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Medizin

Mikroplastik in unserer Leber

Forschende finden sechs verschiedene Plastiksorten bei Patienten mit Leberzirrhose

Leber
Mikroplastik kann sich bei Menschen mit Leberzirrhose in der Leber anreichern. © Elena Merkulova/ Getty images

Anreicherung im Körper: Mikroplastik aus unserer Nahrung oder der Luft kann offenbar selbst in innere Organe wie die Leber vordringen – zumindest wenn die Leber vorgeschädigt ist. Das legen Analysen von Gewebeproben aus menschlichen Organen nahe. Während im Gewebe gesunder Menschen kaum Mikroplastik gefunden wurde, enthielt die Leber von Patienten mit Leberzirrhose bis zu zwölf Kunststoffpartikel pro Gramm Gewebe. Ob das Mikroplastik die Lebererkrankung beeinflusst hat, ist noch unklar.

Mikroplastik ist längst überall – nicht nur in der Umwelt und Nahrungskette, sondern auch in unserem Körper. Die winzigen Kunststoffpartikel wurden im menschlichen Kot selbst von Säuglingen nachgewiesen, außerdem in der menschlichen Lunge und im Blut. Studien mit Mäusen und Zellkulturen legen zudem nahe, dass das Mikroplastik bis ins Gehirn vordringen kann und dass es Entzündungen sowie mechanische Schäden an Zellmembranen verursachen kann.

Fahndung in Leber, Niere und Co

Unklar blieb allerdings bisher, ob und in welchen Mengen das Mikroplastik auch in Organe wie Leber, Milz oder Nieren eindringen kann und sich dort womöglich anreichert. Deshalb haben Thomas Horvatits vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und seine Kollegen gezielt Proben dieser Organe untersucht. Dafür entnahmen sie jeweils drei Gewebeproben aus Nieren und Milz sowie fünf Leberproben von kürzlich gestorbenen, nicht an diesen Organen erkrankten Toten. Sechs Leberproben stammten von lebenden Patienten mit Leberzirrhose.

„Die Identifikation und Analyse von Mikroplastikpartikeln in menschlichem Gewebe war für uns aufgrund der sehr kleinen Partikelgrößen und der geringen Probenmengen eine besondere Herausforderung“, erklärt Koautorin Elke Fischer von der Universität Hamburg. „Wir haben hierfür eine neue Methode entwickelt, die Färbeverfahren mittels Nilrot und Fluoreszenzmikroskopie kombiniert.“ Zudem wurden Vergleichsproben mit nur den Laborreagenzien diesen Analysen unterzogen, um Plastikverunreinigungen durch die Methodik selbst erfassen zu können.

Sechs Plastiksorten in kranken Lebern

Das Ergebnis: In Milz und Nieren konnte die Forschenden keine erhöhte Menge an Mikroplastik nachweisen, wohl aber in der Leber der Zirrhose-Patienten. „Die Mikroplastik-Konzentrationen in den Leberproben dieser Patienten waren signifikant höher als die Vergleichsproben“, berichten sie. In den erkrankten Lebern fanden sich zwischen 4,6 und 11,9 Kunststoffpartikel pro Gramm Gewebe. Diese Teilchen bestanden zudem aus unterschiedlichen Plastiksorten:

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„Zusätzlich zu den häufig beobachteten Kunststoffarten Polystyrol, PVC und PET haben wir auch Polymethylmethacrylat (PMMA), Polyoxymethylen (POM) und Polypropylen (PP) gefunden“, berichten Horvatits und seine Kollegen. „Überraschend war zudem, dass einige Mikroplastik-Partikel erste Anzeichen einer Degradation in Form veränderter Oberfläche auswiesen. Das deutet darauf hin, dass einige dieser Teilchen schon längere Zeit im Organ präsent waren.“

Ursache oder Folge?

Noch ist allerdings nicht klar, ob das Mikroplastik im Lebergewebe eine Folge der Lebererkrankung ist oder vielleicht eine Mitursache. Denn wie die Forschenden erklären, gibt es aus Tierstudien Hinweise darauf, dass das Mikroplastik Zellstress und Fibrosen in Geweben hervorrufen kann. Theoretisch konnte daher die Präsenz der Kunststoffpartikel zu chronischen Leberentzündungen beitragen.

Andererseits könnte die Anreicherung von Mikroplastik in vorerkrankten Lebern aber auch die Folge dieser Krankheiten sein. „Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass der Pfortader-Hochdruck und die damit verbundene veränderte Darmdurchlässigkeit bei Leberzirrhose zu einer vermehrten Aufnahme von Mikroplastik-Partikeln aus dem Darm führen“, sagt Horvatits. „Welchen Stellenwert die Ablagerung von Mikroplastik in der Leber auf den Erkrankungsverlauf hat, müssen nun künftige Studien zeigen.“ (eBioMedicine, 2022; doi: 10.1016/j.ebiom.2022.104147)

Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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