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Astronomie

Planeten-Kollision um nahen Stern

Katastrophaler Zusammenstoß könnte ungleiche Exoplaneten-Zwillinge erklären

Planetenkollision
Der katastrophale Zusammenstoß zweier Planeten könnte rätselhafte Unterschiede bei den Erdzwillingen um Kepler-107 erklären. © gremlin/ iStock.com

Kosmische Katastrophe: Astronomen könnten den ersten klaren Beleg für eine Exoplaneten-Kollision gefunden haben. Indizien dafür liefern die rätselhaften Dichteunterschiede zweier Erdzwillinge um den Stern Kepler-107: Obwohl beide gleichgroß sind, ist der Gesteinsplanet Kepler-107c fast doppelt so schwer wie sein Nachbar. Ursache dafür muss eine dramatische Kollision sein, die diesem Exoplaneten einen Großteil seines steinigen Mantels entriss, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten.

Junge Planeten leben gefährlich. Denn bis sich die Orbits aller Himmelskörper um ihren Stern stabilisiert haben, drohen immer wieder Kollisionen. Auch das frühe Sonnensystem hat wahrscheinlich einige solcher katastrophalen Zusammenstöße erlebt. Eine davon könnte den Uranus auf die Seite gekippt haben, ein anderer stoppte vorübergehend die Gasanreicherung des Jupiter. Und auch der Erdmond verdankt seine Existenz der Kollision der jungen Erde mit einem Protoplaneten.

Zwillingsplaneten um Kepler-107

Angesichts dieser dramatischen Geschichte unseres Sonnensystems liegt es nahe, dass ähnliche Kollisionen auch die Entwicklung von Planetensystemen um andere Sterne prägen. Doch eindeutige Belege dafür fehlten bisher. Nun jedoch könnten Aldo Bonomo vom Astrophysikalischen Observatorium in Turin und sein Team einen solchen Beleg gefunden haben – um den rund 1.700 Lichtjahre von uns entfernten Stern Kepler-107.

Dieser Stern wird von vier Planeten relativ eng umkreist – besonders interessant sind aber die beiden innersten Planeten. Denn Kepler-107b und Kepler-107c sind rein äußerlich gesehen fast Zwillinge: Mit rund 1,54 und 1,59 Erdradien sind beide nahezu gleich groß und beides vermutlich Gesteinsplaneten, wie die Astronomen feststellten. Auch ihre Orbits liegen nur wenig auseinander: 107b benötigt 3,18 Tage für einen Umlauf, 107c 4,9 Tage.

Rätselhafte Dichteunterschiede

Das Merkwürdige jedoch: Die beiden Zwillingsplaneten haben überraschend unterschiedliche Massen und Dichten. Das enthüllten Messungen mit dem HARPS-Spektrografen am Galileo-Teleskop in La Palma. Während der innere Planet Kepler-107b rund 3,5 Erdmassen besitzt, ist sein äußerer Nachbar 107c mit 9,3 Erdmassen fast dreimal so schwer. „Das bedeutet, dass sie auch ganz verschiedene Dichten von 5,3 versus 12,6 Gramm pro Kubikzentimeter haben“, so die Forscher.

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Wenn beides Gesteinsplaneten sind, wovon die Astronomen ausgehen, dann müssen sie sich in ihrer inneren Struktur unterscheiden. „Kepler-107c scheint eine Merkur-ähnliche Zusammensetzung zu besitzen, mit einem mindestens doppelt so hohen Eisenanteil wie Kepler107b“, berichten Bonomo und seine Kollegen. Ihren Schätzungen nach könnte der Eisenkern beim schwereren 107c rund 70 Prozent der Masse ausmachen, der silikathaltige Mantel dagegen nur 30 Prozent.

Sternenwind oder Kollision?

Was aber ist der Grund für diese auffallenden Unterschiede? Theoretisch könnte ein besonders starker Sternenwind einem der beiden Planeten einen Teil seiner flüchtigen Substanzen entrissen haben. Dieser Planet hätte dann einen höheren Anteil schwerer, dichter Elemente. „Aber das hätte zu einer höheren Dichte für Kepler-107b statt für 107c führen müssen“, so Bonomo und seine Kollegen. Denn typischerweise sind davon sternennahe innere Planeten stärker betroffen.

Simulation einer frontalen Hochgeschwindigkeitskollision zwischen zwei Planeten.© University of Bristol

Doch es gibt noch ein anderes Szenario: „Alternativ könnte ein gigantischer Einschlag auf Kepler-107c die Dichteunterschiede der beiden Planeten erklären“, berichten die Astronomen. „Simulationen zeigen, dass eine frontale Hochgeschwindigkeits-Kollision zwischen zwei Exoplaneten von jeweils zehn Erdmassen zu einem Planeten mit der Masse und Zusammensetzung von Kepler-107c führen würde.“

Übergroßer Kern und dezimierter Mantel

Die Kollision mit einem Planeten in der Frühzeit von Kepler-107c könnte demnach einen Großteil seines steinigen Mantels weggerissen haben. Übrig blieb dann ein deutlich kleinerer Planet mit einem übergroßen Eisenkern. Auch der Merkur in unserem eigenen Sonnensystem soll der gängigen Theorie nach seinen übergroßen Kern einer katastrophalen Kollision verdanken.

„Diese Entdeckung bestätigt frühere theoretische Arbeiten, nach denen gewaltige Kollisionen zwischen Planeten eine Rolle bei der Planetenbildung spielen“, sagt Koautor Li Zeng vom Harvard Smithsonian Center für Astrophysics (CfA). Die Astronomen hoffen, unter anderem mit dem Weltraumteleskop TESS künftig noch weitere Beispiele für solche Kollisionen zu finden. (Natute Astronomy, 2019; doi: 10.1038/s41550-018-0684-9)

Quelle: Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

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