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Astronomie

Astronomen beobachten erstmals Planetenkollision

Zusammenstoß zweier Eisriesen löst erst einen Infrarotschub, dann eine Sternverdunklung aus

Planetenkollision
Astronomen könnten erstmals Zeugen einer Kollision zweier Exoplaneten geworden sein. © gremlin/ Getty images

Katastrophales Ende: Astronomen könnten zum ersten Mal die Kollision zweier Exoplaneten beobachtet haben. Der fatale Zusammenstoß der beiden massereichen Eisplaneten erzeugte zunächst ein Aufleuchten im Infrarotbereich, verursacht durch die Hitze der zerrissenen und größtenteils verdampften Planeten. Dann verdunkelte die sich ausbreitende Wolke der Planetentrümmer allmählich das Licht ihres Zentralsterns, wie die Forschenden in „Nature“ berichten. Sie hoffen, dass sie die Folgen dieser planetaren Kollision in den nächsten Jahren noch genauer verfolgen können.

Junge Planeten leben gefährlich. Denn bis sich die Orbits aller Himmelskörper um ihren Stern stabilisiert haben, drohen immer wieder Kollisionen. Auch im frühen Sonnensystem gab es einige fast fatale Zusammenstöße mit Protoplaneten, unter anderem beim Merkur, dem Uranus oder der Erde. Astronomen haben zudem einige Exoplaneten entdeckt, deren ungewöhnliche Dichten oder fehlende Atmosphären ebenfalls auf eine nur knapp überstandene Kollision hindeuten. Direkt beobachten konnten Astronomen eine solche Planetenkollision allerdings noch nicht.

Kollision
Schon länger vermuten Astronomen, dass es in jungen Planetensystemen häufiger zu Kollisionen kommt. Doch direkt beobachten konnten eine solche planetareKatastrophe bisher nie. © Mark Garlick

Verdunkelter Stern und infrarotes Aufleuchten

Das hat sich nun geändert. Denn ein internationales Team um Matthew Kenworthy vom Observatorium Leiden hat nun erstmals eine solche planetare Kollision direkt mitverfolgt. Anstoß gab die Beobachtung einer plötzlichen Veränderung bei dem jungen, aber ansonsten eher unspektakulären Stern 2MASS J08152329-3859234: Im Dezember 2021 detektierte der All Sky Automated Survey for Supernovae (ASAS-SN) eine starke Verdunklung dieses Sterns – und machte das Team um Kenworthy auf diesen Stern aufmerksam.

Nachdem die Astronomen die Lichtkurve dieser ASASSN-21qj getauften Beobachtung veröffentlicht hatten, wies sie ein Kollege darauf hin, dass dieser Stern sich nicht zum ersten Mal ungewöhnlich verhielt: „Rund 900 Tage vor dem optischen Abschatten zeigte das ASASSN-21qj-System eine bemerkenswerte Aufhellung im Infrarotbereich“, berichtet Kenworthy. „Um ehrlich zu sein, war dies eine ziemliche Überraschung. Mit wurde klar, dass es sich hier um ein ungewöhnliches Ereignis handeln musste.“

Was ist die Ursache?

Um der Sache nachzugehen, werteten die Astronomen nun systematisch Aufnahmen eines optischen Teleskop-Netzwerks und des Infrarot-Satelliten WISE aus, die diese einige Jahre vor und nach dem Abdunkeln vom ASASSN-21qj-System erstellt hatten. Dabei zeigte sich, dass das Aufleuchten im Infrarot nicht vom Stern selbst stammte, sondern von einer neuen Quelle. Diese musste den Daten zufolge rund 1.000 Kelvin heiß sein und einer Größe von rund sieben Sonnenradien entsprechen.

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Doch worum handelte es sich? Einen Ausbruch des Sterns oder eine von ihm aufgeheizte Staubwolke konnten die Forschenden aufgrund der Dauer, Ausdehnung und Temperatur der Infrarotemission schnell ausschließen. Stattdessen passte das merkwürdige Ereignis zu einem anderen Szenario: „Wir gehen davon aus, dass wir hier die Nachwirkungen einer Kollision zwischen zwei Supererden oder Mini-Neptunen sehen“, berichten die Astronomen.

So verriet sich die Planetenkollision.© Las Cumbres Observatory

Kollision zweier Eisriesen

Das bedeutet: Im Orbit um den erst rund 300 Millionen Jahre alten Stern muss es zum katastrophalen Zusammenstoß zweier junger Exoplaneten gekommen sein. Wie die Astronomen ermittelten, waren diese Planeten ursprünglich jeweils rund acht bis neun Erdmassen schwer und umkreisten ihren Stern in einem Abstand von zwei bis 16 astronomischen Einheiten – ihre Umlaufbahnen lägen im Sonnensystem damit zwischen denen des Mars und des Uranus. Durch irgendeine äußere Störung muss einer dieser Eisriesen aus seiner Bahn und auf Kollisionskurs mit seinem Nachbarn geraten sein.

„Solche gigantischen Kollisionen sind die energiereichsten Ereignisse, die ein Planet erfahren kann“, erklären die Astronomen. „Der Zusammenstoß von zwei Planeten dieser Masse setzt eine kinetische Energie von 1033 bis 1034 Joule frei – genug, um die kollidierenden Körper gleich mehrfach zu verdampfen.“ Die beiden Exoplaneten wurden wahrscheinlich vollständig zerstört und verdampft, wie Kenworthy und sein Team berichten.

Simulation der Kollision
Diese Simulation zeigt die Kollision zweier Eisriesen und die Dichte-Entwickung der zentralen Trümmerzone. © Jingyao Dou

Rotierende Glut und verdampfte Trümmer

Bei der Kollision der beiden Exoplaneten entstand zunächst ein dichtes, heißes und schnell rotierendes Gebilde, das ungefähr hundertmal größer war als die beiden ursprünglichen Planeten. Dies könnte das abrupte Aufleuchten von ASASSN-21qj im Infrarotbereich erklären. „Ein solches Objekt mit der Wärmeabstrahlung von rund 1.000 Kelvin würde eine Infrarotstrahlung abgeben, die dem von uns beobachteten entspricht“, schreiben die Astronomen.

Gleichzeitig wurde ein Teil der verdampften Planetentrümmer – rund ein Prozent ihrer ursprünglichen Masse – in den Orbit geschleudert. „Die Abkühlung und Kondensation dieses Dampfes erzeugt eine Population aus kleine Staubkörnchen und erstarrten Sphärulen“, so das Team. Diese Staub- und Trümmerwolke breitet sich im Laufe der folgenden Monate und Jahre wie ein dunkler Gürtel rund um den Stern aus – und verdunkelt sein Licht. Genau dies beobachteten die Astronomen im Dezember 2021.

Neuer Planet und neue Monde

„Es wird faszinierend sein, die weitere Entwicklung mitzuverfolgen“, sagt Koautorin Zoe Leinhardt von der University of Bristol. Sie geht davon aus, dass sich aus der heißen Masse am Kollisionsort ein neuer Planet bilden wird – ähnlich wie auch die junge Erde nach ihrer Kollision mit dem Protoplaneten Theia wieder neu erstand. Die bei der Exoplaneten-Kollision ausgeschleuderte Trümmerwolke wird sich im Laufe der Zeit weiter verteilen und dabei etwas ausdünnen.

Aus diesen Trümmern könnten jedoch ebenfalls neue Himmelkörper werden: „Es könnte sein, dass die Trümmer um das Relikt zu einer Reihe von Monden kondensieren, die dann um den neuentstandenen Planeten kreisen“, sagt Leinhardt. Sie und ihre Kollegen wollen die weitere Entwicklung mit erdbasierten Teleskopen und dem James-Webb-Teleskop weiter beobachten. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06573-9)

Quelle: Nature, University of Bristol

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