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Technik

Genauester Transfer eines Zeitsignals

Laserfrequenzkämme erlauben präzise kabellose Zeitsynchronisation über hunderte Kilometer

Übertragung eines Zeitsignals
Eine neue Technik kann kabellose Zeitsignale 10.000-mal präziser übermitteln und synchronisieren als zuvor möglich. Ein erster Test erfolgte über 300 Kilometer hinweg zwischen zwei hawaiianischen Inseln. © B. Hayes/NIST

Eine neue Technik ermöglicht es, Zeitsignale mit bisher unerreichter Präzision und Reichweite zu übertragen und zu synchronisieren – kabellos und über hunderte Kilometer hinweg. Die mithilfe optischer Frequenzkämme erzeugten Laserpulse lassen sich bis auf 320 Attosekunden genau synchronisieren und benötigen nur ein Minimum an Energie und ankommenden Photonen, wie das Team in „Nature“ berichtet. Diese Methode könnte optische Atomuhren über Kontinente koppeln und präzisere Messungen kosmologischer und physikalischer Parameter ermöglichen.

Optische Atomuhren auf Basis ultrakalter Ytterbium- oder Strontium-Atome ticken heute bis auf die Trillionstel Sekunde genau. Sie würden seit dem Urknall nicht einmal eine Sekunde vor oder nachgehen. Diese Präzision ist wichtig, um beispielsweise GPS-Signale auszuwerten, aber auch für viele Messungen im Quanten- wie im kosmologischen Maßstab.

Laserfrequenzkamm
Optische Frequenzkämme ermöglichen die Messung von Laserfrequenzen, aber auch von mittels Laser übertragenen Zeitsignalen. © J. Wang/NIST

Doch an einem Punkt hapert es bisher: der Übertragung dieser Zeitsignale. Ihr Transfer beispielsweise zu GPS-Satelliten im geosynchronen Orbit geschieht zurzeit noch größtenteils über Mikrowellen-Funksignalen, deren Taktgenauigkeit mehrere Größenordnungen unter der der Atomuhren liegt. Störeffekte und Luftturbulenzen erschweren die präzise Synchronisation und schlucken die Signale oft sogar ganz. Auch die Kopplung von Atomuhren oder zeitsensitiven Messapparaturen über Lasersignale und Satelliten ist für viele Messungen daher noch nicht präzise und verlässlich genug.

Optische Frequenzkämme als Herzstück

Eine Lösung für dieses Problem könnten nun Emily Caldwell vom US National Institute of Standards and Technology (NIST) und ihre Kollegen gefunden haben. Herzstück ihres Übertragungssystems ist ein optischer Frequenzkamm. Dieses Lasersystem erzeugt eine Reihe extrem schmaler, scharf abgegrenzter Laserfrequenzen, die im Spektrum den Zähnen eines Kamms ähneln. Wenn nun dieser Laserkamm mit einem Laserstrahl unbekannter Frequenz interagiert, verraten die Überlagerungseffekte dessen genau Wellenlänge – so weit, so bekannt.

Der Clou jedoch: Ein Laserfrequenzkamm ist auch ein hochpräziser zeitlicher Taktgeber. Denn die zeitlichen Abstände der einzelnen Frequenzlinien sind extrem stabil und exakt einstellbar. Diese Funktion des Frequenzkamms haben Caldwell und ihr Team nun genutzt, um hochpräzise Zeitsignale lasergestützt über mehr als 300 Kilometer Luft zu übertragen – einmal vom Mauna Loa auf Hawaii zu einem Reflektor am Hang des Haleakala auf der Nachbarinsel Maui und wieder zurück.

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Übermittler und Sensor zugleich

Am Anfang und Ende dieser Laserübertragungsstrecke auf dem Mauna Loa standen zwei Paare optische Frequenzkämme. Der erste Laserkamm ist mit einer Zeitreferenz gekoppelt – beispielsweise einer Atomuhr und sendet sein Signal über die 300 Kilometer lange Messtrecke. Der zweite Laserkamm dient als Empfänger und Zeitmessinstrument: Zu Beginn sind seine Frequenzen absichtlich asynchron zum übermittelten Signal.

Weil aber trotzdem ab und zu Laserpulse beider Kämme zusammenpassen und sich überlagern, lässt sich anhand dieser Interferenz-Effekte das genaue „Ticken“ des übermittelten Zeitsignals ermitteln. Der von Caldwell und ihrem Team entsprechend funktionell erweiterte Frequenzkamm justiert sich daraufhin so, dass er genau synchron „tickt“. Diese Justierung erlaubt es, das Zeitsignal besonders präzise abzugreifen, gleichzeitig gibt es Aufschluss darüber, ob und wie Luftturbulenzen das Signal verzerren und stören.

„Erst die erweiterte Funktionalität des zeitprogrammierbaren Frequenzkamms hat uns diese Messungen ermöglicht,“, erklärt Seniorautorin Laura Sinclair vom NIST. „Ohne sie hätten wie diese Ergebnisse nicht erzielen können.“

Test auf Hawaii
Der Test fand am Mauna Loa Observatorium (oben, unten rechts) statt. Der Reflektor (unten links) stand auf dem Haleakala auf der Nachbarinsel Maui.. © L. Sinclair/NIST

Präzise Übertragung selbst bei hohen Verlusten

In ihrem Praxistest auf Hawaii gelang es dem Team mit dieser Technologie, Zeitsignale mit einer Präzision von bis zu 320 Attosekunden zu übermitteln und zu synchronisieren. Das ist 10.000-mal besser als bei bisher existierenden Technologien. Die Übermittlung des Lasersignals ist zudem sehr energiesparend: Für die 300 Kilometerstrecke reichte noch eine Laserintensität von rund 40 Mikrowatt, wie Caldwell und ihr Team feststellten. Dies ist rund 30-mal schwächer als ein gängiger Laserpointer.

Ein weiterer Vorteil: Diese neuartige Form der Übermittlung und Synchronisation von Zeitsignalen kommt mit deutlich mehr Signalverlust zurecht als frühere Versuche. Selbst wenn weniger als ein Photon von einer Milliarde gesendeten nach 300 Kilometern das Ziel erreicht, kann der zeitprogrammierbare Frequenzkamm des Empfängers das Zeitsignal noch auslesen. „Wir wollten das System an seine Grenzen bringen“, sag Sinclair. „Sein robustes Funktionieren ist eine gute Voraussetzung, um damit die zeitliche Basis für künftige Netzwerke zu schaffen.“

Einsetzbar für GPS, Grundlagenphysik und globale Messungen

Nach Ansicht der Forschenden könnte diese präzise und robuste Übertragung von Zeitsignalen für viele Anwendungen nützlich sein. So könnten dadurch die Signale geosynchroner Satelliten, beispielsweise des GPS-Systems, präziser synchronisiert werden, was die Auflösung erhöhen würde. Wenn Sensoren oder Teleskope mittels Interferometrie über große Entfernungen hinweg zusammengeschaltet werden, könnte das präzisere Zeitsignale ihre Synchronisation und damit die Auflösung und Messgenauigkeit erhöhen.

„Dies würde beispiellose Fortschritte in solchen kohärenten Messungen ermöglichen“, sagt Sinclair. So könnte beispielsweise das Event Horizon Telescope damit noch genauere Fotos von Schwarzen Löchern liefern. Aber auch optische Atomuhren ließen sich damit über Kontinente hinweg mittels Satellit miteinander koppeln. Dies wiederum würde Messungen einer ganzen Reihe von fundamentalen physikalischen Parametern präziser machen, wie Caldwell und ihre Kollegen erklären. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06032-5)

Quelle: National Institute of Standards and Technology (NIST)

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