Anzeige
Sonnensystem

War der Sonnenzyklus vor 400 Jahren kürzer?

Aurora-Aufzeichnungen liefern Indizien für nur acht-jährigen Sonnenzyklus im Maunder-Minimum

Sonnenzyklus
Heute dauert der Sonnenzyklus rund elf Jahre. Doch während des Maunder-Minimums ab 1645 könnte sich die Zyklusdauer auf nur noch acht Jahre verkürzt haben. Jahren könnte © SOHO (NASA/ESA), verändert

Aus dem Takt: Während der „Kleinen Eiszeit“ vor rund 400 Jahren war offenbar nicht nur die Sonnenaktivität schwächer als normal – auch der Sonnenzyklus war um mehrere Jahre verkürzt. Er könnte damals nur acht statt der normalen elf Jahre gedauert haben, wie Forschende herausgefunden haben. Indizien dafür liefern historische Aufzeichnungen aus Korea, die die Häufigkeit und Stärke von Auroren in dieser als „Maunder-Minimum“ bekannten Zeit dokumentieren.

Die Aktivität unserer Sonne folgt einem regelmäßigen Zyklus: Etwa alle elf Jahre erreichen Sonnenflecken und solare Ausbrüche ein Maximum, parallel dazu ändern sich die Plasmaströme im Sonneninneren und das Magnetfeld polt sich um. Doch wie dieser regelmäßige Takt zustande kommt, ist erst in Teilen geklärt. Demnach gibt es zwei große solare Umwälzströme, die rund 22 Jahre für einen Umlauf benötigen und als Haupt-Taktgeber für den Sonnendynamo dienen. Aber auch andere Strömungen im Sonneninneren sowie Einflüsse der Planeten können die Intensität der Sonnenaktivität beeinflussen.

Rätsel um das Maunder-Minumum

Schon länger ist zudem bekannt, dass der elfjährige Sonnenzyklus von längeren Phasen verstärkter und abgeschwächter Sonnenaktivität überlagert wird. Die letzte große Schwächephase, das sogenannte Maunder-Minimum, dauerte etwa von 1645 bis 1715 an. Sie gilt als einer der Faktoren, die die damals herrschende „Kleine Eiszeit“ auf der Nordhalbkugel auslösten. Denn die abgeschwächte Sonnenaktivität brachte nicht nur weniger Sonnenflecken und Sonnenstürme, sondern auch eine insgesamt leicht geringere Sonneneinstrahlung mit sich.

„Das Maunder-Minimum gilt als der Archetypus großer Minima in der solaren und stellaren Aktivität und ist der Schlüssel, um den Dynamo der Sonne und anderer Sterne zu verstehen“, erklären Limei Yan von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und ihre Kollegen. Doch es ist unklar, warum die Sonne solche ausgedehnten Schwächephasen wie das Maunder-Minumum durchläuft.

Einer Hypothese nach könnte damals der solare Dynamo ausgesetzt oder sich stark abgeschwächt haben. Ein Indiz dafür wäre eine veränderte Länge des damaligen Sonnenzyklus. Weil es aber nur wenig verlässliche Daten über die solare Aktivität vor rund 300 bis 400 Jahren gibt, gehen auch die Annahmen zur Länge des Sonnenzyklus während der Kleinen Eiszeit weit auseinander: „Einige Ergebnisse sprechen für einen normalen Elfjahreszyklus, andere deuten auf einen verlängerten Zyklus von 13 bis 16 Jahren hin oder aber einen auf rund neun Jahre verkürzten Sonnenzyklus“, berichten die Forschenden.

Anzeige
Korea und die WPA
Lage der Westpazifischen Magnetfeldanomalie (rötliche Flächen) und Koreas (weißer Punkt). Die beiden Kreise geben die Sichtbarkeitsgrenzen für rote Auroren in 200 und 400 Kilometer Höhe an.© Yan et al./ AGU Advances, CC-by 4.0

Rote Auroren und koranische Chroniken

Doch Yan und ihr Team haben nun eine weitere historische Quelle aufgetan: die Aufzeichnungen koreanischer Astronomen. Während der mehr als 500 Jahre langen Herrschaft der Joseon-Dynastie in Korea zeichneten die koreanischen Hofchronisten täglich nicht nur irdische Ereignisse auf, sondern dokumentierten auch Veränderungen des Nachthimmels. Dazu gehörten rötlich schimmernde Polarlichter, die damals wegen einer im Westpazifik liegenden Magnetfeldanomalie häufig bis in äquatoriale Breiten zu sehen waren.

„Schon ein kleiner Sonnensturm konnte damals in der Westpazifik-Anomalie eine rote äquatoriale Aurora auslösen, die mit bloßem Auge sichtbar gewesen wäre“, erklären Yan und ihre Kollegen. Für ihre Studie haben sie 1.012 in der Zeit von 1620 bis 1810 dokumentierte Auroren ausgewertet und auf Basis dieser Daten und eines astrophysikalischen Modells daraus die wahrscheinliche Länge des Sonnenzyklus im Maunder-Minimum ermittelt.

Nur acht Jahre statt elf

Die Auswertungen ergaben: Tatsächlich scheint der Sonnenzyklus während des Maunder-Minums deutlich von seinem normalen Elfjahreszyklus abgewichen zu sein – er war drastisch verkürzt. „Das Auftreten der roten äquatorialen Aurorae belegen vier prominente und aufeinanderfolgende acht-jährige Zyklen“, berichten Yan und ihr Team. Besonders deutlich waren diese verkürzten Sonnenzyklen im dritten Viertel des 17. Jahrhunderts. Damals lagen die jeweiligen Aktivitätsminima der Sonnenzyklen in den Jahren 1645, 1653, 1670 und 1678.

Maunder-Minimum
Sonnenfleckenzahl (a), rote äquatoriale Auroren gemäß koranischen Aufzeichnungen (b) und aus den Auroren abgeleitete Minima zwischen 1645 und 1705 (c). © Yan et al./ AGU Advances, CC-by 4.0

„Dies legt nahe, dass der Zyklus des Sonnendynamos während des Maunder-Minums nicht ganz aufhörte, aber in einen anderen Takt überging“, erklären die Forschenden. Wie sie feststellten, lässt sich diese starke Verkürzung des Sonnenzyklus aber nur zu Beginn des Maunder-Minimums nachweisen. Merkwürdig auch: Normalerweise sind kurze Sonnenzyklen mit einer insgesamt höheren Sonnenaktivität verknüpft, lange Zyklen dagegen mit einer schwächeren. Während der Anfangszeit des Maunder-Minimums waren die Sonnenzyklen jedoch kurz und schwach.

Abgeschwächter Dynamo und überlagerte Rhythmen

„Dieser Achtjahreszyklus unterscheidet sich damit klar von den normalen, neun bis 14 Jahre umfassenden Schwankungen des Elfjahreszyklus“, konstatieren Yan und ihr Team. Dies werfe ein neues Licht darauf, was während des Maunder-Minimums mit dem solaren Dynamo passiert sein könnte. Die Forschenden vermuten, dass sich der Haupt-Taktgeber des Sonnenzyklus, der 22 Jahre dauernde Umwälzstrom, damals so stark abschwächte, dass es zu Überlagerungen mit einem zweiten, normalerweise viel schwächeren Rhythmus kam.

Diesem Szenario zufolge traten dabei Resonanzeffekt mit dem sogenannten quadrupolaren Modus der Sonne auf, einem sich im Verlauf von 13 bis 15 Jahren verändernden Strömungsmuster. Unter normalen Umständen ist diese zweite periodische Schwankung fast völlig verdeckt und nur als schwache Variation in den Sonnenfleckendaten zu erkennen. Während des Maunder-Minimums könnte sie aber so mit dem 22-Jahres-Takt interagiert haben, dass ein rund achtjähriger Takt dabei herauskam.

…oder ein beschleuniger Strom?

Allerdings gäbe es noch eine zweite Erklärungsmöglichkeit, wie Yan und ihr Team berichten. Denkbar wäre demnach auch, dass sich der meridionale Umwälzstrom damals nicht abschwächte, sondern beschleunigte. „Auch dies könnte kürzere, nur acht Jahre dauernde Zykluslängen mit geringerer Amplitude hervorrufen“, so die Forschenden. Welche der Hypothesen zutrifft, müssen nun künftige Studien versuchen zu klären. (AGU Advances, 2023; doi: 10.1029/2023AV000964)

Quelle: American Geophysical Union (AGU) Advances

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Polarlichter - Das Geheimnis der leuchtenden "Himmelsschlangen"

Bücher zum Thema

Im Fokus: Sonnensystem - Eine Reise durch unsere kosmische Heimat Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Die Wunder des Nachthimmels - Alles über Sternbilder, Planeten und Galaxien von Bob Berman

Top-Clicks der Woche