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Mathematik

Mathematik: Unendlicher als unendlich

Forscher klären Hierarchie in Cichons Diagramm der Unendlichkeiten

unendlich
In der Mathematik gibt es mehr als eine Unendlichkeit – die große Frage ist nur, wie ihre Hierarchie aussieht. © dvsmm/ iStock.com

Unendliche Zahlenspiele: Es scheint paradox, aber in der Mathematik gibt es verschiedene Unendlichkeiten – so ist die Unendlichkeit aller Zahlen größer als die nur der ganzen Zahlen. Unklar war aber bisher, ob es zwischen den Extremen dieser beiden Unendlichkeiten noch Abstufungen gibt. Genau dies haben jetzt Mathematiker erstmals bewiesen. Sie belegen, dass die zehn im sogenannten Cichons Diagramm erfassten Unendlichkeiten alle voneinander verschieden sind.

In der Mathematik gibt es einige Zahlen mit unendlich vielen Stellen – dazu gehören die Kreiszahl Pi, und die Quadratwurzel aus 2. Aber auch der Zahlenraum selbst hat kein Ende: Es gibt unendlich viele ganze Zahlen, unendlich viele Primzahlen und auch alle Zahlensorten zusammen sind unendlich. Aber was bedeutet dies konkret? Sind diese Unendlichkeiten alle gleich, weil nichts mehr sein kann als unendlich? Oder gibt es doch Abstufungen der Unendlichkeit? Ist beispielsweise zwei hoch unendlich mehr als unendlich plus unendlich?

Zwei Extreme der Unendlichkeit

Was auf den ersten Blick absurd erscheint, ist in der Mathematik tatsächlich möglich. Denn in ihr gibt es mindestens zwei klar verschiedene Unendlichkeiten. Die kleinere ist die Menge der positiven ganzen Zahlen – der natürlichen Zahlen. Das andere Extrem bilden die reellen Zahlen – sie umfassen zusätzlich alle Dezimalzahlen sowie irrationale Zahlen wie die Kreiszahl Pi. Gängiger Annahme nach gibt es davon unabzählbar viele, daher ist ihre Unendlichkeit größer als die der natürlichen Zahlen.

Die große Frage aber ist: Gibt es zwischen diesen beiden Extremen noch Abstufungen? Der Mathematiker Georg Cantor glaubte dies nicht und formulierte 1878 die Kontinuumshypothese: Wenn eine Menge größer ist als die der natürlichen Zahlen, dann muss sie zumindest gleich groß sein wie die Menge der reellen Zahlen. Cantors Hypothese nach gibt es demnach nichts dazwischen.

Lücken in Cichons Diagramm

„Wenn man annimmt, dass die Kontinuumshypothese stimmt, dann ist die Sache ganz einfach: Dann ist zwischen der Unendlichkeit der natürlichen Zahlen und der Unendlichkeit der reellen Zahlen keine weitere Sorte von Unendlichkeit möglich und alle Einträge im Diagramm sind gleich“, erklärt Jakob Kellner von der TU Wien. Doch Cantors Hypothese ist unbeweisbar, wie Mathematiker in den 1960er Jahren feststellten. Ob sie stimmt oder nicht, bleibt damit offen.

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Seither haben Mathematiker versucht, ein wenig mehr Ordnung in ihre Unendlichkeiten zu bringen. In Cichons Diagramm fassen sie zehn unterschiedlich definierte Unendlichkeiten zusammen und geben für einige davon an, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Bisher blieb aber unklar, ob alle zehn Unendlichkeiten in diesem Diagramm voneinander verschieden sind und auch, in welcher Hierarchie sie zueinander stehen.

Zehn verschiedene Unendlichkeiten

Genau diese Fragen haben nun Kellner und seine Kollegen Martin Goldstern und Saharon Shelah beantwortet. „Wenn man aus den möglichen Unendlichkeits-Definitionen bestimmte Paare herausgreift und beweist, dass eine größer oder gleich der anderen sein muss, entsteht eine Hierarchie der Unendlichkeiten“, erklärt Goldstern. In ihrer Studie haben die Mathematiker für alle zehn Unendlichkeiten solche Paare untersucht.

Das Ergebnis: In Cichons Diagramm sind tatsächlich zehn verschiedene Einträge möglich. Damit können alle Unendlichkeiten in diesem Diagramm unterschiedlich unendlich sein – es gibt keine Paare, die den gleichen Unendlichkeitswert haben müssen. Damit haben die Forscher die Lücken in Cichons Diagramm geschlossen und einen wichtigen Fortschritt in diesem zentralen Baustein der Logik und Mengenlehre erzielt.

Allerdings: Wenn es um die mathematischen Unendlichkeiten geht, sind trotzdem noch lange nicht alle Fragen geklärt. Möglicherweise ist die Menge der mathematischen Rätsel rund um die Unendlichkeit ebenfalls unendlich groß. (Annals of Mathematics, 2019; doi: 10.4007/annals.2019.190.1.2)

Quelle: Technische Universität Wien

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