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Geowissen

Verwitterung als Thermostat der Erde

Modell quantifiziert Temperaturabhängigkeit der CO2-Bindung im Gestein

Karstverwitterung
Die chemische Verwitterung hat hier tiefe Rinnen in das Gestein gegraben. Dieser Prozess formt nicht nur Landschaften, er hat auch eine wichtige Funktion als Klimapuffer. © Stepo/ Getty images

Geochemischer Klimaschutz: Die chemische Verwitterung bindet CO2 im Gestein und bildet seit Jahrmillionen einen wichtigen Klimapuffer der Erde. Wie die Verwitterung auf steigende Temperaturen reagiert und welche Faktoren ihre globale Intensität bestimmen, haben nun Forschende erstmals umfassend quantifiziert. Demnach verstärkt sich die CO2-Aufnahme der Verwitterung im Schnitt für jedes Grad mehr um 3,2 Prozent. In weiten Teilen der Erdoberfläche ist diese Rückkopplung aber durch Wassermangel und das Fehlen von freiliegendem Gestein blockiert, wie das Team in „Science“ berichtet.

Ohne die Verwitterung wäre die Erde ein Treibhausplanet. Denn im Laufe der Jahrmilliarden haben Vulkane genügend Kohlendioxid freigesetzt, um den CO2-Gehalt der Atmosphäre gegenüber den heutigen Werten zu verdreifachen. Verhindert hat dies die chemische Verwitterung von basaltischen und granitischen Gesteinen. Bei diesem chemischen Prozess löst sich CO2 in Regenwasser und bildet Kohlensäure. Diese löst Silikatminerale aus dem Gestein und reagiert mit ihnen unter Bindung von CO2 zu Karbonaten. Über die Flüsse gelangen diese Verwitterungsprodukte ins Meer und lagern sich als Sediment am Meeresgrund ab.

Verwitterungslöcher
Die chemische Verwitterung durch kohlensäurehaltiges Wasser frisst Löcher und Höhlungen in den Kalkstein, hier in den Diamond-Höhlen in den USA. © James St. John/ CC-by 2.0

Wie Verwitterung das Klima beeinflusst

Damit fungiert die Verwitterung als wichtiger Gegenspieler zum CO2-Austoß von Vulkanen und anderen Prozessen. Denn sie entfernt das Treibhausgas Kohlendioxid aus dem Kohlenstoffkreislauf und wirkt damit kühlend. „Das Entscheidende daran ist, dass die Verwitterung und ihre CO2-Bindung stärker werden, wenn mehr CO2 in der Luft ist und der Planet wärmer wird“, erklärt Erstautorin Susan Brantley von der Pennsylvania State University. „Ist es hingegen kühler, verlangsamt sich auch die Verwitterung.“

Diese Rückkopplung erzeugt ein Gleichgewicht aus CO2-Emissionen und CO2-Bindung und hat das Erdklima über Jahrmilliarden stabilisiert – ohne sie wäre die Erde längst nicht mehr lebensfreundlich. Wie groß der Einfluss der Verwitterung ist, belegen die Phasen der Erdgeschichte, in denen dieses Gleichgewicht in Schieflage geriet: Sowohl die Vereisung der Antarktis als auch mehrere globale Vereisungen im Erdaltertum und Erdmittelter könnten durch übermäßige Verwitterung in Folge tektonischer Prozesse ausgelöst worden sein.

Wie stark reagiert das „Thermostat“ auf Erwärmung?

„Die Silikatverwitterung wirkt damit als Thermostat der Erde“, erklärt Brantley. Sie hätte damit theoretisch auch das Potenzial, die aktuelle Klimaerwärmung zumindest auf lange Sicht hin abzupuffern. Das Problem jedoch: Wie stark sich die Verwitterung bei Erwärmung verstärkt, war bislang unklar. „Die Sensitivität könnte bei nur zwei Prozent mehr pro Grad liegen oder auch bei 20 Prozent pro Grad“, erklärt das Forschungsteam. Denn Laborversuche können die komplexen und langfristigen Wechselwirkungen nicht vollständig abbilden.

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Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Brantley und ihr Team nun versucht, ein umfassendes Modell der klimatischen und geochemischen Einflüsse auf die Verwitterung und ihre Temperatur-Reaktion zu erstellen. Dafür werteten sie die Ergebnisse von Laborversuchen mit verschiedenen granitischen und basaltischen Mineralen aus und bezogen Messdaten von 45 Bodenprofilen und Flusssystemen weltweit ein. Über diese Daten und die Arrhenius-Gleichung zur temperaturabhängigen Reaktionsgeschwindigkeit erstellten sie ihr Modell.

Klimasensitivität durch zwei Faktoren eingeschränkt

Die Analysen enthüllten: Betrachtet man nur die vom Tempo der Verwitterung abhängige CO2-Bindung, dann zeigen granitische und basaltische Gesteine eine Klimasensitivität von rund 13 Prozent pro Grad. Mit jedem Grad Erwärmung nimmt die Pufferwirkung der chemischen Verwitterung demnach um rund 13 Prozent zu. „Aber erst wenn man die räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten mit berücksichtigt, sieht man, was tatsächlich wichtig ist“, sagt Brantley.

Denn die Rückkopplung zwischen Temperatur und Verwitterung wird durch zwei Faktoren stark eingeschränkt. Der erste Faktor ist die für eine Verwitterung geeignete Oberfläche: Nur dort, wo Fels freiliegt und nicht durch dicke Sedimentschichten abgeschirmt ist, kann das Gestein verwittern. Das ist unter anderem in Gebirgsregionen der Fall oder dort, wo durch tektonische oder geologische Prozesse das Untergrundgestein frisch zutage tritt.

Der zweite limitierende Faktor ist das Wasser: Chemische Verwitterung kommt nur dort effektiv in Gang, wo genügend Regenwasser vorhanden ist, um CO2 in Form von Kohlensäure aufzunehmen und so die CO2-bindenden Reaktionen im Gestein zu ermöglichen. Weite Teile der irdischen Landflächen, darunter Wüsten und trockene Gebirgszüge, haben zwar genügend freiliegenden Fels, sind aber viel zu trocken für eine chemische Verwitterung.

Rückkopplung wirkt nur begrenzt

„Insgesamt unterstreicht unser Modell, dass große Teile des Globus zu trocken oder zu stark von Bodenschichten abgeschirmt sind“, berichten Brantley und ihre Kollegen. Dort kann die Verwitterung bei einer Erwärmung daher nicht mehr zunehmen – die Rückkopplung ist gestört. Berücksichtigt man diese „blockierten“ Flächen, sinkt die Klimasensitivität der Verwitterung im globalen Maßstab auf rund 3,2 Prozent pro Grad, wie das Team ermittelt hat.

Das bedeutet: Das natürliche Thermostat der Erde existiert zwar noch und springt bei einer Erwärmung auch an. Es reagiert aber zu schwach und zu langsam, um die anthropogene Erwärmung kurz- und mittelfristig bremsen oder aufhalten zu können. „Das Thermostat funktioniert, aber das Problem ist, dass es ein sehr langsamer Prozess ist“, erklärt Brantley. Es würde tausende bis hunderttausende Jahre dauern, um den menschengemachten CO2-Anstieg allein durch die natürliche Verwitterung wieder auszugleichen.

Was bedeutet dies für das Geoengineering?

Relevant ist dies auch für das Geoengineering: „Wenn wir versuchen wollen, die Verwitterung durch Ausbringen gemahlenen Basalts zu verstärken, müssen wir diese Faktoren im Auge behalten“, betonen die Forschenden. Schon länger wird diskutiert und erforscht, inwieweit man diese geochemische CO2-Bindung als Mittel gegen den Klimawandel einsetzen könnte – beispielsweise indem man Basaltstaub auf nährstoffarmen Böden verstreut oder Ozeane mit Kalk „düngt“.

Allerdings wäre diese Methode der geochemischen CO2-Bindung aufwendig und hätten negative Folgen für Ökologie, Flüsse und Meere, wie schon frühere Studien ergeben haben. Brantley und ihr Team bestätigen nun, dass eine solche künstlich verstärkte Verwitterung nur in bestimmten Gebieten funktionieren könnte – und dass der erzielte Effekt erst unseren Urururenkeln zugutekommen würde – wenn überhaupt. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.add2922)

Quelle: Science, Penn State

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