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Technik

Datenzentren der Zukunft könnten unter Wasser liegen

Pilotprojekt belegt Machbarkeit und Vorteile von Rechenzentren auf dem Meeresgrund

Unterwasser-Datenzentrum
Bergung des Unterwasser-Datenzentrums nach zwei Jahren am Meeresgrund vor den Orkney-Inseln. © Jonathan Banks/ Microsoft

Rechenpower am Meeresgrund: Ein Pilotprojekt demonstriert, dass Unterwasser-Rechenzentren machbar sind und Vorteile bieten – sie sparen Energie und sind sogar haltbarer als normale Server-Zentren. Für den Test hat Microsoft eine zwölf Meter lange Metallröhre voller Server zwei Jahre lang am Meeresgrund deponiert. Jetzt wurde die Röhre geborgen. Ersten Untersuchungen zufolge war die Ausfallrate der Server achtmal niedriger ist als sonst.

Ob Streaming, Cloud-Anwendungen oder Bitcoin-Mining: Um die digitale Welt in Gang zu halten, ist enorme Rechenpower in Form großer Datenzentren nötig. Doch um die vielen Server am Laufen zu halten und zu kühlen, werden entsprechend große Mengen an Strom benötigt. Schon jetzt verbrauchen Rechenzentren rund ein Prozent der globalen Stromproduktion. Anbieter suchen daher nach Wegen, um Datenzentren sparsamer und nachhaltiger zu machen – beispielsweise durch Strom aus regenerativen Energien oder sogar den Umzug in Bergwerke.

Server
Blick auf die Server im Inneren des Unterwasser-Datenzentrums. © Jonathan Banks/ Microsoft

Unter Wasser statt auf der grünen Wiese

Eine weitere Lösung könnten unter Wasser liegende Rechenzentren sein – beispielsweise am Grund der küstennahen Meere. Der Ozean bietet eine gleichmäßig kühle Umgebung, die die Wärme der Server effektiv ableiten kann. Gleichzeitig schirmt das Wasser die Rechner in ihren isolierten Behältern von Störfeldern und der Korrosion ab. Den Strom für solche Unterwasser-Datenzentren könnten Wind- oder Gezeitenkraftwerke direkt vor Ort generieren.

Ein weiterer Vorteil: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt weniger als 200 Kilometer von der Küste entfernt. Platziert man solche Datenzentren vor der Küste der Ballungsräume, müssen Daten nur kurze Entfernungen zurücklegen. Während an Land wegen der dichten Besiedlung oft Platzmangel herrscht, ist der Meeresboden meist weitgehend ungenutzt – Platz genug wäre dort.

Zwei Jahre am Meeresgrund

Wie machbar und rentabel solche Unterwasser-Datenzentren sind, untersucht die Firma Microsoft schon seit einigen Jahren im Projekt Natick. Bereits 2015 führten Forscher einen 105-tägigen Test im Pazifik durch, bei dem erste Server in einem abgeschlossenen Behälter am Meeresgrund deponiert wurden. Ein erstes größeres Pilotprojekt begann dann im Juni 2018 vor der Küste der schottischen Orkney-Inseln.

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Für das Projekt wurde ein ganzes Rechenzentrum zwei Jahre lang in rund 35 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund deponiert und dort betrieben. Das Datenzentrum bestand aus 864 Servern in zwölf Racks mitsamt aller Verkabelungen, Wärmetauscher und Zusatzgeräte, die in einem zwölf Meter langen Druckbehälter aus Stahl untergebracht waren. Dieser war mit reinem Stickstoff gefüllt, um die Korrosion der Elektronikkomponenten durch Sauerstoff zu verhindern.

Zur Kühlung der Rechner diente Meerwasser, der nötige Strom kam über eine Leitung aus dem Stromnetz der Orkney-Inseln. Sie erzeugen ihre Energie komplett aus Wasser und Wind.

Weniger Ausfälle als an Land

Inzwischen sind die zwei Jahre rum und Marinespezialisten haben das Unterwasser-Rechenzentrum mithilfe spezieller Kranschiffe wieder vom Meeresgrund heraufgeholt. Der einst schneeweiße Stahlzylinder war mit einer dicken Schicht aus Algen, Seepocken und Seeanemonen bewachsen. Doch dieser Aufwuchs ließ sich leicht mit einem Hochdruckreiniger abspritzen, wie sich zeigte. Auch sonst gab es keinerlei Schäden: Der Druckbehälter ist dicht geblieben und das Datenzentrum hat in der gesamten Zeit störungsfrei weitergearbeitet.

Erste Untersuchungen des Innenlebens erbrachten ebenfalls positive Ergebnisse. Demnach haben die Server den Aufenthalt am Meeresgrund sogar besser überstanden als ihre Gegenparts an Land: „Unsere Ausfallrate ist achtmal geringer als an Land“, berichtet Projektleiter Ben Cutler. Er und sein Team vermuten, dass die Stickstoff-Atmosphäre die sensible Elektronik geschützt hat. Im Gegensatz zu normalen Datenzentren fehlen auch die Menschen, die sonst Reparaturen und andere Arbeiten durchführen und dabei die Komponenten durch Erschütterungen oder Anstoßen beschädigen können.

Auch wirtschaftlich lohnend

Angesichts dieser Erfahrungen könnte sich ein solches Unterwasser-Datenzentrum auch wirtschaftlich lohnen. „Ich habe ein ökonomisches Modell, das mir sagt, wie viele Server ich verlieren darf, damit ich noch mindestens gleichauf mit den Landzentren liege“, erklärt Cutler. „Und wir sind deutlich besser.“ Seiner Ansicht nach sind Datenzentren am Meeresgrund damit künftig nicht nur möglich, sondern auch logistisch, ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll.

Cutler denkt bereits darüber nach, künftig Unterwasser-Rechenzentren in der Nähe von Offshore-Windparks zu installieren. Denn selbst bei schwachem Wind würden diese genug Elektrizität für die Rechner produzieren. Für den Notfall könnte man auch eine Stromleitung mit den Glasfaserkabeln bündeln, die ohnehin für den Transport der Daten an Land nötig sind. Praktisch auch: In der abgeschirmten Röhre müssen Server nur alle fünf Jahre ausgetauscht werden. Die wenigen, die vorher ausfallen, werden einfach automatisiert vom Netz genommen.

So hat das Datenzentrum den Unterwasser-Aufenthalt überstanden.© Microsoft

Insgesamt hat das Project Natick bislang positive Ergebnisse erbracht. Bei Microsoft wird schon überlegt, wie man noch mehr Unterwasser-Rechenzentren errichten und miteinander vernetzen kann. Möglicherweise könnten bald auch andere Unternehmen den Ozean als günstigen Standort für Rechenzentren für sich entdecken. Dann wären die Datenzentren der Zukunft keine Riesengebäude auf der grünen Wiese mehr, sondern „unsichtbare“ Anlagen auf dem Meeresgrund.

Quelle: Microsoft

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