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Technik

Fahrende Autos als Regenmesser

Frequenz der Scheibenwischer verrät die Regenmenge genauer als stationäre Messstationen

Auto im Regen-Simulator. Der Fahrer stellt die Geschwindigkeit des Scheibenwischers je nach Sichtverhältnissen manuell ein. Die Sicht hängt von der im Simulator erzeugten Regenstärke ab, die Wischergeschwindigkeit kann damit als Maß für die Stärke des Regens dienen. © www.ikg.uni-hannover.de, Daniel Fitzner

Eine raffinierte Idee: Deutsche Forscher wollen die Scheibenwischer von Autos als mobile Regenmesser nutzen. Nimmt man viele solcher Daten zusammen, lässt sich daraus ein viel genaueres Bild der lokalen Regenstärke gewinnen, als mit den weit auseinander stehenden meteorologischen Messstationen. In einem speziellen Regensimulator haben die Wissenschaftler jetzt überprüft, ob das System funktioniert – mit Erfolg.

Wer an einem regnerischen Tag mit dem Auto unterwegs ist, kennt das: Je stärker es regnet und je schneller man fährt, desto schneller müssen die Wischblätter hin -und herfegen, um dem Fahrer klare Sicht zu verschaffen. Bei vielen modernen Autotypen erfolgt diese Anpassung an die Tropfenzahl auf der Scheibe sogar schon automatisch: ein optischer Sensor misst, wie viel Wasser sich schon auf der Scheibe gesammelt hat und das System passt die Wischfrequenz dann entsprechend an.

Wischer-Frequenz als Regen-Anzeiger

Genau diese Beobachtungen haben Uwe Haberlandt von der Universität Hannover und seine Kollegen zu ihrem Projekt „Raincars“ inspiriert. Denn sie suchten nach einer Möglichkeit, die Regenmessung genauer zu machen – insbesondere in Bezug auf kleinräumige Unterschiede. Denn gerade bei Gewitterschauern kann sich die Niederschlagsmenge innerhalb nur weniger Straßenzüge erheblich unterscheiden. Doch die herkömmlich zur Niederschlags-Messung eingesetzten Regenmesser der meteorologischen Stationen liegen relativ weit voneinander entfernt. Zu weit, um diese Variationen abzubilden.

„Wenn sich bewegende Autos als mobile Regenmesser genutzt werden könnten, würde dies die Netzwerkdichte dramatisch verbessern“, erklärt Haberlandt. Immerhin gibt es allein in Deutschland rund 40 Millionen Autos, die meisten mit integriertem GPS-System – denn dieses würde man für eine Regenmessung benötigen, um die Ortsinformationen zu erhalten. Das Prinzip von Raincars: Die Information über die Wischerfrequenz und den Standort werden an eine Zentrale gesendet, die diese Daten dann auswertet und daraus die lokalen Niederschlags-Informationen gewinnt.

Optische Regensensoren wie dieser sind bereits in vielen modernen Autos installiert. Infrarot-Strahlen messen die Zahl und Größe der Regentropfen auf der Oberfläche des Geräts. © www.ikg.uni-hannover.de, Daniel Fitzner

Test im Regen-Simulator

Um zu prüfen, ob ein solches Prinzip auch praktisch funktioniert, haben Haberlandt und seine Kollegen Versuche in einem Regen-Simulator durchgeführt. Sie setzten dafür Autos mit verschiedenen Wischanlagen unterschiedlichen Regenstärken aus und analysierten den Zusammenhang zwischen Regenmenge und Wisch-Frequenz. Dabei mussten sie natürlich auch einen weiteren wichtigen Aspekt berücksichtigen: die Geschwindigkeit. Denn je schneller ein Auto fährt, desto heftiger muss gewischt werden, um freie Sicht zu gewährleisten, auch wenn die Niederschlagsmenge gleich bleibt. Deshalb wurden auch unterschiedliche Geschwindigkeiten bei den Tests simuliert.

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Die Ergebnisse zeigten: Die Wisch-Frequenz spiegelt die Regenmengen tatsächlich gut wider – allerdings nur bei den Scheibenwischern, die ihre Geschwindigkeit automatisch per Sensor anpassen. Denn wenn der Fahrer selbst entscheidet, wann er meint, eine höhere Frequenz zu benötigen, dann sorgen individuelle Unterschiede dafür, dass die Daten zu stark streuen. „Die optischen Sensoren messen den Regen auf der Windschutzscheibe in direkter und kontinuierlicher Weise und sind deshalb das bessere System“, sagt Haberlandt.

Die Forscher wollen als nächstes die Straßentauglichkeit ihres Konzepts erproben. Denn neben der Geschwindigkeit gibt es noch viele weitere Faktoren, die die Messungen beeinflussen können: „In der Natur gibt es externe Effekte wie Wind, Spritzer von anderen Autos oder Abschirmung durch Bäume“, erklärt Team-Mitglied Ehsan Rabiei. Um herauszufinden, wie diese Effekte die Daten der Raincars beeinflusst, planen die Wissenschaftler bereits Feldversuche mit Autos rund um Hannover. „Es gibt einige Freiwillige, die uns unterstützen: ein Taxiunternehmen und ein Auto-Unternehmen. Über weitere Unterstützung würden wir uns aber freuen“, sagt Haberlandt. (Hydrology and Earth System Sciences, 2013; doi: 10.5194/hess-17-4701-2013)

(European Geosciences Union (EGU), 29.11.2013 – NPO)

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