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Physik

Erste „Quantenpresse“ bei Raumtemperatur

Physiker entwickeln optomechanisches Quantensystem, das ohne Kühlung auskommt

Mikroresonator
Physiker haben einen Resonator konstruiert, in dem optomechanische Quantenprozesse bei Raumtemperatur ablaufen können. Im Bild die mikrostrukturierten Spiegel und in der Mitte die mit Nanosäulen besetzte Membran es mechanischen Oszillators. ">© EPFL & Second Bay Studios/ CC-by-sa 4.0

Quantensprung für die Quantentechnologie? Physikern ist es gelungen, optomechanische Quantenprozesse sogar bei Raumtemperatur zu erzeugen und zu messen – statt wie bisher bei ultrakalten Temperaturen. Im Experiment sorgten mikrostrukturierte Spiegel und Resonator-Membranen für die Unterdrückung des thermischen Störrauschens. Dadurch arbeitete die „Quantenpresse“ für Licht auch bei Raumtemperatur. Diese Technik könnte auch andere Quantentechnologien praktikabler und einfacher anwendbar machen, so die Physiker in „Nature“.

Ob Quantencomputer, Quantenkommunikation oder die „Quantenpresse“ am LIGO-Gravitationswellen-Detektor: Sie alle basieren auf quantenphysikalischen Phänomenen wie der Verschränkung und Überlagerung. Doch diese sind extrem störanfällig, schon das thermische „Zappeln“ von Atomen und Molekülen kann die fragilen Quantenzustände kollabieren lassen. Deshalb erfordern Quantenanwendungen bisher eine extreme Kühlung – was sie aufwendig, kompliziert und teuer macht.

Resonatorspiegel
Blick auf den runden oberen und den eckigen unteren Spiegel des Resonators. © Guanhao Huang/EPFL, CC-by-sa 4.0

Geht es auch ohne Kühlung?

Doch diese Hürde könnten Physiker um Guanhao Huang von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) nun überwunden haben. Sie haben erstmals einen optomechanischen Quantenprozess bei Raumtemperatur erzeugt und beobachtet. Bei einem solchen Prozess werden Laserlicht und mechanischen Mikroresonatoren in Form winziger schwingender Membranen quantenphysikalisch miteinander gekoppelt. Eingesetzt wird dies in Quantencomputern, aber auch Quantensensoren oder der „Quantenpresse“ des LIGO.

„Das Regime der Raumtemperatur in der Quanten-Optomechanik zu erreichen, ist eine seit Jahrzehnten ungelöste Herausforderung“, erklärt Seniorautor Tobias Kippenberg von der EPFL. Zwar gibt es Ansätze mit schwebenden Nanoteilchen, nicht aber mit den gängigen Mikro-Resonatoren – Hohlräumen mit Spiegeln und Schwingmembranen. Wie sich dies bewerkstelligen lässt, haben Huang und seine Kollegen nun ausprobiert – mit Erfolg.

Der erste Baustein: Ein mikrostrukturierter Spiegel

In ihrem Experiment nutzten die Physiker zwei Methoden, um das bei Raumtemperatur auftretende thermische Störrauschen zu unterdrücken. Die erste betrifft die einander gegenüberliegenden Spiegel des Hohlraum-Resonators. Sie reflektieren und verstärken das eingestrahlte Laserlicht und machen den Resonator so zur Lichtfalle.

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Das Team nutzte dafür Spiegel mit einer sich periodisch wiederholenden Mikrostruktur. Dies machte das Material zu sogenannten phononischen Kristallen mit speziellen Lichtbrechungseigenschaften. „Die Größe der phononischen Basiszelle wurde so gewählt, dass eine Spiegelbewegung im Frequenzband von 0,87 bis 1,2 Megahertz unterdrückt wird“, erklären die Physiker. „Dadurch wird die thermomechanische Rauschdichte auf diesem Band um mehr als den Faktor 700 verringert.“

Rauschminderung
Thermisches Störrauschen im Hohlraumresonator mit und ohne die phononischen Spiegel © Huang et al./ Nature, CC-by 4.0

Der zweite Baustein: Nanosäulen auf der Oszillator-Membran

Die zweite Methode setzt an der Membran des mechanischen Oszillators an, dessen Schwingungen mit dem Licht im Resonator wechselwirken. Die Membran vibriert normalerweise schon durch die thermisch bedingte Molekülbewegung und stört so den Quantenprozess. „Die Membran, die wir in diesem Experiment nutzen, ist das Ergebnis jahrelanger Suche nach einem Oszillator, der möglichst gut von der Umgebung isoliert ist“, erklärt Koautor Nils Johan Engelsen vom EPFL.

Konkret besteht der mechanische Resonator aus einer Siliziumnitrid-Membran (Si3N4), auf der in regelmäßigen abständen Nanosäulchen aus Silizium-Hafniumoxid (Si-HfO2) stehen. Diese nur 700 Nanometer dicken Säulen erzeugen eine Nanostruktur, die kleiner ist als die vom thermischen Störeffekt erzeugten akustischen Schwingungen der Membran. Dies erzeugt eine mechanische Bandlücke, die die temperaturbedingten Schwingungen stark dämpft, wie Huang und seine Kollegen berichten.

Raumtemperatur-Quantenpresse als Demonstrator

Mithilfe dieses Aufbaus gelang es den Physikern, eine „Quantenpresse“ für Laserlicht zu realisieren, die auch bei Raumtemperatur arbeitet. In einer solchen Apparatur werden Lichtwellen so manipuliert, dass störende Fluktuationen in einem Merkmal wie der Phase der Lichtwelle unterdrückt und dafür das Störrauschen in einem zweiten Merkmal, beispielsweise der Amplitude der Welle, verstärkt wird. Der Vorteil: Physiker können so gezielt das Merkmal „entrauschen“, das sie für ihre Messungen benötigen.

Im Experiment verringerte der von Huang und seinem Team konstruierte Hohlraumresonator das Störrauschen des Laserlichts um bis zu 22 Prozent. Gleichzeitig ermöglichte das System es auch, die Quantenzustände der gekoppelten Schwingungen effizient zu messen. „Dies demonstriert, dass sich unser System in einem Parameter-Regime befindet, in dem eine Quantenkontrolle mechanischer Bewegung auch bei Raumtemperatur möglich ist“, konstatieren die Physiker.

Nützlich auch für andere Quanten-Anwendungen

Nach Ansicht des Teams eröffnet eine solche Quantenanwendung bei Raumtemperatur ganz neue Möglichkeiten für die Quantentechnologie. Es könnte Quantensensoren und andere quantengestützte Messungen vereinfachen, aber auch der Quantenkommunikation zugutekommen, wenn die aufwendige Kühlung entfällt. „Die von uns eingesetzten Techniken sind von hoher Relevanz und Bedeutung auch für die breitere Wissenschaftsgemeinschaft“, sagt Huang.

„Das von uns entwickelte System könnte auch neue Hybridsysteme ermöglichen, in denen die mechanische Trommel mit anderen Objekten wie beispielweise einer gefangenen Atomwolke interagiert“, sagt Co-Erstautor Alberto Beccari von EPFL. „Diese Systeme sind nützlich für die Quanten-Informationstechnologie und helfen uns auch zu verstehen, wie man größere, komplexe Quantenzustände generieren kann.“ (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-023-06997-3)

Quelle: Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne

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