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Medizin/Genetik

Warum Kranksein müde macht

Zusammenhang zwischen Schlafbedürfnis und Immunsystem entdeckt

Kranksein
Wer krank ist, hat häufig ein erhöhtes Schlafbedürfnis. © LittleBee80/ iStock.com

Heilsame Müdigkeit: Forscher haben möglicherweise herausgefunden, warum Kranke häufig müde sind. Bei Experimenten mit Taufliegen stellten sie fest: Als Reaktion auf bakterielle Infektionen wird im Körper der Tiere vermehrt ein bestimmtes Protein produziert. Dieser Eiweißstoff kann nicht nur Mikroben abwehren – er fördert auch den Schlaf. Ob es einen ähnlichen Zusammenhang zwischen Schlaf und Immunabwehr auch beim Menschen gibt, müssen weitere Studien allerdings erst noch zeigen.

Etwa ein Drittel seiner Lebenszeit verbringt der Mensch in einem Zustand, der sich seinem Bewusstsein entzieht: Er schläft. Äußerlich wirkt er in dieser Zeit ruhig. Doch im Inneren läuft während der Schlummerphase eine Vielzahl überlebenswichtiger Prozesse ab. Das Gehirn schwemmt molekulare Abfallstoffe aus, Zellen und Gewebe regenerieren sich und auch das Immunsystem arbeitet in dieser Phase auf Hochtouren, um beispielsweise Viren und Bakterien zu bekämpfen.

„Tatsächlich scheinen Schlaf und Genesungsprozesse eng miteinander verbunden zu sein“, sagt Amita Sehgal von der University of Pennsylvania in Philadelphia. Denn wer krank ist, hat oft ein stark erhöhtes Schlafbedürfnis. Wie genau aber hängen diese beiden Faktoren – Schläfrigkeit und Kranksein – zusammen?

Gen steuert Schlafbedürfnis

Einen entscheidenden Hinweis darauf haben Sehgal und ihre Kollegen nun bei Taufliegen der Art Drosophila melanogaster entdeckt. Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler das Erbgut von mehr als 12.000 Fliegen und stießen auf eine Auffälligkeit: Ein bestimmtes Gen schien bei all diesen Insekten das Schlafbedürfnis zu steuern.

Der Nemuri (Nur) getaufte DNA-Abschnitt enthält die Bauanleitung für ein Peptid, das sich nach andauernden Wachphasen verstärkt im Gehirn anreichert – und offenbar dafür sorgt, dass der Körper den Schlaf bekommt, den er benötigt. Eine übermäßige Aktivität dieses Gens machte Fliegen im Experiment ungewöhnlich schläfrig. Ohne ein funktionierendes Nemuri-Gen schliefen die Insekten dagegen selbst bei akutem Schlafmangel nur schwer ein und waren zudem leicht wieder zu wecken.

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Nemuri-Gen
Eine bakterielle Infektion aktiviert das Nemuri-Gen (grün) im Gehirn von Taufliegen. © Amita Sehgal/ University of Pennsylvania/ Science

Direkte Verbindung zum Immunsystem

Besonders interessant dabei: Das Peptid scheint darüber hinaus auch für die Immunabwehr eine entscheidende Rolle zu spielen, wie das Forscherteam berichtet. So können bakterielle Infektionen die Sekretion des Proteins im Gehirn ankurbeln – und so heilsamen Schlaf fördern. Zudem zeigte sich, dass auch das Protein selbst über antimikrobielle Eigenschaften verfügt. Demnach wirkt es auch außerhalb des Gehirns und unterstützt dort die Immunabwehr als eine Art körpereigenes Antibiotikum.

Durch diese beiden Funktionen seines Peptids trägt das Nemuri-Gen offenbar erheblich zur Widerstandsfähigkeit des Organismus bei. Je aktiver das Gen bei infizierten Fliegen war, desto höher waren die Überlebenschancen der Tiere. „Unsere Studie zeigt eine direkte Verbindung zwischen Schlaf und dem Immunsystem auf und liefert eine mögliche Erklärung dafür, warum wir im Krankheitsfall viel schlafen“, konstatiert Sehgal.

Ähnlicher Zusammenhang beim Menschen?

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte es einen ähnlichen Zusammenhang zwischen Immunabwehr und Schlaf auch beim Menschen geben. Ob das stimmt und welcher Botenstoff dafür verantwortlich ist, müssen weitere Untersuchungen allerdings erst noch zeigen. Bestätigt sich dieser Verdacht, könnte dies auch einen neuen Blick auf Schläfrigkeit als Symptom eröffnen, wie Grigorios Oikonomou und David Prober vom California Institute of Technology in Pasadena in einem Kommentar zu der Studie betonen.

So ist verstärkte Müdigkeit unter anderem eine Begleiterscheinung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen. „Diese Symptomatik könnte von einer Fehlregulation dieses in bestimmten Fällen hilfreichen Anpassungsmechanismus herrühren, der Schlaf als Reaktion auf Stressoren fördert“, schreiben die Forscher. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aat1650)

Quelle: AAAS/ University of Pennsylvania School of Medicine

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