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Astronomie

Neue Daten vom Gaia-Weltraumteleskop

Europäischer Astronomie-Satellit kartiert Kugelsternhaufen, Gravitationslinsen und Asteroiden

Gaia
Das europäische Weltraumteleskop Gaia ist eines der wichtigsten Werkzeuge der Astronomie. Jetzt gibt es neue Daten. © ESA/ATG medialab; S. Brunier

Galaktische Einblicke: Astronomen haben neue Daten des europäischen Gaia-Weltraumteleskops veröffentlicht, die einige Lücken in bisherigen Sternenkatalogen schließen. So umfasst das Datenpaket unter anderem rund eine halbe Million neu entdeckter Sterne im Omega-Centauri-Kugelsternhaufen, 380 potenzielle Gravitationslinsen und spektrale Daten zu interstellarem Staub und Gas. Das Paket enthält zudem eine Kartierung von 100.000 Roten Riesen und veränderlichen Sternen sowie von gut 150.000 Asteroiden in unserm Sonnensystem.

Seit 2013 durchmustert das europäische Gaia-Weltraumteleskop die Milchstraße. Dabei sammelt es mithilfe seiner Teleskope und Spektrometer Informationen über Entfernung, Spektrum und Bewegung von Milliarden Sternen und anderen Objekten in unserer Galaxie. Auf Basis dieser Daten entsteht ein umfassender Sternenkatalog, der inzwischen schon Informationen zu rund 1,8 Milliarden Sternen und anderen Objekten in der Milchstraße umfasst.

Mithilfe der Gaia-Daten haben Astronomen den Stammbaum der Milchstraße rekonstruiert und ihr „altes Herz“ entdeckt, Doppelsterne kartiert, die Bewegung unseres Sonnensystems um das Galaxienzentrum gemessen und auch über unsere Heimatgalaxie hinaus in die Nachbargalaxien geblickt.

Blick in die Lücken

Jetzt haben die Astronomen der Gaia-Kollaboration mehrere kleinere Datenpakete veröffentlicht, die die bisherigen Sternenkataloge ergänzen. Das sogenannte Focused Product Release (FPR) umfasst neue Informationen zu Kugelsternhaufen, Roten Riesen und veränderlichen Sternen, zu Gravitationslinsen, Spektren interstellarer Gase und auch zu Asteroiden im Sonnensystem. Die Daten dazu wurden in fünf Teilpaketen veröffentlicht.

„Diese Datenfreigabe beweist einmal mehr den umfassenden und grundlegenden Wert von Gaia – selbst bei Fragen, für die Gaia ursprünglich nicht gedacht war“, sagt Gaia-Projektwissenschaftler Timo Prusti von der ESA. „Zwar liegt der Schwerpunkt von Gaia auf der Vermessung von Sternen, aber sie erforscht auch alles andere, von den Gesteinskörpern des Sonnensystems bis hin zu den Milliarden von Lichtjahren entfernten Quasaren weit jenseits der Milchstraße.“

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Omega Centauri
Durch Abblenden des innersten Bereichs macht Gaia die Sterne im umliegenden Teil des Kugelsternhaufens Omega Centauri besser sichtbar. © ESA/Gaia/DPAC, CC BY-SA 3.0 IGO

Kartierung eines Kugelsternhaufens

Eines der neuen Datenpakete betrifft den Kugelsternhaufen Omega Centauri (NGC 5139). Er liegt rund 17.300 Lichtjahre von uns entfernt und enthält rund zehn Millionen Sterne, die vor allem in seinem Zentrum dicht beieinander stehen – so dicht, dass sie mit herkömmlichen Methoden optisch nur schwer voneinander zu trennen sind. Um den Sternhaufen dennoch kartieren zu können, aktivierte Gaia einen speziellen Betriebsmodus.

„Mithilfe unserer Daten konnten wir Sterne aufspüren, die zu dicht beieinander liegen, um mit den regulären Methoden von Gaia richtig gemessen zu werden“, erklärt Katja Weingrill vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP). Dadurch war es möglich, mehr als eine halbe Million Sterne neu zu identifizieren, die zuvor übersehen worden waren. „Anhand der neuen Daten können wir die Struktur des Haufens untersuchen, wie die einzelnen Sterne verteilt sind, wie sie sich bewegen und noch vieles mehr, um eine vollständige großflächige Karte von Omega Centauri zu erstellen.

Weil Kugelsternhaufen zu den ältesten Objekten im Kosmos gehören, können sie auch vieles über die Entwicklung unserer Galaxie und ihrer Umgebung verraten.

381 neue Gravitationslinsen

Neue Informationen präsemtiert das Gaia-Datenpaket auch zu Gravitationslinsen. Diese entstehen, wenn die Gravitation eines massereichen Vordergrundobjekts wie einer Galaxie das Licht eines fernen Hintergrundobjekts verstärkt und vergrößert – beispielsweise von Galaxien aus der Frühzeit des Universums. Das Weltraumteleskop Gaia wurde zwar nicht direkt für die Suche nach solchen Linsen entwickelt, doch mithilfe ihrer spektroskopischen und photometrischen Daten lassen sie sich aufspüren.

Insgesamt identifizierten die Astronomen mithjilfe der Gaia-Daten 381 zuvor unerkanter Gravitationslinsen. “Gaia ist damit die erste Mission, die eine Himmelsdurchmusterung nach Gravitationslinsen in hoher Auflösung erreicht hat“, sagt Christine Ducourant vom Laboratorium für Astrophysik in Bordeaux. „Das ist eine Goldgrube für Kosmologen und die größte Menge an Kandidaten, die jemals auf einmal veröffentlicht wurde.“

veränderliche Sterne
Die Punkte markieren die Position von veränderlichen Sternen, deren Entfernung und Bewegung das Gaia-Teleskop neu kartiert hat. © ESA/Gaia/DPAC, CC BY-SA 3.0 IGO

Interstellares Medium und Rote Riesen

Ein weiteres Datenpaket der Gaia-Veröffentlichung umfasst Informationen zu den spektralen Merkmalen von interstellarem Gas und Staub in unserer Milchstraße. Das Gaia-Team hat dafür sechs Millionen Spektren übereinandergelegt, um diese schwachen Signaturen sichtbar zu machen. Mithilfe dieses Datensatzes können Astronomen Aufschluss darüber gewinnen, welche Atome und Moleküle im interstellaren Medium vorhanden sind. Dies wiederum hilft dabei, mehr über die komplexen physikalischen und chemischen Prozesse in unserer Galaxie zu erfahren.

In einem weiteren Fachartikel beschreiben Astronomen auf Basis neuer Gaia-Daten die Dynamik von 10.000 pulsierenden und binären Roten Riesensternen. Solche Sterne sind von entscheidender Bedeutung, wenn es um die Berechnung kosmischer Entfernungen und der Expansion des Universums geht. Aber auch über die Eigenschaften und den Lebenszyklus von Sternen geben diese Daten Auskunft.

Bahnen von Asteroiden verfolgt

Nicht in die Ferne, sondern ganz in unsere Nähe ging dagegen der Blick des Teleskops in einem weiteren Teil des Focused Product Release: Die neuen Daten verraten mehr über die Positionen und Bewegungen von 156.823 Asteroiden in unserem Sonnensystem. Das Gaia-Teleskop verfolgte dafür die Positionen dieser Gesteinskörper über einen fast doppelt so langen Zeitraum wie bisher. Auf Grundlage dieser Gaia-Beobachtungen lassen sich nun ihre Bahnen rund 20-mal genauer bestimmen als bisher.

Diese Asteroiden-Informationen können dazu beitragen, potenziell gefährliche Erdbahnkreuzer zu identifizieren und zu klären, wie wahrscheinlich ein künftiger Einschlag ist. „Die Mission bietet einen wahrhaft einzigartigen Einblick in das Universum und die Objekte darin“, sagt Prusti. (Gaia Focused Product Release 2023)

Quelle: European Space Agency (ESA)

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