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Astronomie

„Undunkle“ Galaxien – es gibt sie doch

Neue Messung bestätigt Mangel an Dunkler Materie in der diffusen Galaxie DF2

Galaxie DF2
Die Galaxie NGC 1052-DF2 ist nicht nur extrem diffus, sie enthält auch kaum Dunkle Materie. © NASA/ESA, STScI, Zili Shen (Yale), Pieter van Dokkum (Yale), Shany Danieli (IAS)

Mysteriöse Exoten: Es gibt offenbar doch Galaxien fast ohne Dunkle Materie – das bestätigen nun neue Messungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop. Demnach ist die ultradiffuse Galaxie DF2 zwar so groß wie die Milchstraße, ihre Masse besteht aber nur zu einem winzigen Bruchteil aus Dunkler Materie. Ein solcher Mangel an Dunkler Materie widerspricht jedoch gängiger Theorie und weckt die Frage, wie Galaxien ohne den „Kitt“ der Dunklen Materie existieren können.

Im Jahr 2018 stießen Astronomen um Pieter van Dokkum von der Yale University auf eine höchst merkwürdige Galaxie: NGC 1052-DF2 war zwar so groß wie die Milchstraße, aber schien nur aus wenigen diffus verteilten Sternen und einigen Kugelsternhaufen zu bestehen. Noch seltsamer jedoch: Auf Basis der Sternenbewegung und Entfernung schätzten die Forscher die Masse dieser Galaxie auf rund ein Prozent der Milchstraßenmasse – doch die normalerweise dominante Dunkle Materie hatte daran nur eine verschwindend geringen Anteil.

War die Entfernung falsch berechnet?

„Bei fast jeder Galaxie, die wir uns anschauen, ist der größte Teil der Masse unsichtbar, weil er aus Dunkler Materie besteht“, erklärt van Dokkum. „Aber in diesem Falle gilt: Wir sehen nicht nur die Spitze des Eisbergs, sondern den gesamten Eisberg.“ Wenn es sich wirklich um eine Galaxie fast ohne Dunkle Materie handelt, wäre dies ein eklatanter Widerspruch zu allen Modellen der Galaxienbildung.

Doch 2019 weckten die Ergebnisse eines zweiten Astronomenteams Zweifel an dieser Entdeckung. Denn diese hatten den für die Massenabschätzung entscheidenden Parameter, die Entfernung, noch einmal anhand verschiedener Merkmale nachbestimmt – und kamen auf ein anderes Resultat. Demnach war DF2 nur 42 statt 65 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Würde man dies den Berechnungen zugrunde legen, wäre auch diese Galaxie von der Dunklen Materie dominiert.

„Meiner Ansicht nach war es damals völlig berechtigt, unsere Ergebnisse in Frage zu stellen, weil sie so ungewöhnlich waren“, sagt van Dokkum.

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Rote Riesen bestätigen „undunkle“ Natur

Doch auch van Dokkum und sein Team haben nun die Entfernung zur Galaxie DF2 noch einmal mit einer weiteren, unabhängigen Methode überprüft. Sie nutzten das Hubble-Weltraumteleskop, um das periodische Aufleuchten von Roten Riesen in der Galaxie aufzuzeichnen. Diese Ausbrüche entstehen, wenn der alternde Stern Teile seiner Hülle ausschleudert und mit dem Heliumbrennen beginnt. Weil sie immer gleich hell sind, eignen sie sich als kosmische Entfernungsmesser.

Die neue Messung ergab: Die Galaxie DF2 liegt 72 Millionen Lichtjahre entfernt – und damit sogar noch weiter weg, als es die beiden früheren Studien nahelegten. Das jedoch bedeutet, dass diese ultradiffuse Galaxie tatsächlich kaum Dunkle Materie enthalten kann. Statt des sonst üblichen Löwenanteils macht die Dunkle Materie bei DF2 nur 1/400 der Gesamtmasse aus, wie van Dokkum und sein Team berichten.

Nicht der einzige Fall

„Damit bestätigen die neuen Messungen den Mangel an Dunkler Materie in dieser Galaxie“, sagt Shany Danieli vom Institute for Advanced Study in Princeton. Nahezu die gesamte Masse dieser Galaxie lässt sich durch Sterne, Gas und andere sichtbare Materie erklären. „In diesem Fall heißt das: Das, was du siehst, bekommst du auch – mehr ist nicht“, so van Dokkom.

Und nicht nur das: Ein Team um Danieli hat seither noch eine zweite Galaxie entdeckt, die 6,5 Millionen Lichtjahre von DF2 entfernt liegt und ebenfalls kaum Dunkle Materie zu enthalten scheint. Schon im Jahr 2019 stieß ein chinesisches Forscherteam zudem auf 19 Zwerggalaxien, die auch einen ungewöhnlich niedrigen Anteil Dunkler Materie aufweisen.

Widerspruch zu gängiger Theorie

Das weckt die Frage, wie solche „undunklen“ Galaxien überhaupt zustande kommen und existieren können. Denn gängiger Theorie nach bildet erst die Gravitationswirkung der Dunklen Materie den Kitt, der die Sternenansammlungen zusammenhält und ihre Merkmale erklärt. Ob sich die ungewöhnlichen Galaxien schon mit einem Mangel an Dunkler Materie bildeten oder ob sie diese nachträglich verloren – beispielsweise durch Schwerkrafteinwirkung nahe vorbeiziehender Galaxien – ist bislang unklar.

Van Dokkum und sein Team hoffen daher, noch weitere Vertreter dieser „undunklen“ Sternansammlungen aufzuspüren, um deren Geheimnis auf die Spur zu kommen. (The Astrophysical Journal Letters, 2021; doi: 10.3847/2041-8213/ac0335)

Quelle: Yale University, NASA, Institute for Advanced Study

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