Anzeige
Medizin

Taurin als Anti-Aging-Mittel

Bei Mäusen und Affen bremst die Substanz das Altern und verlängert die gesunde Lebensspanne

Taurin und Altern
Die Aminosäure Taurin könnte eine wichtige Rolle für gesundes Altern spielen und sogar als Anti-Aging-Mittel wirken. © Shaik Khaja/ Farah Maarfi

Ein Zusatzstoff als Jungbrunnen? Das oft in Energydrinks enthaltene Taurin macht offenbar nicht nur geistig wacher – es könnte sogar dem Altern entgegenwirken, wie eine Studie mit Mäusen und Rhesusaffen nahelegt. Demnach kann Taurin die Alterung von Organen und Zellen bremsen und damit den Körper länger jung halten. Die Lebenspanne von Mäusen verlängerte sich dadurch zudem um zwölf Prozent. Ob dieser Anti-Aging-Effekt auch beim Menschen funktioniert, müssen nun Studien zeigen. Die Forschenden halten dies aber für durchaus wahrscheinlich.

Taurin (2-Aminoethansulfonsäure) ist eine semi-essenzielle Aminosäure, die für zahlreiche physiologische Prozesse im Körper wichtig ist und als Antioxidanz gegen Zellstress wirkt. Sie gilt zudem als blutdrucksenkend, entzündungshemmend und leistungssteigernd. Unter anderem deshalb ist Taurin in vielen Energydrinks enthalten. Unser Köper kann Taurin aus der in unserer Nahrung enthaltenen Aminosäure Cystein herstellen, es wird aber auch mit der Muttermilch aufgenommen. Als empfohlene Tageshöchstdosis gelten rund sechs Gramm – umgerechnet sind dies rund 100 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht.

Welche Rolle spielt Taurin für das Altern?

Schon länger vermuten Wissenschaftler, dass Taurin auch eine Rolle für Alterungserscheinungen des Menschen spielen könnte. Denn die Aminosäure ist an vielen körperlichen Prozessen beteiligt, die im Laufe des Lebens nachlassen oder fehleranfälliger werden. Zudem gab es bereits Hinweise darauf, dass der Tauringehalt in vielen Geweben und Organen im Alter abnimmt. Dieser Spur sind Parminder Singh von der Columbia University in New York und seine Kollegen deshalb nun nachgegangen.

„Wir wollten herausfinden, ob diese Taurin-Abnahme einer der Treiber des Alterns sein könnte und ob sie die gesunde Lebensspanne beeinflussen kann“, erklären die Forschenden. Dafür überprüften sie zunächst bei Mäusen, Rhesusaffen und Menschen, ob und wie stark Taurin im Laufe des Lebens tatsächlich abnimmt – und konnten dies bestätigen: Blutproben von über 60-jährigen Menschen enthielten mehr als 80 Prozent weniger Taurin als die von Jugendlichen, bei Affen und Mäusen war dies ähnlich.

TAurin-Effekte bei Mäusen
Bei Mäusen verlängert die Gabe von Taurin die Lebensdauer und reduziert typische Alteserscheinungen bei Organen und Zellen. © Columbia University Irving Medical Center

Längeres Leben, weniger Alterserscheinungen

Doch bedeutet dies auch, dass der Taurinmangel für typische Alterungsprozesse verantwortlich ist? Und könnte ein stärkerer Nachschub des Taurins den körperlichen und geistigen Abbau womöglich aufhalten? Das haben Singh und seine Kollegen in Tests mit Mäusen und Rhesusaffen untersucht. Dabei erhielten Tiere mittleren Alters täglich eine Menge Taurin mit dem Futter, die ihren internen Taurinspiegel wieder auf „junge“ Werte brachte. Bei den Mäusen waren dies 1.000 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht, bei den Affen 250 Milligramm pro Kilogramm.

Anzeige

Das Ergebnis: Durch die Taurin-Gabe verlängerte sich die Lebensdauer der alternden Mäuse gegenüber unbehandelten Kontrolltieren um zwölf Prozent. Gleichzeitig verbesserte sich auch ihr Gesundheitszustand messbar: „Die Taurin-behandelten Mäuse zeigten eine verbesserte Muskelkraft und neuromuskläre Koordination, eine höhere Knochendichte, verbesserte Glucosetoleranz und gesteigertes Gedächtnis sowie reduzierte Ängstlichkeit im Vergleich zu den Kontrolltieren“, berichten Singh und sein Team. Auch bei den Rhesusaffen zeigte das Taurin eine solche „verjüngende“ Wirkung.

Verjüngender Effekt auf nahezu alle Organe und Gewebe

Ähnlich positive Effekte zeigten sich bei beiden Tierarten auch auf zellulärer Ebene: „Das Taurin bremste die Zellalterung und schützte gegen einen Telomerase-Mangel und damit gegen die Verkürzung der Telomere“, berichtet das Team. Außerdem unterdrückte die Behandlung Fehlfunktionen der Mitochondrien, reduzierte DNA-Schäden und hemmte Entzündungen. „Die Taurin-Gabe verbesserte die Funktion von nahezu jedem Organ, das wir untersucht haben, und verlängerte damit auch ihre gesunde Lebensspanne“, erklären die Forschenden.

„Taurin scheint demnach alle etablierten Indikatoren des Alterns zu beeinflussen“, so Singh und sein Team weiter. Die alternden Tiere lebten durch die Taurin-Gabe nicht nur länger, sondern blieben auch länger gesund und vor altersbedingten Erkrankungen geschützt. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte dies darauf hindeuten, dass Taurin tatsächlich eine wichtige Rolle für den Alternsprozess spielt und als eine Art „Jungbrunnen“ für viele Organe und Körperfunktionen wirkt.

Ist dies auf den Menschen übertragbar?

Doch funktioniert dies auch beim Menschen? Bisher gibt es dafür nur indirekte Hinweise. So stellten Singh und seine Kollegen bei der Auswertung der Gesundheitsdaten von knapp 12.000 Teilnehmern einer großen britischen Langzeitstudie fest, dass es auch beim Menschen eine Korrelation des Taurinspiegels mit vielen alterstypischen Krankheiten gibt. Menschen mit wenig Taurin im Blut litten häufiger unter Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes, chronischen Entzündungen und erhöhten Cholesterinwerten. Auch ihr Bauchfett war stärker ausgeprägt als bei Gleichaltrigen mit höheren Taurinspiegeln.

„Zwar ist eine solche Korrelation noch kein eindeutiger Beleg für einen ursächlichen Zusammenhang, aber diese Ergebnisse legen nahe, dass ein Taurinmangel zum menschlichen Altern beiträgt“, konstatieren die Wissenschaftler. Ein weiteres Indiz lieferte die von ihnen gemachte Beobachtung, dass der menschliche Körper beim Sport verstärkt Taurin bildet. „Dies deutet darauf hin, dass zumindest einige der positiven Gesundheitswirkungen von körperlicher Bewegung durch diesen Anstieg der Taurinwerte erklärt werden könnte“, mutmaßen Singh und sein Team.

Könnte Taurin als Anti-Aging-Mittel wirken?© Columbia University

Potenzial zum Anti-Aging-Mittel

Zusammengenommen legen diese Ergebnisse nahe, dass Taurin tatsächlich als Anti-Aging-Mittel wirken könnte. Nach Ansicht der Forschenden sollten daher als nächstes klinische Studien durchgeführt werden, die den verjüngenden Effekt des Taurins bei Menschen untersuchen. „Taurin hätte einige Vorteile: Es wird von unserem Körper produziert und natürlicherweise mit der Nahrung aufgenommen. Bisher sind zudem keine toxischen Effekte bekannt“, sagt Seniorautor Vijay Yadav von der Columbia University.

Auch nicht an der Studie beteiligte Wissenschaftler werten die Ergebnisse als vielversprechend: „Dieses Ergebnis ist bedeutsam, da es Taurin als einen neuen Wirkstoff etabliert, der möglicherweise auch das gesunde Altern beim Menschen fördern kann“, kommentiert Sebastian Grönke vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln. „Ich gehe davon aus, dass die Ergebnisse aus den Tiermodellen auch auf den Menschen übertragbar sein werden.“

Warnung vor Selbstversuchen mit Taurin

Allerdings warnen alle Forschenden davor, nun Taurin im Selbstversuch einzunehmen. Zwar ist diese Substanz in Nahrungsergänzungsmitteln und anderen Präparaten enthalten und frei erhältlich. Welche Folgen eine hochdosierte Einnahme hat, ist aber noch unklar. „Obwohl die Einnahme von Taurin als relativ sicher gilt, gibt es derzeit keine Studien, die eine Taurinaufnahme in so hohen Dosen über einen längeren Zeitraum verfolgt haben“, sagt Grönke. „Daher würde ich derzeit auf jeden Fall von Selbstversuchen abraten.“

Auch ein erhöhter Konsum von taurinhaltigen Energydrinks sei nicht ratsam. Denn diese Getränke enthalten neben dem Taurin oft viel Zucker sowie andere Wirkstoffe wie Koffein, die bei Überdosierung gesundheitsschädlich sein können. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.abn9257)

Quelle: Columbia University Irving Medical Center

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Zukunft Altern - Individuelle und gesellschaftliche Weichenstellungen von Hans-Werner Wahl und Andreas Kruse

Phänomen Mensch - Körper, Krankheit, Medizin von Andreas Sentker und Frank Wigger

Top-Clicks der Woche