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Sonnensystem

Venus: Und sie bewegt sich doch

Forscher finden Indizien für eine "Eisschollen"-Tektonik auf der Venus

Venus
Blick auf eine der neu identifizierten "Krustenschollen" der Venus - einen kaum deformierten Block, der von Verwerfungen und Gräben umgeben ist. © Paul K. Byrne, Sean C. Solomon

Vorform der Plattentektonik? Auch auf der Venus gibt es offenbar tektonische, von Mantelströmungen angetriebene Krustenbewegungen: Auf dem Planeten rempeln festere Krustenblöcke gegeneinander wie Eisschollen im Packeis, wie eine Studie nun nahelegt. Belege dafür liefern stabile, kaum deformierte Bereiche der Venusoberfläche, die von schmalen Dehnungs- und Bruchzonen umgeben sind. Ähnliches könnte es auch auf der jungen, heißen Erde gegeben haben.

Die Erde ist der einzige bekannte Planet mit einer aktiven Plattentektonik – nur auf ihr gibt es driftende Kontinentalplatten. Der Antrieb dafür sind Konvektionsströmungen im Erdmantel, durch die an den mittelozeanischen Rücken neues Krustenmaterial aufsteigt, während an den Subduktionszonen Platten in die Tiefe gezogen werden. Zwar gibt es auf einigen unser Nachbarplaneten ebenfalls tektonische Strukturen und Anzeichen für Veränderungen. Allerdings gilt dort meist Vulkanismus als Ursache oder, wie beim Merkur, eine abkühlungsbedingte Schrumpfung des Planeten.

Was passiert auf der Venus?

Strittig ist jedoch bisher die Tektonik der Venus. Auch ihre Oberfläche ist nicht völlig starr und unveränderlich. Hinweise darauf geben unter anderem ringförmige Grabenstrukturen, die durch Aufsteigen von Magma entstanden sein könnten. Es gibt jedoch auch Forscher, die darin eine Art vulkanischer Subduktion vermuten. Andere Wissenschaftler gehen von einer lokalen Mobilisierung der Venuskruste durch den extremen Treibhauseffekt der Venus aus.

Für eine echte Plattentektonik gilt die Venus jedoch als zu heiß: Ihre Kruste ist zu weich und flexibel, um stabile, sich gegenseitig in die Tiefe drückende Platten auszubilden. „Im Gegensatz zum Mosaik mobiler tektonischer Platten, das die Erde kennzeichnet, besitzt die Venus gängiger Annahme nach eine global durchgängige Lithosphäre“, erklären Paul Byrne von der North Carolina State University in Raleigh und seine Kollegen.

Stabile Blöcke umgeben von Verwerfungen

Ob das wirklich stimmt, haben Byrne und sein Team nun genauer untersucht. Dafür werteten sie Radaraufnahmen der NASA-Venussonde Magellan aus, die die Strukturen der Venusoberfläche und insbesondere ihrer Tiefebenen zeigen. Denn in diesen eher jungen und dünnen Krustenbereichen häufen sich „verdächtige“ Verwerfungsstrukturen: An einigen Stellen deuten Gräben auf eine mögliche Dehnung hin, an anderen Orten sprechen Verwerfungen für eine Stauchung.

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Campi
Diese Radaraufnahme zeigt die fragmentierten „Campi“ der Venus-Tiefebene Lavinia Planitia © NC State University, NASA/JPL

Die Aufnahmen enthüllten: In den Tiefebenen der Venus gibt es auffallend oft größere stabile Krustenteile, die von Dehnungsfugen und Bruchzonen umgeben sind. „Diese von Verwerfungen umgebenen Ebenen sind im Schnitt 100 bis 1000 Kilometer groß“, berichten die Forscher. Insgesamt identifizierten sie 58 solcher „Campi“, benannt nach dem lateinischen Wort für „Felder“.

Wie Schollen im Packeis

Das Entscheidende jedoch: „Unsere Beobachtungen sprechen dafür, dass sich jeder der identifizierten Blöcke im Laufe der Zeit bewegt hat“, berichten Byrne und sein Team. „Sie zeigen Anzeichen dafür, dass sie sich gedreht und/oder relativ zueinander seitlich verschoben haben – ähnlich wie sich anrempelnde Schollen im Packeis.“ Diese Indizien für eine tektonische Deformation finden sich zwar vorwiegend in den jungen Tiefebenen der Venus, kommen aber durchaus global vor, so die Forscher.

Doch was verursacht diese subtilen Verschiebungen der venusianischen Krustenschollen? Um das herauszufinden, rekonstruierten die Wissenschaftler das Geschehen mithilfe eines geophysikalischen Modells. Dabei prüften sie, ob die für den Venusmantel postulierten Strömungen im Mantel genügend Belastungen in der Kruste erzeugen, um die beobachteten Risse und Bewegungen zu erklären.

Antrieb durch Mantelströmungen

Das Ergebnis: Entgegen früheren Annahmen reichen die Mantelströmungen der Venus aus, um ihre weiche Kruste zu fragmentieren und die entstehenden Schollen gegeneinander zu bewegen. Auch unser Nachbarplanet könnte demnach eine durch interne Prozesse angetriebene Tektonik besitzen. Dass dies auf der Venus im globalen Maßstab stattfinde, sei zuvor noch nicht nachgewiesen worden.

„Auf der Erde wird die Plattentektonik durch Konvektion angetrieben“, erklärt Byrne. „Eine Variante davon scheint auch auf der Venus zum Tragen zu kommen. Dort werden zwar keine großen Gebirgszüge oder gigantischen Subduktionszonen erzeugt, aber auch ihre Veränderungen der Oberfläche gehen auf interne Mantelströmungen zurück.“

Noch ist unklar, in welchen Zeiträumen die tektonischen Deformationen auf der Venus ablaufen oder ob sie möglicherweise noch immer anhalten. Allerdings deuten einige der Verwerfungen daraufhin, dass sie erst nach Bildung einiger junger Krustenteile entstanden sind. „Das gibt uns Anlass zu der Vermutung, dass diese Blöcke sich geologisch gesehen erst vor kurzem bewegt haben – möglicherweise tun sie dies sogar bis heute.“

Eisschollen-Tektonik auch auf der jungen Erde?

Diese Erkenntnisse geben nicht nur neue Einblicke in die Geologie der Venus, sie könnten auch mehr über die Vergangenheit unseres eigenen Planeten verraten. Denn nach Ansicht des Forscherteams könnte es eine ähnliche Form der Krustenbewegung auf der jungen, heißen Erde gegeben haben. „Der Wärmefluss aus dem heißen Inneren der Erde war damals bis zu dreimal höher als heute“, erklärt Byrne.

Daher war die Lithosphäre wahrscheinlich noch nicht dick und fest genug, um so stabile Platten zu bilden, dass eine Subduktion möglich wurde. „Aber die Lithosphäre war schon dick genug, um in Blöcke zu zerbrechen, die einander schoben, zogen und anrempelten“, so Byrne. Erst als unser Planet weiter abkühlte, ging dann diese „Eisschollen“-Tektonik in eine echte Plattentektonik über. Ähnliche Prozesse und Abläufe vermuten die Wissenschaftler auch auf einigen extrasolaren Planeten. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2021; doi: 10.1073/pnas.2025919118)

Quelle: North Carolina State University

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