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Raumfahrt

Wie Raumfahrt die Stratosphäre verändert

Metall-Partikel aus verglühten Raketenresten und Satelliten reichern sich in Aerosolen an

Stratosphäre
Der Wiedereintritt von Raketenteilen und ausgedienten Satelliten kontaminiert die irdische Stratosphäre. © studio023/ Getty images

Unsichtbare Kontamination: Raketenteile und Satelliten sorgen nicht nur für Weltraumschrott – sie verschmutzen auch zunehmend die irdische Stratosphäre, wie Messungen enthüllen. Demnach enthalten rund zehn Prozent der Aerosole in der oberen Atmosphäre bereits Metallpartikel aus Triebwerken und verglühten Raumfahrtkomponenten, darunter Aluminium, Lithium, Kupfer und Blei. Mit dem Anstieg der Satellitenstarts in den nächsten Jahren wird sich dies weiter erhöhen. Welche Folgen die Metallpartikel in der Stratosphäre haben, ist noch ungeklärt.

Zurzeit kreisen mehr als 8.600 Satelliten in der Erdumlaufbahn – Tendenz schnell steigend. Denn der Ausbau der Mega-Konstellationen fürs Satelliten-Internet und andere Anwendungen sorgt für immer mehr Raketenstarts. Werden alle Pläne umgesetzt, könnte es Schätzungen zufolge bis 2030 bereits 50.000 Satelliten im Erdorbit geben. Vor allem im niedrigen Erdorbit häufen sich zudem alternde oder defekte Satelliten, von denen mehrere tausend in den nächsten fünf Jahren absinken und verglühen werden.

Wiedereintrittsfolgen
Wie Metallpartikel aus der Raumfahrt in die Stratosphäre gelangen. ©

Messflug in die Stratosphäre

Das Problem: „Wenn ausgediente Raketenbrennstufen und defekte Satelliten wieder in die Erdatmosphäre eintreten, erzeugen sie beim Verglühen Metalldämpfe“, erklären Daniel Murphy von der US National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und seine Kollegen. Auch beim Aufstieg der Trägerraketen werden solche Metalldämpfe aus den Triebwerken frei. Wenn diese Dämpfe abkühlen, kondensieren zu kleinen Metallpartikeln aus, die in die irdische Stratosphäre absinken.

Und dann? Wo diese Metalle bleiben und welche Metalle es sind, haben Murphy und sein Team nun erstmals genauer untersucht. „Bisher konzentrierten sich Studien zum Wiedereintritt auf die Risiken durch herabstürzende Trümmerteile, aber nicht auf das Schicksal der verdampften Metalle“, sagen sie. Um dies zu ändern, führten sie im Februar und März 2023 mit einem Spezialflugzeug Messflüge in die arktische Stratosphäre über Alaska durch. Mithilfe eines Laser-Massenspektrometers ermittelte das Team dabei die chemische Zusammensetzung von mehr als 500.000 stratosphärischen Aerosolpartikeln.

Niob, Hafnium und Co

Das Ergebnis: Wie erwartet enthalten nahezu alle stratosphärischen Schwebteilchen Metalle – denn auch Weltraumstaub und Mikrometeoriten hinterlassen beim Verglühen in der oberen Atmosphäre metallische Elemente. „Metalle wie Natrium, Magnesium, Chrom, Eisen und Nickel sind in vielen stratosphärischen Partikeln in sehr konstanten Verhältnissen präsent. Sie liefern die klare Signatur des meteoritischen Anteils“, erklärt das Team.

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Doch darüber hinaus zeigten sich in den Aerosol-Teilchen auch Metalle, die keine typischen Bestandteile von Meteoriten und Weltraumstaub sind. „Zwei der am wenigsten erwarteten Elemente waren Niob und Hafnium“, berichtet Murphy. „Dies sind beides seltene Elemente, die in der Stratosphäre normalerweise nicht vorkommen.“ Niob und Hafnium werden aber häufig in Halbleitern und Legierungen für die Raumfahrt verwendet. Auch Kupfer, Lithium und Aluminium kam in den stratosphärischen Schwebteilchen deutlich häufiger vor als allein durch natürliche Ursachen erklärbar.

20 verschiedenen Metalle

Das Team wies in zehn Prozent aller gemessenen Aerosole Metallpartikel aus der Raumfahrt nach. „Es ist bemerkenswert, dass die Produkte des Wiedereintritts, der in mehr als 50 Kilometer Höhe stattfindet, mit so hoher Sensitivität in Aerosolpartikeln in weniger als 19 Kilometer Höhe gemessen werden kann“, konstatieren Murphy und seine Kollegen. Insgesamt identifizierten die Forschenden 20 verschiedene Elemente aus der Raumfahrt in den Aerosolen, darunter neben Aluminium, Niob und Hafnium auch Kupfer, Silber, Blei, Titan, Beryllium, Chrom, Nickel, Zink und Lithium.

„Die Kombination von Aluminium und Kupfer plus Niob und Hafnium, die in hitzeresistenten Hochleistungslegierungen vorkommen, deuten klar auf einen Ursprung in der Raumfahrt hin“, sagt Murphy. Das in der Stratosphäre nachgewiesene Lithium stammt vorwiegend von verglühten Lithium-Ionen-Batterien und den leichten Aluminiumlegierungen der Raketenhüllen. Kupfer und Silber sind in der Elektronik und Verkabelungen vieler Satelliten enthalten, Kupfer außerdem in Aluminiumlegierungen der Raketen.

Was sind die Folgen der Metall-Kontamination?

Welche Folgen dieser Eintrag von Metallen in die Stratosphäre hat, ist noch ungeklärt. Angesichts der zunehmenden Raketenstarts und verglühenden Satelliten schließen Murphy und sein Team aber nicht aus, dass dieser Einstrom von Metallpartikeln Auswirkungen haben könnte. „Ein potenzieller Effekt wäre, dass Aluminium und andere Raumfahrt-Einträge die Bildung von Eiskristallen in der Stratosphäre beeinflussen“, erklären sie. Dies könnte sich auf die Bildung von polaren Stratosphärenwolken und den Ozonabbau auswirken.

Denkbar wäre aber auch, dass die von Natur aus nicht in der Stratosphäre vorkommenden Metalle dort noch unbekannte chemische Reaktionen auslösen. Auch optische Effekte wären möglich, die unter anderem die Sonneneinstrahlung und Albedo der oberen Atmosphäre beeinflussen könnten. „Bisher besteht das refraktorische Material in den stratosphärischen Partikeln vorwiegend aus Silizium, Eisen und Magnesium aus natürlichen Meteoritenquellen!“, schreiben Murphy und seine Kollegen. Doch durch den starken Anstieg der Satellitenstarts in den nächsten Jahren könnte sich das ändern.

„Veränderungen der Atmosphäre sind oft komplex und schwer zu erforschen und zu verstehen“, sagt Koautor Danial Cziczo von der Purdue University. „Aber unsere Ergebnisse zeigen uns, dass die Auswirkungen des Menschen und der Raumfahrt auf den Planeten bedeutender sein könnten als uns bisher klar ist.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2313374120)

Quelle: NOAA, Purdue University

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