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Astronomie

Unsere Sonne ist gewandert

Astronomen bestimmen die Geburtsstätten von Sternen in unserer Milchstraße

Die Sonne ist nicht in ihrer heutigen Bahn um das galaktische Zentrum entstanden, sondern ein wenig weiter innen. © NASA/JPL-Caltech/ ESO/R. Hurt

Stellare Drift: Die meisten Sterne in unserer Milchstraße leuchten heute weit von ihrem Geburtsort entfernt – sie sind gewandert. Jetzt haben Astronomen eine Methode entwickelt, mit der sich diese Wanderungen rekonstruieren lassen. Sie zeigt, dass unsere Sonne einst näher am galaktischen Zentrum kreiste – sie hat sich um rund 2.000 Lichtjahre nach außen bewegt. Andere Sterne in ihrer Nachbarschaft haben allerdings viel weitere Reisen hinter sich.

Unsere Milchstraße ist ein ziemlich dynamischer Ort: Sie saugt Gasströme von benachbarten Zwerggalaxien ab und klaut ihnen sogar Sterne. Andere Himmelskörper wurden dafür von ihr „verstoßen„. Und bis heute Sterne wächst unsere Galaxie durch die Bildung neuer Sterne – um 500 Meter pro Sekunde dehnt sie sich aus. Vor rund zehn Milliarden Jahren erlebte die Milchstraße zudem eine gewaltige Kollision, wie Forscher vor Kurzem herausfanden.

Komplexe Strömungen

Das Problem: All diese Ereignisse machen es Astronomen schwer, die Frühgeschichte und den Geburtsort unserer Sonne und anderer Sterne der Milchstraße zu ermitteln. Denn im Prinzip ist zwar bekannt, dass die Sternbildung in unserer Galaxie von innen nach außen fortgeschritten ist. Gleichzeitig aber weiß man, dass die meisten Sterne im Laufe der Zeit von ihrem ursprünglichen Entstehungsort wegdriften. Diese radiale Wanderung im Einzelnen zu rekonstruieren, gilt daher als schwierig.

Jetzt jedoch haben Ivan Minchev vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam und sein Team eine Methode gefunden, um die Herkunft von Sternen einfacher zu bestimmen. Für ihre „astronomische Archäologie“ nutzen sie unter anderem die Elementzusammensetzung der Sterne und ihr Alter, um daraus auf den Abstand ihres einstigen Geburtsorts zum galaktischen Zentrum zu schließen. Am Beispiel von rund 600 sonnennahen Sternen und deren spektrometrischen Daten haben die Forscher ihre Methode getestet.

Sonnennahe Sterne und ihre einstigen Geburtsorte. © I. Minchev/ AIP

Von innen nach außen und von weither

Das Ergebnis: Das Verhältnis von Eisengehalt zum Alter der Sterne folgt einem deutlichen Schema. Dieses bestätigt, dass ältere Sterne in der Regel näher am galaktischen Zentrum geboren wurden und dann im Laufe der Zeit nach außen drifteten. Außerdem zeigte sich, dass diese Sterne sich heute eher langsam bewegen. „Je weiter innen die alten Sterne entstanden, desto ‚kühler‘ sind sie heute kinematisch gesehen“, erklären die Forscher.

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Doch wie die Messungen enthüllen, können Sterne heute weit von ihrem Geburtsort entfernt stehen. So stammen die heute sonnennahen Sterne von Geburtsorten, die über fast die gesamte galaktische Scheibe verteilt sind, wie die Astronomen herausfanden. Bei Sternen, die älter sind als zehn Milliarden Jahre, ist zudem der Effekt der großen Galaxienkollision abzulesen: Ihre Bewegungen unterscheiden sich von denen der jüngeren Sterne.

„Bereits die Kenntnis der Herkunftsorte dieser relativ kleinen Anzahl von Sternen mit genauen Messungen enthüllt unschätzbare Informationen über die Vergangenheit unserer Milchstraße“, sagt Minchev.

Wo wurde die Sonne geboren?

Wie aber sieht die Vergangenheit unserer Sonne aus? Heute umkreist sie das galaktische Zentrum in einem Abstand von acht Kiloparsec, das entspricht rund 26.000 Lichtjahren. „Aufgrund ihrer Metallizität wurde aber schon früher vermutet, dass sie einst innerhalb ihrer heutigen Umlaufbahn geboren wurde“, erklären die Astronomen. Wie weit innen, dazu gab es jedoch unterschiedliche Schätzungen.

Minchev und seine Kollegen kommen nun mit ihrer Methode zu dem Schluss: Unsere Sonne ist ursprünglich in einem Abstand von rund 23.800 Lichtjahren vom galaktischen Zentrum entstanden. Von diesem Geburtsort ist sie dann im Laufe der Zeit rund 2.000 Lichtjahre weit nach außen gedriftet. Im Vergleich zu vielen ihrer Nachbarn gehört unsere Sonne damit eher zu den „Kurzziehern“ unter den stellaren Wanderern. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2018; doi: 10.1093/mnras/sty2033)

(Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam, 17.09.2018 – NPO)

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