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Medizintechnik

Lauschangriff auf die Hörschnecke

Präzise Messmethode zur Diagnose von Hörschäden entwickelt

Dr. Diana Turcanu untersucht einen Patienten mit dem neuen Interferometer. © Universitätsklinikum Tübingen

Etwa jeder siebte Deutsche ist schwerhörig – ein Großteil leidet an einer geschädigten Hörschnecke. Tübinger Wissenschaftler haben nun ein neues Verfahren entwickelt, mit dem diese Hörschäden besser identifiziert werden können. Die extrem genaue Methode misst und entschlüsselt Signale aus der Hörschnecke direkt am Trommelfell.

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Bei kleinen Kindern, bei denen etablierte Verfahren bisher nicht ausreichend waren, ist damit künftig eine objektive Messung der Hörschwelle möglich. Auch bei Erwachsenen erwartet die Wissenschaftler der Universitäts-Hals-, Nasen- und Ohrenklinik Tübingen von dem neuen Verfahren besonders im Hochtonbereich eine zuverlässigere Diagnose.

Durch übermäßige Schallstimulation, toxische Substanzen, altesbedingte Vorgänge und genetische Probleme können unterschiedliche Teile der Hörschnecke zerstört werden. Bisher fehlten jedoch Diagnostikinstrumente für die präzise Lokalisation des Schadens in der Hörschnecke und dafür gibt es zwei Hauptgründe. Erstens, anders als beim Auge, ist die Hörschnecke tief im knöchernen Schädel eingebettet und daher für die direkte Visualisierung nicht zugänglich. Zweitens fehlen leistungsfähige Messverfahren, welche die Erfassung der subatomaren mechanischen Prozesse in der Hörschnecke gleich am Eingang des Ohres (am Trommelfell) erlauben.

Laserinterferometer spürt Vibrationen auf

Jetzt ist es Professor Anthony Gummer, Dr. Ernst Dalhoff und Dr. Diana Turcanu von der Universitäts-HNO-Klinik-Tübingen gelungen, ein innovatives Messverfahren zu etablieren, das mechanische Signale aus der Hörschnecke direkt am Trommelfell misst und entschlüsselt. Dafür haben die Wissenschaftler ein hochempfindliches Laserinterferometer entwickelt, das Vibrationen von weniger als einem Pikometer auflösen kann. Das entspricht einem Hundertstel des Durchmessers eines Wasserstoffatoms und ist damit um etwa 1000-mal empfindlicher als jedes kommerziell erhältliche Interferometer.

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Der Laserstrahl aus dem neu entwickelten Interferometer wird in ein handelsübliches Ohr-Operationsmikroskop eingekoppelt, auf das Trommelfell fokussiert und dort zurück in das Mikroskop und Interferometer reflektiert. Das reflektierte Laserlicht enthält Informationen über die Vibrationsabläufe in der Hörschnecke. Um diese Information entschlüsseln zu können, haben die Wissenschaftler den Schallstimulus derart optimiert, dass die verhältnismäßig schwachen Signale aus der Hörschnecke detektiert und deren Bedeutung interpretiert werden kann.

Neues Messverfahren mit vielen Vorteilen

Das neue Diagnostikverfahren ist, so die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Proceedings National Academy Sciences von hoher klinischer Bedeutung. Es erlaubt zum Beispiel eine objektive Messung der Hörschwelle, insbesondere bei kleinen Kindern, bei denen klinisch etablierte, audiometrische Verfahren nicht ausreichend aussagekräftig sind. Bei Erwachsenen, besonders im Hochtonbereich, ist eine objektive Schwellenabschätzung in medizinischen und gutachterlichen Zweifelsfällen ebenfalls wertvoll.

Darüber hinaus könnte das neue Interferometer allgemein Verwendung bei optischen Scangeräten finden, bei denen sehr kurze Messzeiten benötigt werden, wie zum Beispiel bei der optischen Kohärenztomographie.

(idw – Universitätsklinikum Tübingen, 30.01.2007 – DLO)

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