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Kognitionsforschung

Dieses Protein macht uns intelligent

Warum ein einziges Protein über unsere geistigen Leistungen entscheidet

Gehirnzelle
Wie intelligent wir sind, bestimmt vor allem ein Protein, das im Zellkern vieler Gehirnzellen sitzt. © libre de droit/ Getty images

IQ-Booster: Ein einziges Protein in unserem Gehirn entscheidet darüber, wie intelligent wir sind. Denn dieses SATB2-Protein kontrolliert die Form des DNA-Knäuels in unseren Neuronen – und damit auch die Zugänglichkeit und Aktivität der für unsere Intelligenz wichtigen Gene, wie Forschende herausgefunden haben. Fehlt das SATB2 ganz, sinkt der Intelligenzquotient auf einen Schlag auf weniger als 40. Auch das Risiko für neuropsychiatrische Erkrankungen wird vom SATB2-Protein beeinflusst.

Was bestimmt unsere Intelligenz und unseren IQ? Inzwischen ist klar, dass wir unsere kognitiven Fähigkeiten zum einen dem komplexen Zusammenwirken zahlreicher Gene verdanken. Sie verleihen unseren Neuronen und Synapsen die für das Lernen nötige Plastizität und sorgen für eine effiziente Vernetzung verschiedener Hirnareale. Doch auch die Umwelt prägt unsere Intelligenz: Gute Ernährung und Bildung im Kindesalter fördern sie, eine frühkindliche Schadstoffbelastung senkt dagegen den IQ.

DNA in Zellkern
Die dreidimensionale Faltung und Schlaufenbildung der DNA in unseren Zellen bestimmt, welche Gene zugänglich sind.© Design Cells / Getty images

Welche Rolle spielt SATB2?

Doch es gibt einen Faktor, der über all diesen Einflüssen steht – und der für unsere Intelligenz unverzichtbar ist. Dabei handeltes sich um das Protein SATB2, wie Nico Wahl von der Medizinischen Universität Innsbruck und seine Kollegen herausgefunden haben. Von diesem Protein ist bekannt, dass es in den Zellkernen der Großhirnrinde und des Hippocampus präsent ist, zwei Hirnarealen, die für unser höheres Denken und Gedächtnis wichtig sind.

Schon länger besteht der Verdacht, dass es sich beim SATB2-Protein um einen Genom-Organisator handelt – eines der Kernproteine, die die dreidimensionale Struktur der DNA regulieren. Denn wie der insgesamt zwei Meter lange Erbgutfaden im Zellkern verknäuelt, in Schleifen gelegt und aufgerollt ist, bestimmt, welche Gene zugänglich sind und abgelesen werden können und welche nicht. Unklar war jedoch, wie SATB2 die DNA-Anordnung in den Gehirnzellen beeinflusst und welche Gene davon betroffen sind.

Ein Protein als DNA-Organisator

Dies haben nun Wahl und sein Team mithilfe von Mäusen und Zellkulturen menschlicher Zellen genauer untersucht. Sie schalteten dafür das SATB2-Gen in verschiedenen Hirnregionen und Zellen aus und konnten dann beobachten, wie sich die DNA-Struktur in den Neuronen dadurch verändert und wie dies Aktivität der für die Intelligenz wichtigen Gene beeinflusst.

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Es zeigte sich: Das SATB2-Protein spielt tatsächlich eine zentrale Rolle für die 3D-Anordnung der DNA in den Gehirnzellen. „SATB2 bindet an die DNA und hat somit direkten Einfluss auf die Genaktivität“, berichtet Wahl. Nur wenn dieses Protein präsent ist, bildet die DNA die Schlaufen, durch die bestimmte Gene zugänglich werden. Das Protein steuert zudem, ob wichtige Promoter und Enhancer der Genaktivität in Aktion treten können. Gleichzeitig beeinflusst SATB2 auch die Arbeit weiterer für die DNA-Faltung nötiger Proteine, wie das Team feststellte.

DNA mit und ohne SATB2
Auffaltung der DNA in Neuronen mit SATB2 (links) und ohne SATB2. Die Chromosomen 4 und 14 sind blau und grün hervorgehoben. © Design Cells / Getty images

Aktivität hunderter Intelligenz-Gene beeinflusst

Dadurch hat das SATB2-Protein direkten Einfluss auf die Aktivität von hunderten Genen, die unsere Intelligenz prägen: „Diese für die Kognition relevanten Gene sind über das gesamte Genom verteilt, müssen beim Denken aber häufig gemeinsam abgelesen und gemeinsam reguliert werden“, erklärt Seniorautor Georg Dechant von der Medizinischen Universität Innsbruck. Erst die Präsenz des SATB2-Proteins in bestimmten Zellen der Großhirnrinde sorgt dafür, dass dieses komplexe Zusammenspiel unserer neuronalen Gene funktioniert.

Fehlt das Protein, gerät dagegen die für kognitive Leistungen notwendige DNA-Ordnung in den Gehirnzellen durcheinander: „Mausmutanten mit fehlendem SATB2 zeigten deutliche kognitive Defekte“, berichten die Forschenden. Ähnliches gelte beim Menschen: „SATB2 von Mensch und Maus ist nahezu identisch und unterscheidet sich lediglich in drei Aminosäuren“, erklärt Wahl. Um die Übertragbarkeit auf den Menschen zu testen, haben er und sein Team ihre Genomdaten aus dem Tiermodell auch an menschlichen Zellkulturen überprüft.

Erst SATB2 macht uns schlau

Insgesamt bestätigen die Analysen, dass das SATB2-Protein eine entscheidende Rolle für unsere Intelligenz spielt. „Das SATB2-Gen ist im Menschen für die kognitive Leistungsfähigkeit von enormer Bedeutung. Bei einer Mutation des SATB2 Gens sinkt der Intelligenzquotient auf weniger als 40“, sagt Co-Seniorautorin Galina Apostolova von der Medizinischen Universität Innsbruck. Die zusätzlichen Tests mit menschlichen Hirnzellen zeigten zudem klar, dass viele IQ-relevante Gene für ihr korrektes Funktionen von SATB2 abhängig sind.

Darüber hinaus lieferten die Analysen erste Hinweise darauf, dass auch einige neuropsychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie eng mit dem SATB2-Protein verknüpft sind. Ist das Protein durch Mutationen verändert, beeinflusst dies die 3D-Struktur von entsprechenden Risiko-Genorten. „Es war eine Überraschung, dass SATB2 spezifisch diese Risiko-Loci beeinflusst“, sagt Dechant. „Wir vermuten daher, dass neuropsychiatrische Erkrankungen durch die ungeeignete 3D-Struktur der DNA verstärkt oder verursacht werden.“ (Molecular Cell, 2024; doi: 10.1016/j.molcel.2023.12.024)

Quelle: Medizinische Universität Innsbruck

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