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Medizin

Wie es zum Hörverlust durch Lärm kommt

"Klingelnde Ohren" könnten künftig vermeidbar sein

Symbolbild Hörprobleme: Mann reibt sich mit der Hand am Ohr und verzieht dabei das Gesicht
Lärmbedingter Hörverlust beeinträchtigt das Leben von Millionen von Menschen. Nun ist eine Therapie in Sicht. © Motortion / GettyImages

„Gezinkt“: Forschende haben herausgefunden, welcher biologische Mechanismus den häufigen Hörverlust nach einem lauten Konzert verursacht – und wie das Ohrensausen vermieden werden kann. Demnach ist bei „klingelnden Ohren“ der Zinkspiegel im Innenohr aus dem Gleichgewicht geraten, was Zellschäden zur Folge hat. Ein Medikament, das überschüssiges Zink einfängt, könnte das künftig möglicherweise verhindern.

Jeder, der schon einmal auf einem lauten Konzert war, kennt das Gefühl von anschließendem Ohrensausen. Auch Menschen, die ständig lautem Lärm ausgesetzt waren, beispielsweise auf einem Schlachtfeld oder auf einer Baustelle, bemerken manchmal eine plötzliche Schwerhörigkeit, nachdem die Geräusche aufgehört haben. Bei einigen Menschen kommt es nur zu einem vorübergehenden Hörsturz, bei anderen sogar zu dauerhaftem Hörverlust oder zu drastischen Veränderungen in der Geräuschwahrnehmung. Manche beginnen etwa, Geräusche zu hören, die nicht vorhanden sind, und entwickeln einen Tinnitus.

Biologie des Hörverlustes

Wie schwer der Hörverlust ist, hängt davon ab, wie laut die Geräusche waren und wie lange sie anhielten. Die Folgen können soziale Störungen und Depressionen sein. „Lärmbedingter Hörverlust beeinträchtigt das Leben von Millionen von Menschen. Da die Biologie des Hörverlusts nicht vollständig verstanden ist, kann dem allerdings auch nicht gut vorgebeugt werden“, erklärt Thanos Tzounopoulos von der University of Pittsburgh. Auch die gängigen Therapien gegen einen Hörsturz helfen kaum, wie erst kürzlich eine Studie zeigte.

Ein Forschungsteam um Tzounopoulos Kollegen und Erstautor Brandon Bizup hat daher nun genauer untersucht, wie es auf zellulärer Ebene zu einem solchen Hörverlust kommt. Dafür testeten die Forschenden die Wirkung von zweistündigem Lärm auf das Gehör von verschiedenen Versuchsmäusen und auf isolierte Zellen aus dem Innenohr, sogenannte Haarzellen der Cochlea und den Spirallimbus. Insbesondere analysierten die Wissenschaftler, ob das im Körper gängige Signalmolekül Zink auch beim Hörverlust eine Rolle spielt, wie Hinweise aus früheren Studien nahelegten. Dafür lokalisierten und quantifizierten sie die Zinkmengen im Innenohr.

Lärm stört das Zink-Gleichgewicht

Die Versuche ergaben, dass bei den Mäusen einige Stunden, nachdem sie lautem Lärm ausgesetzt waren, tatsächlich der Zinkspiegel im Innenohr deutlich anstieg. Die laute Schalleinwirkung führte bei den Tieren zu einer starken Freisetzung von Zinkionen, vorwiegend aus Speichervesikeln in bestimmten Haarzellen des Innenohres, wie die Forschenden berichten. Das Zink gelangte so an Orte innerhalb und außerhalb der Zellen, wo es sonst nicht in diesen Mengen zu finden ist. Infolge der hohen Zinkkonzentration wurden in den Versuchen die Zellen der Cochlea im Ohr geschädigt und konnten nicht mehr so gut miteinander sowie mit dem Gehirn kommunizieren.

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Tzounopoulos und seine Kollegen schließen daraus, dass Zink im Innenohr eine regulatorische Funktion als Signalmolekül hat, die bei starkem Lärm jedoch aus dem Gleichgewicht gerät. Ein ähnlicher Mechanismus ist aus dem Gehirn bekannt, wo freie Zinkionen die Verarbeitung von Sinneseindrücken regulieren. Nach Hirnverletzungen kann auch im Gehirn die Zinkkonzentration gestört sein und Schäden an Nervenzellen oder einen epileptischen Anfall verursachen.

Hörverlust ist vermeidbar und behandelbar

Um herauszufinden, ob die durch den Zinkschub verursachten Schäden vermeidbar sind, behandelten die Forschenden in einem Folgeexperiment Mäuse mit einem Medikament, das im Körper langsam freigesetzt wird und dort freie Zinkionen abfängt. Diese Tiere wurden dann ebenfalls Lärm ausgesetzt, erlitten dabei aber einen weniger schweren Hörverlust und weniger lärmbedingte Zellschäden im Ohr als zuvor unbehandelte Tiere, wie Tzounopoulos und seine Kollegen feststellten. Das zeigte sich unter anderem daran, dass die Gehirnregion, die für die Geräuschverarbeitung zuständig ist, bei den behandelten Mäusen stärker aktiv war.

Die Forschenden schließen daraus, dass der vorsorglich verabreichte Wirkstoff wie ein Schwamm wirkt und überschüssige freie Zinkionen effektiv abfängt, bevor ein Schaden entstehen kann. Auch ein bereits entstandener Hörverlust könne mit dem Medikament teils rückgängig gemacht werden.

Weitere Forschung nötig

Basierend auf diesen Erkenntnissen wollen Tzounopoulos und seine Kollegen nun eine Behandlung entwickeln, die jedoch zunächst in präklinischen Studien weiter getestet werden muss. Langfristig soll das Medikament rezeptfrei zum Schutz vor Hörverlust verfügbar sein. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2310561121)

Quelle: University of Pittsburgh

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