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Physik

Die Atomsekunde wird 50

Seit 50 Jahren definieren Schwingungen von Cäsiumatomen das Maß der Zeit

Diese vier Atomuhren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt sind in Deutschland für die Realisierung und Verbreitung der gesetzlichen Zeit zuständig. © PTB

Internationale Taktgeber: Vor 50 Jahren wurde neu definiert, wie lange eine Sekunde dauert. Seitdem beruht die Basiseinheit der Zeit auf den Schwingungen von Cäsiumatomen. Für die Zeitmessung bedeutete die Einführung der Atomsekunde eine Revolution. Denn dank der Atomuhren wurde Zeit so genau und präzise messbar wie niemals zuvor. Bis heute lässt sich keine andere Einheit genauer realisieren.

Seit dem 13. Oktober 1967 ist Cäsium das Maß aller Dinge – zumindest was die Zeitmessung betrifft. Denn seitdem takten Atomuhren die Welt. Die auf den Schwingungen von ultrakalten Cäsiumatomen beruhenden Uhren sind die Referenz für die Weltzeit und sorgen beispielsweise dafür, dass GPS-Satelliten genaue Ortungsdaten liefern.

„Sie bieten uns ein schönes Thema zum Reflektieren: die Messung der Sternenbahnen in einem unermesslich weiten Kosmos mithilfe der Schwingung eines unendlich kleinen Atoms.“ So poetisch drückte der damalige französische Außenminister aus, was kurz danach in Paris passieren würde: Die versammelten Wissenschaftler und Politiker beschlossen auf der 13. Generalkonferenz für Maß und Gewicht, die Sekunde neu zu definieren. Die Stunde der Atomsekunde hatte geschlagen.

Zeitmessung durch Energiewechsel

Von nun an war die Atomsekunde offiziell Bestandteil des Internationalen Einheitensystems Si – und die internationale Atomzeit die Referenz für alle Uhren auf dem Globus. Diese Zeit beruht auf den Messwerten von 260 weltweit verteilt stehenden Atomuhren. In ihnen wird Cäsium in einer Vakuumkammer verdampft und dann als Atomstrahl in eine Mikrowellenkammer geschickt. Dort werden die Atome mit Mikrowellen bestrahlt. 

Treffen diese Mikrowellen eine ganz bestimmte Frequenz, absorbieren die Cäsiumatome diese Energie und wechseln in einen anderen energetischen Zustand. Dabei verändern sich auch ihre magnetischen Eigenschaften. Am Ausgang der Mikrowellenkammer misst ein Magnetdetektor, bei welcher Mikrowellenfrequenz die meisten Cäsiumatome ihren Zustand ändern. Das passiert, wenn die eingestrahlte Frequenz genau 9.192.631.770 Schwingungen beträgt. Diese Frequenz ist die Grundlage für die Zeitmessung und definiert die Sekunde.

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Naturkonstante als Grundlage

Vor dem Zeitalter der Atomsekunde galt bis in die 1950er Jahre hinein, was der Mathematiker Carl Friedrich Gauß etwa 120 Jahre zuvor vorgeschlagen hatte: Die Sekunde sei der 86.400. Teil eines mittleren Tages, also der Drehung der Erde um sich selbst.

Weil die von der Erdrotation abgeleitete Sekunde jedoch aufgrund der ungleichmäßigen Erdumdrehung Unregelmäßigkeiten aufwies, regte der amerikanische Physiker Isidor Isaac Rabi schon im Jahr 1940 an, die Zeit mithilfe einer Naturkonstanten zu messen: der Übergangsfrequenz zwischen zwei ausgewählten Zuständen eines Atoms. Besonders geeignet seien, so Rabi, die Hyperfeinstrukturzustände im Atom 133Cs, einem nicht radioaktiven Cäsium-Isotop.

Neue Sekunden-Welt

Rabi bekam für seinen Vorschlag 1944 den Nobelpreis. Gut zehn Jahre später tickte die erste Cäsium-Atomuhr. Gleichzeitig liefen seit einigen Jahren die Vorbereitungen für das spätere Internationale Einheitensystem, das 1960 ins Leben gerufen werden sollte. Aber die Beteiligten in den Organen der Meterkonvention trauten der schönen neuen Sekunden-Welt noch nicht recht.

Vorerst ließ man die Zeit in der Hand der Astronomen und legte 1960 die sogenannte Ephemeridensekunde fest, die nicht mehr auf der Rotation, sondern der Bahnbewegung der Erde beruhte. Doch diese Definition galt nur kurz: Schon sieben Jahre nach ihrer Einführung wurde sie von der Atomsekunde abgelöst.

Wettlauf der Genauigkeiten

Seitdem führt die Atomsekunde den Wettlauf der Genauigkeiten an: Keine andere der sechs sogenannten Basiseinheiten ist so genau definiert und lässt sich so präzise messen wie die Sekunde. Die heutigen Atomuhren laufen so gleichmäßig, dass sie in drei Millionen Jahren nur eine Sekunde falsch gehen würden.

In Zukunft könnten jedoch auch die anderen offiziellen Einheiten weniger anfällig für Schwankungen werden. So geht die Physikalisch-Technische Bundesanstalt davon aus, dass die Generalkonferenz für Maß und Gewicht im Herbst 2018 beschließen wird, dass das gesamte Internationale Einheitensystem auf unveränderlichen Eigenschaften der Natur beruhen soll. Für die Einheiten Meter und Sekunde ist dies schon gelungen, Kelvin, Kilogramm, Mol und Ampere sind noch in Arbeit.

Die nächste Generation von Atomuhren

Doch auch bei der Zeit geht es künftig womöglich noch genauer. Eine neue Generation von Atomuhren, die sogenannten optischen Atomuhren, übertrifft ihre Vorgänger in Sachen Präzision: Diese Uhren nutzen Strontium- oder Ytterbiumatome als Zeitgeber und müssten Milliarden Jahre laufen, um eine Sekunde falsch zu gehen.

(Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 13.10.2017 – DAL)

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