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Sonnensystem

Was war die Ursache für das stärkste Marsbeben?

Beben der Magnitude 4,7 war weder vulkanisch noch von einem Einschlag ausgelöst

Marsbeben
Das stärkste je auf einem anderen Planeten gemessene Beben ereignete sich am 4. Mai 2022 auf dem Mars. Doch was war die Ursache? © HG: Elen11/ Getty images

Rätselhafter Ruck: Am 4. Mai 2022 erschütterte ein Beben der Stärke 4,7 den Mars – es war das stärkste je auf einem anderen Planeten gemessene. Doch was war die Ursache? Auf der Suche nach einer Antwort hat ein internationales Team erstmals Daten aller acht auf und um den Mars präsenten Raumsonden ausgewertet. Das überraschende Ergebnis: Auslöser waren weder ein Einschlag noch vulkanische Aktivität im Untergrund wie bei anderen Marsbeben. Stattdessen muss es Krustenverschiebungen im Untergrund gegeben haben – obwohl der Mars keine Plattentektonik besitzt.

Die Erde ist der einzige Planet im Sonnensystem, der noch eine aktive Plattentektonik besitzt. Trotzdem gibt es auch auf anderen Himmelskörpern wie Mond und Mars Erschütterungen. So registrierte die NASA-Landesonde Mars InSight während ihrer vierjährigen Missionszeit gut 1.300 Beben auf dem Roten Planeten. Einige davon wurden von Meteoriteneinschlägen ausgelöst, andere durch vulkanische Aktivität tief im Untergrund.

Mars InSight
Diese Illustration zeigt die NASA-Sonde Mars InSight und ihr Seismometer auf dem Mars. © NASA/JPL-Caltech

Rätsel um marsianisches Rekordbeben

Doch ausgerechnet das stärkste Marsbeben blieb bisher rätselhaft. Mit seismischen Erschütterungen der Magnitude 4,7 war das Beben vom 4. Mai 2022 das stärkste jemals auf einem anderen Himmelskörper gemessene. Das Epizentrum des S1222a getauften Marsbebens lag rund 2.200 Kilometer von Mars inSight entfernt, nahe am Äquator auf der anderen Seite des Planeten. Zuvor hatte es nur zwei Marsbeben gegeben, die diesem Ereignis in ihrer Magnitude zumindest nahekamen. Beide wurden von größeren Meteoriteneinschlägen ausgelöst.

Doch war dies auch die Ursache für S1222a? Das hat nun ein internationales Team um Benjamin Fernando von der University of Oxford untersucht. Bei Analysen der seismologischen Daten stellten sie fest, dass das Rekordbeben auf dem Roten Planeten einige Parallelen zu den beiden Einschlags-Beben aufwies. So hielten die Nachschwingungen der durch den Planeten rasenden Erschütterungen bei allen drei Marsbeben mehrere Stunden lang an und die Energie der Bebenwellen deckte ein breites Frequenzspektrum ab.

Fahndung nach einem Einschlagskrater

Allerdings gab es auch einige entscheidende Unterschiede: Das S1222a-Ereignis war das einzige Marsbeben, bei dem neben den Primärwellen im Untergrund auch beide Arten von Oberflächenwellen auftraten: die horizontal schwingenden Love-Wellen und die vertikalen Rayleigh-Wellen. Auch der Energieanteil der S-Wellen gegenüber den P-Wellen war deutlich höher. „Angesichts der außerordentlichen Natur des S1222a-Ereignisses und der Ähnlichkeiten mit den beiden bestätigten Einschlagsbeben, erschien es uns sinnvoll, zunächst auch für dieses Marsbeben einen Einschlag in Betracht zu ziehen“, erklärt das Team.

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Deshalb initiierten Fernando und sein Team eine Großfahndung nach Spuren eines Einschlags, an der erstmals alle fünf Raumfahrtorganisationen beteiligt waren, die zurzeit Raumsonden im Orbit des Roten Planeten betreiben. In einer konzertierten Aktion durchmusterten Forschergruppen Aufnahmen von insgesamt acht Raumsonden auf der Suche nach einem Krater oder anderen Hinweisen auf einen Einschlag am 4. Mai 2022. „Wenn S1222a ein Impaktereignis war, dann müsste der Krater groß sein und mehr als 300 Meter Durchmesser haben“, so das Team.

Kein Einschlag und kein Vulkanismus

Doch die Suche blieb vergeblich: „Wir haben keine neuen oder ungewöhnlichen Merkmale in sichtbaren Wellenlängen und auch keine thermischen Anomalien im Nahinfrarot identifiziert“, berichten Fernando und seine Kollegen. Obwohl das Gebiet im Bereich des Beben-Epizentrums relativ flach und gut einsehbar ist, konnten sie weder einen frischen Krater noch Auswurf, weggeschleuderten Marsstaub oder andere Anzeichen eines Impakts finden.

„Diese Ergebnisse lassen uns mit hoher Sicherheit schlussfolgern, dass das S1222a-Ereignis nicht von einem Meteoriteneinschlag verursacht wurde“, konstatieren die Forschenden. Andererseits sprechen Lage und Daten auch gegen einen vulkanischen Ursprung: „Die tektonischen Umstände im Bereich des Epizentrums unterscheiden sich stark von denen in der Cerberus-Fossae-Region„, erklären sie. Dort sprechen junge Vulkanablagerungen und seismische Hinweise auf weiches, heißes Gestein dafür, dass es im Untergrund noch Reste vulkanischer Aktivität gibt.

Verborgene Tektonik in der Marskruste?

Was aber war dann die Ursache für das stärkste gemessene Marsbeben? Nach Ansicht von Fernando und seinen Kollegen könnte es tektonischen Ursprungs gewesen sein. Denn die seismologischen Merkmale und auch Auffaltungen in der Region des Epizentrums sprechen dafür, dass es in der Marskruste eine Verschiebung entlang einer Verwerfung gegeben hat. „Wir gehen zwar noch immer davon aus, dass der Mars heute keine aktive Plattentektonik mehr hat“, sagt Fernando. Dennoch könnte dieses Ereignis durch die Entladung von Spannungen im Untergrund verursacht worden sein.

„Diese Spannungen sind das Resultat von Milliarden Jahren der Entwicklung, darunter vor allem den unterschiedlichen Raten der Abkühlung und Schrumpfung in verschiedenen Teilen des Planeten“, erklärt Fernando. „Wir verstehen zwar noch nicht, warum einige Teile des Mars höhere Spannungen aufweisen als andere, aber Ereignisse wie dieses können uns helfen, diese Fragen näher zu erforschen.“

Leider ist die Marssonde InSight seit Dezember 2022 nicht mehr in Betrieb, Staub auf ihren Solarpaneelen und der Marswinter haben ihrer Mission ein Ende bereitet. Dadurch fehlt nun auch ein Seismometer, um weitere Marsbeben aufzuzeichnen. „Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, einen vielfältigen Satz von Instrumenten auf dem Mars zu haben“, sagt Daniela Tirsch vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Koordinatorin für die hochauflösende HRSC-Kamera an Bord der ESA-Sonde Mars Express. (Geophysical Research Letters, doi: 10.1029/2023GL103619)

Quelle: University of Oxford

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