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Chemie

Lange gesuchtes Material ist so hart wie Diamant

Chemikern gelingt erstmals die Herstellung von superharten, stabilen Kohlenstoffnitriden

Kohlenstoffnitrid
Chemiker haben erstmals Verbindungen aus Kohlenstoff und Stickstoff synthetisiert, die ähnlich hart sind wie Diamant und darüber hinaus weitere günstige Eigenschaften haben könnten. © Laniel et al./ Advanced Materials, CC-by 4.0

Endlich geschafft: Chemiker haben erstmals Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindungen erzeugt, die ähnlich hart sind wie Diamant. Solche Kohlenstoffnitride wurden schon 1989 postuliert, aber bisher nie eindeutig experimentell nachgewiesen. Jetzt ist die Synthese gleich mehrerer Varianten gelungen. Diese unter extremem Hochdruck erzeugten Verbindungen bleiben auch unter Normalbedingungen stabil – und könnten neben ihrer extremen Härte auch günstige elektronische und optische Eigenschaften aufweisen, wie das Team berichtet.

Schon seit Jahrzehnten suchen Wissenschaftler nach Materialien, die genauso hart und beständig sind wie Diamant, aber weniger teuer. Theoretischen Modellen nach kommen dafür Kohlenstoffverbindungen in Frage, in denen die Atome über jeweils vier starke kovalente Bindungen miteinander verbunden sind. Aber auch Kristallstrukturen mit Stickstoff-, Bor- und Sauerstoffatomen könnten die nötige Härte bieten. So reicht beispielsweise kubisches Bornitrid (cBN) mit einer Druckbelastbarkeit von 395 Gigapascal an die des Diamants mit 445 Gigapascal zumindest heran.

Kohlenstoffnitrid
In Kohlenstoffnitriden bilden Kohlenstoff- und Stickstoffatome eine besonders stabile Tetraederstruktur.© Laniel et al./ Advanced Materials, CC-by 4.0

Tetraeder aus Kohlenstoff und Stickstoff

Doch es geht noch härter: „Schon 1989 sagten theoretische Modelle voraus, dass hypothetische Feststoffe aus Kohlenstoff und Stickstoff gute Kandidaten für extreme Härte sein könnten“, erklären Dominique Laniel von der University of Edinburgh und seine Kollegen. In diesen Kohlenstoffnitriden bilden die über vier Bindungen miteinander verknüpften Atome stabile Tetraeder-Einheiten, was ihnen große mechanische Widerstandsfähigkeit verleiht. Zudem sollen sie auch exotische thermische, elektronische und optische Merkmale besitzen – was sie zu begehrten Hightech-Materialien machen könnte.

Das Problem jedoch: „Auch nach mehr als drei Jahrzehnten der Syntheseversuche gibt es keinen eindeutigen Beweis für ihre Existenz“, erklären die Chemiker. Die meisten der theoretisch postulierten Kohlenstoffnitride ließen sich gar nicht erst herstellen, bei anderen konnte die Struktur nicht klar nachgewiesen werden.

Deshalb haben Laniel und sein Team nun einen neuen Versuch unter noch höheren Drücken unternommen. Für ihr Experiment platzierten die Chemiker verschiedene Vorläuferverbindungen aus Stickstoff und Kohlenstoff in einer Diamantstempelzelle. In ihr setzen sie die Proben Drücken von 70 bis 140 Gigapascal aus und heizten sie mithilfe eines Lasers auf Temperaturen von bis zu 2.300 Grad auf.

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Gleich mehrere stabile Kohlenstoffnitride erzeugt

Und tatsächlich: In den Proben entstanden durch diese Extrembehandlung vier verschiedene Varianten der lange gesuchten Kohlenstoffnitride. Röntgenkristallografie enthüllte, dass diese Verbindungen aus den Grundeinheiten CN, CN2 und C3N4 bestehen, die in unterschiedlich hoher Zahl und verschiedenen Anordnungen miteinander verknüpft sind. Damit ist es dem Team erstmals gelungen, diese lange vorhergesagten Kohlenstoffnitride zu synthetisieren.

Allen gemeinsam ist ihre stabile Struktur: “Alle vier Kohlenstoffnitride bestehen aus vollständig gesättigten Kohlenstoff- und Stickstoff-Atomen, das bedeutet, dass alle Kohlenstoffatome vier Einzelbindungen aufweisen und alle Stickstoffatome drei Einzelbindungen“, erklären Laniel und sein Team. Dadurch entsteht eine Struktur aus eckenteilenden Tetraedern, die als Voraussetzung für große Härte und Ultrainkompressibilität gilt.

Beschädigter Diamant
Die Kohlenstoffnitrid-Probe war so hart, dass sie Druckspuren im Diamant der Stempelzelle hinterließ. Die roten Rahmen markieren die Lage der beiden Ausschnittsvergrößerungen.© Laniel et al./ Advanced Materials, CC-by 4.0

Selbst Diamant wird eingedellt

Spannend auch: Diese kristallinen Verbindungen benötigen zwar extreme Drücke und Temperaturen für ihre Herstellung, sie bleiben dann aber unter Normalbedingungen stabil, wie die Experimente ergaben. „Dies ist das erste Mal, dass Materialien, die bei mehr als 100 Gigapascal erzeugt wurden, sich unter normalen Bedingungen erhalten lassen“, schreiben Laniel und seine Kollegen.

Doch wie hart sind diese neu synthetisierten Kohlenstoffnitride? Dies testeten die Forschenden, indem sie Proben der C3N4-Varianten nach dem Auskühlen erneut in der Diamantstempelzelle unter Druck setzten. „Diese Prozedur resultierte in Eindellungen des Diamantstempels“, berichten die Chemiker. „Dies demonstriert, dass diese Feststoffe eine Härte vergleichbar der des Diamants haben müssen.“ Ergänzende Modellrechnungen bestätigten dies.

„Dies ist die lange erwartete Antwort auf die seit drei Dekaden anhaltende Suche nach Alternativen für Diamant und kubisches Bornitrid“, konstatieren die Chemiker.

Leuchtend, piezoelektrisch und mögliche Supraleiter

Die neu synthetisierten Kohlenstoffnitride sind dem Diamant aber nicht nur in ihren mechanischen Eigenschaften ähnlich, sie könnten auch darüber hinaus einige weitere günstige Merkmale aufweisen. So zeigten mehrere dieser Verbindungen in ersten Tests eine hohe Photolumineszenz – sie leuchten bei Energiezufuhr. Die Materialien könnten zudem nichtlineare optische Eigenschaften aufweisen, wie sie in der Photonik gebraucht werden.

In weiteren Tests erwiesen sich die Kohlenstoffnitride zudem als piezoelektrisch: Sie geben beim Verbiegen Energie in Form von Elektronen frei. „Die dabei erreichten Werte sind zwei bis viermal höher als bei Quarz, das ein piezoelektrisches Standardmaterial ist“, berichten Laniel und seine Kollegen. Aufgrund ihrer Modellkalkulationen gehen sie zudem davon aus, dass die Kohlenstoffnitride vorteilhafte elektronische Eigenschaften zeigen. So erwies sich mit Bor dotiertes C3N4 bereits als Supraleiter.

Noch ist der hier neu demonstrierte Syntheseweg für diese Kohlenstoffnitride zwar zu aufwendig für eine großtechnische Herstellung solcher Materialien, wie die Wissenschaftler einräumen. Sie sehen aber gute Chancen dafür, dass bei weiterer Forschung auch alternative, weniger extreme Drücke erfordernde Synthesemethoden gefunden werden. (Advanced Materials, 2023; doi: 10.1002/adma.202308030)

Quelle: Advanced Materials, Universität Bayreuth

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