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Geowissen

Mittelgebirge sind überraschend gute CO2-Senken

CO2-bindende Verwitterung erreicht bei mäßiger Erosion ein Optimum

Mittelgebirge (Harz)
Mittelgebirge schlucken durch ihre Gesteinsverwitterung mehr CO2 als Hochgebirge wie die Alpen. Hier ein Blick auf die aus Granitfelsen bestehende Teufelsmauer im Harz. © rpeters86/ iStock

Überraschende Entdeckung: Mittelgebirge sind die wichtigsten Helfer gegen überschüssiges Kohlendioxid in unserer Atmosphäre. Denn sie binden mehr CO2 als die zerklüfteten Hochgebirge, wie nun eine Studie enthüllt. Demnach erreicht die CO2-bindende Silikatverwitterung bei den mäßigen Erosionsraten der Mittelgebirge ein Optimum. Bei starker Erosion wie im Hochgebirge sinkt dagegen die CO2-Aufnahme wieder, wie die Forschenden in „Science“ berichten.

Der Kohlenstoffkreislauf und damit auch das Klima unseres Planeten werden durch ein geochemisches „Thermostat“ reguliert. Das komplexe Wechselspiel von irdischen CO2-Quellen, Senken und ihren Rückkopplungen sorgt dabei für ein stabiles Gleichgewicht. Eine entscheidende Rolle dafür spielen die Erosion und chemische Verwitterung von Gesteinen. Je nach Mineral können die damit verknüpften Reaktionen entweder Kohlendioxid aus der Luft binden oder es in die Atmosphäre freisetzen.

Hochgebirge
In steilen, jungen Hochgebirgen wie den Alpen ist die Erosion besonders hoch. Aber was bedeutet dies für die CO2-Bindung durch die chemische Verwitterung? © Mikhailov/ iStock

Auf die Art der Verwitterung kommt es an

„Bei der Verwitterung von Silikaten wird der Atmosphäre Kohlenstoff entzogen und später als Kalk ausgefällt“, erklärt Seniorautor Niels Hovius vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam. Diese vor allem in Basalt und Granitgesteinen ablaufende CO2-Mineralisierung ist daher ein wichtiger Gegenspieler des Treibhauseffekts. „Andere Verbindungen dagegen, etwa Karbonate und Sulfide oder im Stein enthaltener organischer Kohlenstoff, setzen bei ihrer Verwitterung CO2 frei“, so Hovius weiter.

Doch was bestimmt, welcher dieser Prozesse überwiegt? Gängiger Ansicht nach spielt neben der Gesteinsart und dem Wetter  die Erosion eine wichtige Rolle – wenn sie höher ist, verstärkt sich auch die chemische Verwitterung. Deshalb galten vor allem die steilen, stark von Erosion geprägten Hochgebirge als Hotspots der Verwitterung und auch der CO2-Bindung. Doch es gibt auch Hinweise darauf, dass Carbonate und Sulfide die Verwitterung aktiver Gebirgszüge dominieren – selbst dann, wenn sie nur einen geringen Anteil am dortigen Gestein haben.

„Bei der Frage, welchen Effekt Erosion und Gebirgsbildung auf die Kohlenstoffbilanz haben, gibt es daher einige Komplikationen“, erklärt Hovius.

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Es gibt ein Optimum

Um mehr Klarheit zu schaffen, hat ein Team um Hovius und Erstautor Aaron Bufe von der Ludwig-Maximilians-Universität München nun die Wechselbeziehungen von Erosion, Verwitterung und CO2-Freisetzung noch einmal genauer analysiert. Mithilfe von geophysikalischen Verwitterungsmodellen untersuchten sie die verschiedenen Parameter am Beispiel von drei Regionen mit unterschiedlichen Zusammensetzungen und Erosionsraten: dem Tibet-Plateau, den neuseeländischen Südalpen und dem Süden Taiwans.

Die Analysen enthüllten: Anders als gedacht ist der Zusammenhang zwischen Erosionsrate und CO2-Bilanz nicht linear. Stattdessen erreicht die verwitterungsbedingte CO2-Bindung bei einer eher gemäßigten Erosionsrate von 0,1 Millimeter pro Jahr ein Optimum. Ist die Erosion dagegen stärker oder schwächer als dieser Wert, wird durch Verwitterung weniger Kohlendioxid gespeichert oder sogar zunehmend CO2 freigesetzt.

Mittelgebirge sind die besten CO2-Schlucker

Das aber bedeutet: Die effizientesten Gegenspieler der CO2-Emissionen sind nicht etwa die stark erodierenden Hochgebirge, sondern die vergleichsweisen sanften Erhebungen der Mittelgebirge. Denn ihre nur moderaten Erosionsraten bewegen sich nahe am Optimum der CO2-Bindung, wie die Forscher ermittelten. Hierzulande sind demnach Schwarzwald, Bayrischer Wald oder Harz größere CO2-Schlucker als die Alpen.

Aaron Bufe
Aaron Bufe hat die Einflussfaktoren der Gesteinsverwitterung untersucht. © : C. Trepmann/ Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

Der Grund dafür: Carbonate und Sulfide verwittern besonders schnell, ihr Abbau ist daher vor allem in jungen, stark von Erosion geprägten Gebirgen aktiv. „Hohe Erosionsraten wie in Taiwan oder dem Himalaya treiben das System in Richtung einer CO2-Quelle, weil die Silikatverwitterung bei steigenden Erosionsraten irgendwann nicht mehr ansteigt, während die Verwitterung von Karbonaten und Sulfiden noch weiter zunimmt“, erklärt Bufe.

Anders ist dies in den meist weit älteren Mittelgebirgen: In ihnen sind die schnell verwitternden Karbonate und Sulfide schon weitgehend verbraucht. Die langsamere Silikatverwitterung hat dagegen noch genügend Mineralnachschub, um in hohem Maße weiterzulaufen. Netto überwiegen daher in den Mittelgebirgen die CO2-bindenden Reaktionen.

Erdoberfläche ist (noch) eine CO2-Senke

Diese neuen Erkenntnisse erklären auch die teils widersprüchlichen Ergebnisse früherer Studien zum CO2-Effekt der Verwitterung. „Das Konzept eines Erosions-Optimums für die CO2-Bindung versöhnt die widerstreitenden Sichtweisen dazu, wie sich die Gebirgsbildung auf den Kohlenstoffkreislauf auswirkt“, schreiben Bufe und seine Kollegen. Zudem ermögliche dies nun genauere Schätzungen darüber, wie tektonische Veränderungen die geologischen CO2-Flüsse beeinflussen.

So zeigen die Auswertungen weltweiter Erosionsraten beispielsweise, dass diese seit Ende der Kreidezeit vor rund 66 Millionen Jahren im Schnitt bei 0,07 Millimetern pro Jahr lagen – nur wenig unter dem für die Silikatverwitterung optimalen Wert. Netto schlucken die irdischen Landflächen und Meeresgründe demnach mehr Kohlendioxid als sie abgeben.

Leider reicht diese natürliche Senke aber nicht aus, um den anthropogenen CO2-Ausstoß auszugleichen. Deswegen gibt es Überlegungen, die Silikatverwitterung künstlich weiter anzuregen – indem man mehr geeignete Minerale in Kontakt mit der Luft bringt. Möglich wäre dies beispielsweise durch das Ausbringen zermahlenen Basaltgesteins auf Feldern und anderen Freiflächen oder auch durch das Einleiten von CO2 in Untergrundgestein im Rahmen des Carbon Capture and Storage (CCS).
(Science, 2024; doi: 10.1126/science.adk0957)

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)

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