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Physik

Hinweis auf „dunkle Bosonen“ entdeckt?

Abweichungen bei Quantensprüngen könnten auf ein noch unbekanntes Kraftteilchen hindeuten

Dunkles Boson
Wenn es dunkle Bosonen gibt, dann müssten diese Kraftteilchen eine Wechselwirkung zwischen Neutron und Elektron im Atom verursachen – nach ihr haben zwei Forscherteams nun gesucht. © J. Hur/ MIT

Verräterische Abweichung: Physiker könnten erste Indizien für ein noch unbekanntes Kraftteilchen entdeckt haben – ein „dunkles Boson“. Dieses gilt als möglicher Kandidat für die Teilchen der Dunklen Materie. Im Experiment beobachteten die Forscher Anomalien bei Quantensprüngen von verschiedenen Ytterbium-Isotopen, die auf die Einwirkung solcher dunkler Bosonen hindeuten könnten. Ein ähnliches Experiment mit Calcium-Isotopen wurde jedoch nicht fündig.

Obwohl die Dunkle Materie weite Teile des Kosmos erfüllt, ist ihre Natur noch immer rätselhaft. Denn aus welchen Teilchen sie besteht, bleibt bislang Spekulation – Nachweise fehlen. Als mögliche Kandidaten gelten einerseits schwere, kaum mit normaler Materie wechselwirkende Teilchen wie die Weakly Interacting Massive Particles (WIMP), andererseits leichtere Partikel wie sterile Neutrinos, Axionen oder auch dunkle Photonen.

Eine neue Grundkraft als Urheber der Dunklen Materie?

In jüngster Zeit macht ein weiterer Kandidat von sich reden: das dunkle Boson. Anders als Materieteilchen sind Bosonen Trägerteilchen von Grundkräften, so vermitteln die Gluonen im Atomkern die starke Kernkraft, Photonen sind Träger der elektromagnetischen Kraft und das Higgs-Boson verleiht allem eine Masse. Analog dazu sollen die dunklen Bosonen eine Art fünfte Grundkraft sein, die die Interaktion der Dunklen Materie mit der normalen Materie kontrolliert.

Tatsächlich haben Physiker in Teilchenbeschleunigern und bei Zerfallsexperimenten mit Beryllium-Isotopen einige Diskrepanzen entdeckt, die auf die Existenz eines noch unbekannten Bosons hindeuten könnten. Bisher allerdings sind all diese Abweichungen nicht signifikant und eindeutig genug. Deshalb haben nun zwei Forscherteams eine andere Methode genutzt, um nach dunklen Bosonen zu fahnden.

Quantensprünge als Boson-Anzeiger

Für diese Suche vergleichen die Physiker die Quantensprünge von stabilen Isotopen des jeweils selben Elements. Führt man den Atomen Energie zu, wechseln ihre Elektronen in einen energetisch höheren Zustand. Wann dieser Wechsel stattfindet, hängt von der Frequenz der anregenden Strahlung, aber auch von der Zahl der Neutronen im Atomkern ab. Nach dem Standardmodell der Physik folgen die Quantensprünge bei Isotopen daher einer linearen Beziehung, die im sogenannten „King Plot“ beschrieben ist.

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Der Clou dabei: Wenn dunkle Bosonen existieren, dann müssten sie eine winzige Kraftwirkung zwischen Elektronen und Neutronen eines Atoms verursachen. Dies wiederum würde das Verhalten der Atome bei Anregung und damit die Lage ihrer Quantensprünge leicht verändern – es käme zu Abweichungen vom King Plot. Ob das der Fall ist, hat ein Team um Ian Counts vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) für fünf Ytterbium-Isotope untersucht. Ein zweites Team um Cyrille Solaro von der Universität Aarhus nutzte fünf stabile Isotope des Calciums dafür.

In beiden Experimenten wurden die Isotope auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt und mittels Laser zu zwei verschiedenen Quantensprüngen angeregt. Mithilfe der Raman-Spektroskopie und eines Laser-Frequenzkamms bestimmten die Forscher jeweils die Wellenfrequenz, bei der die Sprünge stattfanden.

Abweichungen beim Ytterbium

Das Ergebnis: Das Aarhus-Team konnte beim Calcium keine signifikanten Abweichungen zum King Plot feststellen. Die Physiker schließen aber nicht aus, dass die Calcium-Atome einfach zu leicht waren, um die winzigen Effekte nachweisen zu können. Bessere Chancen räumen sie daher den Isotopen schwererer Elemente wie Barium oder Ytterbium ein.

Tatsächlich gab es beim Ytterbium-Experiment Auffälligkeiten. Denn in diesem wichen die Quantensprünge der Isotope von der erwarteten linearen Kurve ab: „Der King Plot zeigt eine Abweichung um 0,3 Millionstel von der Linearität“, berichten Counts und seine Kollegen. „Eine solche Nichtlinearität kann auf eine Physik jenseits des Standardmodells in Form eines neuen bosonischen Kraftträgers hindeuten.“

Allerdings: Bisher liegt die Signifikanz dieser Abweichungen nur bei drei Sigma. Als gesicherte Entdeckung gilt in der Teilchenphysik aber erst ein Wert von fünf Sigma. Zudem können Counts und sein Team bislang nicht ausschließen, dass nicht doch andere Störeffekte diese Abweichungen verursacht haben.

Die Fahndung geht weiter

Was aber heißt das nun für die Suche nach dem dunklen Boson? Die neuen Ergebnisse könnten ein erster Hinweis darauf sein, dass dieses hypothetische Teilchen existiert. Doch von einem Nachweis oder auch nur einem handfesten Indiz sind sie noch weit entfernt. Beide Forscherteams sind sich daher einig, dass weitere Messungen solcher Isotopen-Sprünge sinnvoll und lohnend wären.

„In Zukunft könnte die Präzision der Messungen um mehrere Größenordnungen erhöht werden, wenn man zwei Isotope zusammen misst“, sagen Counts und seine Kollegen. „Das würde es erlauben, zwischen Nichtlinearitäten verschiedenen Ursprungs zu unterscheiden.“ (Physical Review Letters, 2020; doi: 10.1103/PhysRevLett.125.123002; doi: 10.1103/PhysRevLett.125.123003)

Quelle: American Physical Society

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