung von Methan aus dem Meeresboden blieben bisher unberücksichtigt.“

Herausforderung meistern

Köhler wies vor 1.200 Gästen darauf hin, dass der Deutsche Umweltpreis, der zu den „ganz wichtigen“ Preisen gehöre, ein Schlaglicht darauf werfe, dass alle Menschen in der Verantwortung stünden, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten: „Und die Preisträger machen uns immer wieder zuversichtlich, dass wir diese Herausforderung bestehen können.“

Sie zeigten wie Bültmann-Steffin und Bührer, welche Effizienzsprünge möglich seien, wenn technisches Können und unternehmerischer Mut zusammen kämen. Sie sorgten durch wegweisende Forschungsarbeiten wie die von Jørgensen für ein besseres Verständnis des Einflusses der Weltmeere auf das Klimageschehen. Und sie bewiesen wie Angelika Zahrnt, dass man „mit unermüdlichem Engagement, intellektueller Brillanz und persönlicher Überzeugungskraft die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit aus den Expertenzirkeln heraus in die Mitte der Gesellschaft und an die Spitze der politischen Agenda bringt“.

Auf dem Weg zur „postkarbonen“ Gesellschaft

Bundespräsident Köhler betonte in Augsburg die Notwendigkeit, einen neuen Antriebsstoff für die Volkswirtschaften jenseits des Öls zu suchen und sich erneuerbaren Energien und Ressourceneffizienz zuzuwenden. Dieser Wandel sei „ökologisch nötig und wirtschaftlich chancenreich“. Dabei gehe es nicht um das Drehen an einigen kleinen Stellschrauben, und beliebig viel Zeit sei auch nicht vorhanden. Köhler: „Es geht um nichts weniger als um die Transformation in eine ‚postkarbone Gesellschaft‘. Das wird für uns alle Veränderung und Umstellung bedeuten müssen.“ Aber diese Transformation werde zu einer neuen, einer besseren Lebensqualität führen.

Schon mit der heute verfügbaren Technik lasse sich der Energieverbrauch bis 2050 halbieren, zitierte das Staatsoberhaupt Experten: wenn es mehr Passivhäuser gäbe, die keine Heizung im alten Sinne mehr brauchten; wenn mehr Elektrogeräte der höchsten Energiesparklasse benutzt würden, Stand-by-Schaltungen Vergangenheit wären und Glühbirnen mehr leuchteten als heizten. Köhler prophezeite im Zeitverlauf einer Generation nicht nur eine Revolution der Material- und Energiewirtschaft, sondern auch das Entstehen ganz neuer Mobilitätskonzepte in Stadt und Land.

Eine klimafreundliche Zukunft sei machbar – und Deutschland habe alle Voraussetzungen, sie für sich zu gewinnen, weil es das Potenzial für eine ökologische industrielle Revolution habe. Mit den Regeln der Marktwirtschaft müsse in den Preis einer jeden Sache und Dienstleistung eingerechnet werden, was sie die Allgemeinheit koste – an sauberer Luft, an endlichen Rohstoffen, an Abfall, Lärm und Staus. Dazu müsse der Emissionshandel fortentwickelt, müssten umweltschädliche Subventionen abgebaut werden, sei eine Steuerpolitik notwendig, die mehr ökologische Anreize setze.

Technologischer Wandel nicht ausreichend

Aber es bedürfe nicht nur eines technologischen Wandels, so Köhler weiter. Es sei auch Zeit, darüber nachzudenken, ob ein schlichtes „immer mehr“-Denken die Zukunft wirklich gewinnen könne. Zwar wolle er nicht den „Verzichtsaposteln, Technikfeinden und Schwarzsehern“ das Wort reden – und in dieser Ecke habe Umweltpolitik auch nichts verloren. Aber auch unser heutiger Lebensstil fordere von uns ja schon jede Menge Verzicht: auf belebte und lebenswerte Innenstädte, für die wir Einkaufszentren auf ehemals grünen Wiesen eintauschten; auf Ruhe für die Menschen, die an Hauptverkehrsstraßen wohnten; auf kostbare Zeit mit Familien und Freunden, die Pendler verlören, während sie mit Tausenden anderen im Stau stünden – gemeinsam allein.

„Wenn wir es begriffen, würden wir erkennen, dass zum Beispiel ein komfortabler, preiswerter und flächendeckender öffentlicher Verkehr mehr Lebensqualität bedeutet, mit weniger Lärm und Landschaftsverbrauch und mit weniger Zeitverschwendung im Auto, das eben nicht mobil ist“, sagte Köhler. Doch der Wandel sei bereits im Gange, machte Köhler Mut. Es sei „cool“, mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren, nicht mit dem Geländewagen. Und das Energiesparhaus werde zum neuen Statussymbol.

Kultur der Nachhaltigkeit

Viele kleine und große Projekte in Kindergärten, Schulen und Universitäten, Kirchengemeinden, Umwelt- und Naturschutzgruppen, Gewerkschaften und Unternehmen – nicht wenige von der DBU unterstützt – trieben den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer Kultur der Nachhaltigkeit voran. Köhler: „Noch sind sie eine Minderheit. Doch schon manche Minderheit wurde zur Mehrheit und hat Geschichte gemacht.“

Die Politik müsse den Kulturwandel durch eine Bildung befördern, die einen nachhaltigen Lebensstil vermittele, durch mehr Transparenz für Verbraucher und eine größere Wertschätzung bürgerschaftlichen Engagements. Das Sozialprodukt allein sei nicht das Maß für eine gute Gesellschaft, „denn unsere Lebenswelt ist größer als die Welt der Waren, der Mensch mehr als nur Konsument oder Produzent“. An der Gestaltung einer neueren, besseren Welt könne jeder mitwirken. Köhler: „Wir haben unsere Zukunft zum großen, zum größten Teil selbst in der Hand. Nutzen wir diese Chance – in Verantwortung vor der Schöpfung und zum Wohle unserer Kinder und Enkel.“

(Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), 26.10.2009 – DLO)

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