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Geowissen

Ist der Erdkern jünger als gedacht?

Der innere Erdkern könnte erst vor rund 550 Millionen Jahren erstarrt sein

Erdkern
Wann der innere Erdkern erstarrte, ist bisher strittig. Jetzt gibt es Indizien für eine sehr späte Kristallisation. © Johannes Gerhardus/ iStock.com

Überraschend jung: Der innere Kern der Erde könnte erst vor gut 550 Millionen Jahren erstarrt sein – und das gerade noch rechtzeitig. Denn Analysen von Gesteins-Einschlüssen aus jener Zeit deuten darauf hin, dass das Erdmagnetfeld damals kurz vor dem Kollaps stand. Erst durch die Bildung des inneren festen Kerns bekam der Geodynamo wieder genug Energie, um das Magnetfeld aufrechtzuerhalten, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.

Der Kern unseres Planeten ist zweigeteilt: Ein fester innerer Kern aus einer Eisen-Nickel-Mischung ist von einem äußeren Kern aus flüssigem Metall umgeben. Diese Kombination bildet heute den Dynamo für das irdische Magnetfeld. Doch seit wann existiert der innere Erdkern? Dazu gibt es bisher widersprüchliche Angaben. Während einige Studien für ein frühes Erstarren des inneren Kerns vor rund drei Milliarden Jahren sprechen, deuten andere auf ein Auskristallisieren des Kerns erst vor 1,3 Milliarden Jahren oder sogar erst vor rund 500 Millionen Jahren hin.

Urzeitliche Kristalle als Zeitzeugen

Neue Indizien für einen überraschend jungen inneren Erdkern präsentieren nun John Tarduno von der University of Rochester und sein Team. Für ihre Studie hatten sie kristalline Einschlüsse in Gesteinsproben aus dem Osten der kanadischen Provinz Quebec analysiert. Die winzigen Silikat-Kristalle in diesem Gestein sind rund 565 Millionen Jahre alt und stammen damit aus dem Ediacarium – einer für ihre ungewöhnliche Organismenwelt und die Entwicklung früher Mehrzeller bekannten Epoche.

Die Analysen enthüllten: Die Kristalle aus dem Ediacarium waren mit nur 8,7 Mikrotesla ungewöhnlich schwach magnetisiert. Das deutet darauf hin, dass das Erdmagnetfeld damals nur ein Zehntel der heutigen Stärke aufwies, wie die Forscher berichten. Gleichzeitig sprechen Analysen weiterer Gesteinsproben aus dieser Zeit dafür, dass das magnetische Feld damals ungewöhnlich oft seine Richtung wechselte.

Kurz vor dem Kollaps

„Der Geodynamo existierte demnach damals schon, befand sich aber in einem außergewöhnlichen Zustand“, sagen Tarduno und seine Kollegen. „Unsere neuen Daten und andere Beobachtungen sprechen dafür, dass der Geodynamo damals kurz vor einem Kollaps stand.“ Demnach scheint die Feldstärke des Erdmagnetfelds von der Frühzeit der Erde bis zum Ediacarium allmählich immer weiter abgesunken zu sein. 75.000 Jahre lang folgte dann sogar eine Phase extremer Anomalien.

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Die mögliche Ursache dafür könnte im Erdkern liegen: „Modellsimulationen sagen einen sehr schwachen Feldstatus für die Zeit voraus, in der sich der innere Erdkern bildete“, erklären die Forscher. Demnach kam es kurz vor dem Auskristallisieren des flüssigen Kernmaterials zu grundlegenden Veränderungen in den Strömungen des flüssigen Eisens – und dadurch zunächst zu einer Schwächung des Erdmagnetfelds.

Flüssiger Kern bis vor rund 600 Millionen Jahren?

Das aber bedeutet: Bis zum Ediacarium könnte der innere Erdkern noch weitgehend flüssig gewesen sein. Erst vor rund 600 bis 500 Millionen Jahren begann er dann allmählich, zu erstarren. Sollte sich dies bestätigen, wäre der innere Erdkern zwei- bis dreimal jünger als es viele Modelle bisher angenommen haben. Erst als der innere Kern herangewachsen war, stabilisierten sich die Bedingungen wieder und der Geodynamo erhielt sogar einen zusätzlichen Energieschub durch die freiwerdende Kristallisationswärme und die sich verstärkenden Kernströmungen.

„Die Nukleation des inneren Kerns könnte gerade noch rechtzeitig gekommen sein, um den Geodynamo wieder aufzuladen“, schreibt Peter Driscoll von der Carnegie Institution für Science in einem begleitenden Kommentar. „Das könnte den magnetischen Schutzschild der Erde gerettet haben.“

Effekt auf die Evolution?

Gleichzeitig könnte die Schwächephase der Magnetfelds im Ediacarium möglicherweise erklären, warum gerade damals so viele neuartige und bizarre Lebensformen entstanden. „Dieses ultraschwache Magnetschild ausgerechnet im Ediacarium ist faszinierend“, sagen Tarduno und sein Team. „Allerdings sind Annahmen dazu, dass ein geschwächtes Magnetfeld einen Effekt auf die profunden Veränderungen in der Evolution der Tiere in dieser Ära hatte, bisher umstritten.“ (Nature Geoscience, 2019; doi: 10.1038/s41561-018-0288-0)

Quelle: Nature Geoscience

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