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Neurowissenschaften

Wie das Gehirn Begehren erzeugt

Biochemischer Auslöser der Leidenschaft entdeckt

Verlangen
Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir unseren festen Partner oder unsere Partnerin begehren? © PeopleImages/ Getty images

Hormongesteuert: Forschende haben herausgefunden, wodurch das Gehirn leidenschaftliches Begehren erzeugt und damit Paarbeziehungen stabilisiert. Demnach spielt dafür der Hirnbotenstoff Dopamin eine entscheidende Rolle, wie das Team anhand von Wühlmäusen ermittelte. Der Partnerkontakt flutet das Belohnungszentrum mit Dopamin und sorgt so für das motivierende Glücksgefühl der Liebe. Das Hormon könnte aber auch erklären, warum selbst starker Liebeskummer mit der Zeit abklingt.

Das Hormon Dopamin steuert zahlreiche Prozesse in unserem Körper. Unter anderem löst es das Begehren nach Wasser, Zucker, Nikotin und Kokain aus, wie frühere Studien belegen. Dabei wirkt es auf das Belohnungszentrum in unserem Gehirn. Derselbe Mechanismus steuert auch die Sehnsucht nach Liebe. Wie Untersuchungen belegen, sind Verliebte wegen der Hormonflut regelrecht süchtig nach ihrem Partner.

Symbolbild Dopamin
Der Neurotransmitter Dopamin spielt eine entscheidende Rolle. © Phonlamai/ iStock

Was steckt hinter dem Liebesleben der Präriewühlmäuse?

Ein Team um Anne Pierce von der University of Colorado (CU) in Boulder hat nun anhand von Präriewühlmäusen untersucht, welche Rolle Dopamin bei monogamen Paarbeziehungen spielt. Neben dem Menschen zählen diese Nagetiere zu den rund drei bis fünf Prozent der Säugetierarten, die diese Beziehungsform pflegen. Wie wir binden sie sich langfristig, wohnen zusammen, ziehen ihren Nachwuchs gemeinsam auf und trauern um ihren Partner, wenn dieser verstirbt. Damit eignen sie sich besonders gut als Modell.

Um herauszufinden, warum die Mäuse solch intime Paarbeziehungen pflegen und unter welchen Umständen diese zerbrechen, haben die Neurowissenschaftler die biochemischen Vorgänge im Gehirn der Nager genauer untersucht. Insbesondere interessierten sie sich für den sogenannten Nucleus accumbens, der Teil des neuronalen Belohnungssystems ist. Dafür maßen die Forschenden mit winzigen Sensoren, wieviel des Botenstoffs Dopamin dort ausgeschüttet wird, wenn die Tiere versuchen, zu ihrem Partner in einem anderen Raum zu gelangen. Die Präriewühlmäuse mussten für das Wiedersehen entweder einen Hebel betätigen, um eine Tür zu öffnen, oder über einen Zaun klettern.

Dopamin motiviert Liebende

Die Analyse ergab: Während die Mäuse den Hebel drückten oder über den Zaun kletterten, wurde ihr Belohnungszentrum im Gehirn mit Dopamin überflutet. Die Hormonwelle hielt auch dann noch an, als die wiedervereinigten Partner sich anschließend beschnupperten und miteinander kuschelten. In Kontrollexperimenten wartete im Nachbarraum nicht der Lebenspartner, sondern eine andere Präriewühlmaus oder Futter. In diesem Fall schüttete das Gehirn der Versuchstiere ebenfalls Dopamin aus, aber deutlich weniger, wie die Versuche ergaben.

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Nachdem die Forschenden einen Dopamin-Rezeptor im Gehirn der Tiere chemisch blockiert hatten, zeigten die Tiere zudem ein vermindertes Interesse sowohl an ihrem Partner als auch an der fremden Maus. „Das deutet darauf hin, dass Dopamin nicht nur wirklich wichtig ist, um uns zu motivieren, unseren Partner aufzusuchen, sondern dass tatsächlich mehr Dopamin durch unser Belohnungszentrum strömt, wenn wir mit unserem Partner zusammen sind, als wenn wir mit einem Fremden zusammen sind“, sagt Pierce.

Ohne Dopamin kein Wiederaufflammen des Verlangens

Damit könnten die Forschenden eine „biologische Signatur des Verlangens“ entdeckt haben. Dopamin ist demnach ein wesentlicher Treiber, um soziale Beziehungen zu knüpfen und insbesondere um Paarbeziehungen aufrecht zu erhalten. Aber wie lange hält die Sehnsucht an? Um das herauszufinden, trennten Pierce und ihre Kollegen ein Mäusepaar für vier Wochen. Während dieser Zeit finden wildlebende Präriewühlmäuse normalerweise einen neuen Partner, berichten die Forschenden. Anschließend arrangierten sie ein Wiedersehen für das Paar.

Es zeigte sich: Die beiden Tiere erinnerten sich zwar aneinander und verhielten sich entsprechend vertrauter als gegenüber Fremden, zeigten jedoch weniger Interesse aneinander als vor der Trennung. Ihr Gehirn wies bei den Berührungen des Partners zudem kaum noch Dopamin auf, wie die Messdaten ergaben. Der Hormonspiegel glich dem von zwei fremden Mäusen bei einer Begegnung. Durch die lange Trennung war das typische hormongesteuerte Begehren offenbar verschwunden, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler.

„Wir betrachten dies als eine Art Reset im Gehirn, der es dem Tier ermöglicht, weiterzumachen und möglicherweise eine neue Bindung einzugehen“, sagt Seniorautorin Zoe Donaldson von der CU Boulder. Das Ausbleiben des erhöhten Dopaminspiegels könnte damit eine Art Bewältigungsmechanismus sein, um mit dem Ende einer Paarbeziehung fertig zu werden.

Gelten die Erkenntnisse auch für Menschen?

Ob die Ergebnisse auf den Menschen oder andere monogam lebende Säugetiere übertragbar sind, müssen weitere Studien klären. Neurologische Untersuchungen belegen jedoch, dass der Nucleus accumbens und das dopaminreiche Belohnungssystem auch in unserem Gehirn aktiv sind, wenn wir die Hand unseres Partners halten oder frisch verliebt sind. Pierce und ihre Kollegen gehen daher davon aus, dass auch bei uns Dopamin für das Begehren unter Partnern verantwortlich ist.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass bestimmte Menschen einen einzigartigen chemischen Eindruck in unserem Gehirn hinterlassen, der uns dazu bringt, diese Bindungen über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten“, sagt Donaldson. „Das hilft uns auch zu erklären, warum wir mit manchen Menschen mehr zusammen sein wollen als mit anderen.“

Hilfe gegen krankhaften Liebeskummer

Umgekehrt könnten trauernde Menschen, die sich getrennt haben oder ihren Partner verloren haben, von dem entdeckten Mechanismus profitieren. Denn der Mangel an Dopamin im Gehirn könnte Liebeskummer durch unerwiderte Liebe mit der Zeit auf natürliche Weise abschwächen. Damit könnten die Erkenntnisse aber auch für Menschen hilfreich sein, die ungewöhnlich lange trauern. „Wir hoffen, dass wir durch das Verständnis, wie gesunde Bindungen im Gehirn aussehen, auch neue Therapien finden können, um den vielen Menschen mit psychischen Erkrankungen zu helfen“, sagt Donaldson.

Für Treue in Langzeitbeziehungen ist im Übrigen ein anderes Hormon verantwortlich, das Oxytocin, wie frühere Studien an Präriewühlmäusen ergeben haben. Ob Oxytocin oder andere Hormone beim Begehren mit Dopamin zusammenwirken, bleibt unklar und muss weiter erforscht werden, betonen Pierce und ihre Kollegen. (Current Biology, 2023; doi: 10.1016/j.cub.2023.12.041)

Quelle: University of Colorado at Boulder

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