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Medizin

Mikroplastik verändert Verhalten und Gehirn

Bei Mäusen lösen Plastikpartikel Frühanzeichen von Alzheimer und Depressionen aus

Mikroplastik
Bei Mäusen gelangen Mikroplastikpartikel bis ins Gehirn und richten dort offenbar Schäden an. © pcess609/ Getty images

Winzige Gefahr: Einmal in unseren Körper eingedrungen, können Mikroplastikpartikel bis in die Organe und ins Hirn wandern und dort entzündliche Prozesse in Gang setzen, wie nun Experimente an Mäusen belegen. Im Gehirn nahm durch das Mikroplastik ein spezieller Marker ab, dessen Rückgang mit dem Einsetzen von Demenz und Depressionen in Verbindung gebracht wird. Auch das Verhalten der Mäuse änderte sich. Wie genau das Mikroplastik diese Veränderungen bewirkt, ist nun Gegenstand weiterer Forschung.

Dass wir Mikroplastik aus der Luft, dem Trinkwasser und unserer Nahrung aufnehmen, ist durch die zunehmende Plastikflut mittlerweile unumgänglich. So hat sich etwa gezeigt, dass die weniger als fünf Millimeter großen Partikel sich in der Leber, der Lunge und sogar dem Gehirn ablagern können. Dort führen sie womöglich zu Entzündungen und mechanischen Schäden an den Zellmembranen. Doch wie genau sich das Mikroplastik auf unsere Gesundheit auswirkt, ist bisher nur in Ansätzen bekannt.

Ein Mikroplastik-Cocktail für Mäuse

Forschende um Lauren Gaspar von der University of Rhode Island haben nun untersucht, welche Folgen das über Wasser und Nahrung aufgenommene Mikroplastik für das Verhalten und für Entzündungsprozesse im Körper von Säugetieren hat. Dafür versetzten sie das Trinkwasser von jungen und alten Mäusen drei Wochen lang mit unterschiedlichen Mengen von 0,1 bis 0,2 Mikrometer kleinen Mikroplastikpartikeln. Die Dosierung lag zwischen 0,0025 bis 0,125 Milligramm pro Liter. Eine Kontrollgruppe erhielt weiterhin reines Wasser.

Nach Ablauf der drei Wochen ließen die Forschenden die Mäuse zunächst verschiedene Verhaltenstests durchlaufen und schläferten sie dann ein. So konnten Gaspar und ihre Kollegen auch das Gewebe verschiedener Organe auf Mikroplastik-Ablagerungen hin untersuchen und die Konzentration von bestimmten Immunmarkern ermitteln.

Gestörtes Verhalten und erhöhte Immunaktivität

Gewebequerschnitt
Das Mikroplastik (rote Punkte) war in Leber, Herz, Niere, Milz, Magen-Darm-Trakt und Lunge vorgedrungen. © Gaspar et al./ International Journal of Molecular Sciences /CC-by 4.0

Das Ergebnis: Jene Mäuse, die mit ihrem Trinkwasser Plastikpartikel aufgenommen hatten, verhielten sich schon nach kurzer Zeit anders als die Kontrollmäuse. „Dass solche nicht sonderlich hohen Dosen an Mikroplastik schon nach so kurzer Zeit solche Veränderungen bewirken können, war erstaunlich“, sagt Seniorautorin Jaime Ross. Vor allem die älteren dem Mikroplastik ausgesetzten Tiere liefen deutlich mehr umher und richteten sich dabei immer wieder auf, so als würden sie sich orientieren wollen oder etwas suchen. Insgesamt erinnerten diese Verhaltensweisen die Forschenden an Menschen mit Demenz.

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Das anschließende Sezieren der Organe schuf weitere Klarheit. Denn in jedem untersuchten Organ – einschließlich Herz, Lunge und Gehirn – fanden Gaspar und ihre Kollegen Plastikpartikel. „Wir entdeckten Mikroplastikpartikel in den intrazellulären Kompartimenten jedes untersuchten Gewebes“, berichten sie. Gleichzeitig waren in vielen dieser Gewebe auch Marker für die Immunaktivität erhöht. In der Leber wurden beispielsweise Gene für den Entzündungsbotenstoff TNF-Alpha doppelt so häufig abgelesen, wie mRNA-Analysen ergaben.

Plastik überwindet Blut-Hirn-Schranke

Dass das Mikroplastik überhaupt ins Gehirn der Mäuse gelangt war, überraschte Gaspar und ihr Team, denn die Tiere hatten es nur mit dem Trinkwasser aufgenommen. Die Forschenden waren daher lediglich davon ausgegangen, dass es sich im Magen-Darm-Trakt sowie in entgiftenden Organen wie der Leber, Niere und Milz anreichen würde.

„Der Nachweis von Mikroplastik in Geweben wie Herz und Lunge deutet jedoch darauf hin, dass das Mikroplastik über den Verdauungstrakt hinausgeht und wahrscheinlich in den Blutkreislauf gelangt“, so Ross. Und von dort überwindet es offenbar die nur schwer zu durchdringende Blut-Hirn-Schranke.
Die Forschenden vermuten, dass dem Mikroplastik dieser Schritt gelingt, indem es zunächst die Leber schädigt und sich dadurch so stark im Blut anreichert, dass es selbst tief ins Hirngewebe vordringen kann.

Proteinmarker könnte auf beginnende Demenz hindeuten

Im Gehirn hatte das Plastik außerdem zur Abnahme des sogenannten GFAP-Markers geführt. Das GFAP (Glial Fibrillary Acidic Protein) weist auf die Präsenz und Aktivität von Gliazellen und Astrozyten hin, die im Gehirn wichtige, die Neuronen unterstützende Aufgaben übernehmen. „Ein Rückgang von GFAP wird mit frühen Stadien einiger neurodegenerativer Erkrankungen in Verbindung gebracht, darunter Mausmodelle der Alzheimer-Krankheit sowie Depressionen“, erklärt Ross. „Wir waren überrascht, dass Mikroplastik solche GFAP-Veränderungen bewirken kann.“

Nach Ansicht des Forschungsteams könnte es demnach sein, dass das Mikroplastik bei den Mäusen frühe Stadien der beiden Krankheiten ausgelöst hatte. Gaspar und ihr Team wollen nun genauer untersuchen, wie Plastikpartikel das Gehirn beeinträchtigen und in der Folge zu neurologischen Störungen und Krankheiten wie Alzheimer führen können. (International Journal of Molecular Sciences, 2023; doi: 10.3390/ijms241512308

Quelle: University of Rhode Island

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