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Technik

Das kleinste Weinglas der Welt

Neues Verfahren erlaubt 3D-Druck von nanometerkleinen Glasstrukturen ohne Sintern

Mit 3D-Druck hergestellte Glas-MIkrostrukturen
Dieses Weinglas ist nur wenige Mikrometer groß, ebenso die Spirale und die Mikronadeln. Das Besondere: Sie entstanden durch ein neues Verfahren des 3D-Drucks. © Huang et al./ Nature Communications, CC-by 4.0

Glas aus dem Drucker: Forschende haben ein neues Verfahren entwickelt, um nanometerkleine Silikatglas-Strukturen mittels 3D-Druck herzustellen – darunter auch das kleinste Weinglas der Welt. Es ist nur wenige Mikrometer hoch und entstand ohne das sonst bei Glas-3D-Druck nötige Erhitzen auf 1.200 Grad. Stattdessen wird eine anorganische Silikatverbindung mittels Laserpulsen ausgehärtet. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, maßgeschneiderte Glas-Nanostrukturen für Glasfaserleitungen, Speziallinsen oder photonische Anwendungen zu produzieren.

Ob als Fensterscheibe, Gefäß oder optische Linse: Glas ist für unseren Alltag und unsere Technik unverzichtbar. Denn es ist stabil, optisch transparent und beständig gegenüber thermischen und chemischen Einflüssen. Deshalb werden winzige, komplexe Glasstrukturen auch in moderner Technik wie Sensoren, Mikrokameras oder der optischen Datenübertragung in Glasfasern benötigt.

3D-Druck von Glas hat Tücken

Doch bisher hat die Produktion von Mikro-Glasstrukturen einen Haken: Um die amorphe, aber feste Struktur des Glases zu erzeugen, muss das Silikat geschmolzen und dann abgeschreckt werden. Das jedoch macht die Herstellung präziser, sehr feiner Strukturen schwierig bis unmöglich. Auch beim 3D-Druck von Glas ist bisher ein abschließendes Sintern nötigt: Die als Drucktinte genutzte Mischung aus Silikatnanopartikeln und organischen Bindemitteln muss auf rund 1.200 Grad erhitzt werden, um auszuhärten. Das schränkt die Anwendung erheblich ein.

Eine Lösung dafür könnten nun Po-Han Huang und seine Kollegen vom Königlich schwedischen Institut für Technologie (KTH) in Stockholm gefunden haben. Sie haben eine neue Methode des Glas-3D-Drucks entwickelt, die ohne organische Binder und Sintern auskommt. „Dadurch benötigen wir keine thermische Nachbehandlung und das erzeugte Glas ist trotzdem extrem hitzefest“, sagt Huang.

3D-Glasdruckmethode
Prinzip des 3D-Drucks von Silikatglas aus Wasserstoffsilsesquioxan (HSQ). © Huang et al./ Nature Communications, CC-by 4.0

Laserpulse statt Erhitzen

Möglich wird dies, weil das Team die anorganische Verbindung Wasserstoffsilsesquioxan (HSQ) als Rohstoff und „Druckertinte“ verwendet. „Wir nutzen die Tatsache, dass Wasserstoffsilsesquioxan ohne jede Zusätze zu Silikatglas kreuzverlinkt werden kann“, erklären die Forschenden. Unter Einfluss ultrakurzer Laserpulse bilden die käfigartigen Moleküle der Substanz Querverbindungen aus, durch die ein amorphes, glasartiges Netz mit zahlreichen Silizium-Sauerstoffringen entsteht.

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„Dieses frisch gedruckte Silikatglas hat eine gute Qualität und ist bereits ohne weitere Nachbehandlung für die Anwendung in der Mikrooptik geeignet“, erklärt das Team. Das gedruckte Glas ist transparent und widersteht noch Druckkräften von 2,4 Gigapascal und mechanischen Spannungen von 40 Gigapascal, wie Tests ergaben. Dies ist zwar geringer als bei klassischem Silikatglas. Optional kann das 3D-gedruckte Silikatglas aber einer zusätzlichen Hitzebehandlung bei 900 Grad unterzogen werden, um es noch härter und fester zu machen.

„Auch wenn diese Optimierung für einige Anwendungen nötig ist, erleichtert unsere Methode den 3D-Glasdruck für viele praktische Einsatzzwecke“, so Huang.

Optischer Wellenleiter aus gedrucktem Glas
Mittels 3D-Druck hergestellter optischer Wellenleiter. © Huang et al./ Nature Communications, CC-by 4.0

Weinglas, Wellenleiter und Druck direkt auf die Glasfaser

In ersten Praxistests nutzten die Forschenden ihre 3D-Druckmethode, um neben verschiedenen anderen Glas-Mikrostrukturen wie Spiralen, Nadeln und optischen Wellenleitern auch das kleinste Weinglas der Welt zu erzeugen. „Bisher hat niemand ein 3D-gedruckes Weinglas hergestellt, das aus Silikatglas direkt aus dem 3D-Drucker bestand“, sagt Seniorautor Frank Niklaus vom KTH. Die gläsernen Teststrukturen waren nur wenige hundert Nanometer klein und demonstrieren damit, dass diese Technik präzise und maßgefertigte Miniatur-Glasstrukturen herstellen kann.

In einem weiteren Test druckten die Forschenden ein Glasplättchen direkt auf die Spitze eines Glasfaserkabels – ohne die hitzeempfindlichen Polymerhüllen zu entfernen. Das Ergebnis: „Die 3D-gedruckte Glasplatte war mit dem lichtleitenden Kern der Glasfaser perfekt in einer Linie und die temperaturempfindlichen Polymerhüllen waren auch nach dem Drucken noch intakt“, berichtet das Team.

Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten

Nach Ansicht von Huang und seinen Kollegen eröffnet ihre neue Glasdruck-Technik damit neue Anwendungsmöglichkeiten für den 3D-Druck von Glas. „Optische Leiter aus Glas sind das Rückgrat des Internets, benötigen aber verschiedenste Filter und Koppler“, erklärt Koautorin Kristinn Gylfason vom KTH. „Diese Zusatzstrukturen können nun mit unserer Technik direkt auf die Glasfaser aufgedruckt werden – das eröffnet viele neue Möglichkeiten.“

Aber auch für anderee Anwendungen kommt das 3D-Glasdruckverfahren in Frage. So könnte man damit maßgeschneiderte Linsen für Endoskopkameras oder andere Mikrooptiken drucken, aber auch Bauteile für Mikroroboter oder verschiedene photonische Anwendungen. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-38996-3)

Quelle: KTH The Royal Institute of Technology

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