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Paläontologie

Glutlawinen brachten den Tod

Forscher enträtseln die Ursache für ein chinesisches Pompeji der Paläontologie

Fossilien aus Jehol: Gut konserviert und in einer typischen Haltung: Beine angezogen und Rücken gestreckt. Dies ist typisch für Opfer von Glutlawinen. © Baoyu Jiang

Eine glühende Lawine aus Asche und Vulkangas brachte ihnen den Tod: Forscher haben herausgefunden, warum die Fossilien in der Jehol-Lagerstätte im Westen Chinas so außergewöhnlich gut erhalten ist – und wie diese Kreidezeit-Tiere starben. Die seltsame Haltung der Fossilien, Kohlereste und eine Aschenschicht deuten auf eine urzeitliche Vulkankatastrophe hin, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Für Paläontologen ist die Jehol-Lagerstätte in der Liaoning-Provinz Chinas ein Paradies. Hier sind die Fossilien von Dinosauriern, frühen Säugern, Vögeln und unzähligen anderen Lebewesen so gut erhalten wie kaum irgendwo sonst. Dicht an dicht liegen sie – teilweise noch mitsamt Haut, Federn oder Haaren – in ihrem steinigen Totenbett. Ihre Funde geben einen wertvollen Einblick in das Leben in dieser Region vor 120 bis 130 Millionen Jahren.

Doch die Bewohner der einst fruchtbaren Landschaft mit Nadelwäldern und zahlreichen Seen lebten gefährlich: Die sie umgebenden Berge waren Vulkane – und sehr aktive noch dazu. Davon zeugen noch heute Ablagerungen von vulkanischem Tuffstein aus dieser Zeit, viele Fossilien sind in diesen Schichten eingeschlossen. Lange schon gingen Paläontologen daher davon aus, dass Eruptionen viele dieser Tiere getötet und begraben haben müssen.

Gemischtes Massengrab

Ungeklärt blieb bisher allerdings, wie genau die kreidezeitlichen Bewohner dieses Gebiets starben: Welcher vulkanische Prozess konnte dafür gesorgt haben, dass auf einen Schlag sowohl Tiere des Waldes und der Steppen, als auch Vögel und Seebewohner den Tod fanden? „Obwohl all diese Tiere in ganz verschiedenen Habitaten der Region lebten, findet man ihre Überreste eng beieinander wie in einem gemischten Massengrab“, erklären Baoyu Jiang von der Nanjing Universität und seine Kollegen. Fossilien von Süßwasserorganismen und Landbewohnern liegen zusammen in einem Bodenhorizont

Aufnahmen im Elektronenmikroskop zeigen verkohlte Gewebeteile an der Oberfläche der Fossilien. © Baoyu Jiang

Die Forscher sehen in dieser wilden Mischung einen klaren Hinweis auf ein Massensterben. Um herauszufinden, was die Ursache gewesen sein könnte, untersuchten und verglichen sie gezielt Fossilien aus verschiedenen Bereichen der relativ ausgedehnten Lagerstätte. Sie analysierten dabei sowohl deren Haltung und die Position der Überreste im Gestein als auch die chemische Zusammensetzung der sie umgebenden Gesteinshüllen.

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Verräterische Boxer-Pose

Eine auffallende Gemeinsamkeit der Fossilien fiel dabei schnell auf: Die Relikte der Wirbeltiere waren meist noch vollkommen intakt und lagen auf dem Rücken oder auf der Seite in einer charakteristischen Pose: Gliedmaßen gekrümmt und eng an den Körper gezogen, die Wirbelsäule extrem gestreckt.

„Diese Position ist typisch für Opfer von Bränden oder glühenden Aschenströmen“, erklären Jiang und seine Kollegen. Die Hitze führt dazu, dass sich die Sehnen und Muskeln nach dem Tod stark verkürzen, das erzeugt diese typische, Boxer-ähnliche Pose. Dazu passt auch, dass die Fossilien von einem dünnen, dunklen Überzug bedeckt waren, der sich in chemischen Analysen als verkohltes Gewebe erwies.

Ein pyroklastischer Strom rast die Hänge des Vulkans Mayon auf den Philippinen hinab. © USGS

Von tödlicher Glutlawine überrascht

Nach Ansicht der Forscher müssen diese Verkohlungen entstanden sein, als heiße Vulkanasche die Tiere innerhalb kürzester Zeit einhüllte – wie es bei einem sogenannten pyroklastischen Strom typisch ist. Ein pyroklastischer Strom ist bei einem Vulkanausbruch eine tödliche Gefahr. Denn die Lawine aus Gas, glühendem Staub und Asche rast mit bis zu 700 Kilometern pro Stunde zu Tal. Ihre Wucht pulverisiert alles in ihrem Weg liegende und sie rast selbst über große Wasserflächen hinweg ohne einzusinken.

Diese enorme Kraft könnte nach Ansicht von Jiang und seinen Kollegen auch erklären, warum in der Jehol-Lagerstätten die unterschiedlichsten Lebensformen so wild durcheinander gewürfelt liegen: „Die pyroklastischen Ströme umschlossen die Tiere, transportierten sie mit sich ins Tal und begruben sie dann schließlich“, so die Forscher. Die Glutlawinen erreichten dabei auch die Seen und spülten so sowohl Land- als auch Wassertiere an den jeweils tiefsten Stellen zusammen. Die feinen Aschenpartikel umgaben die Überreste und bildeten eine schützende Hülle – ähnlich wie bei den Opfern des Vulkanausbruchs von Pompeji.

Diese Funde lösen damit das Rätsel, warum die Jehol-Lagerstätte so viele unterschiedliche, gut erhaltene Fossilien in sich birgt: Sie alle wurden Opfer von pyroklastischen Strömen, einer bis heute extrem gefährlichen und tödlichen Form vulkanischer Ausbrüche. Die Bewohner des Kreidezeit-Paradieses von Jehol lebten im Schatten gleich mehrerer Vulkane und waren daher dieser Gefahr permanent ausgesetzt. Ihr Tod durch die glühenden Aschenströme aber machte sie auf makabre Weise unsterblich. Denn ihre Überreste liefern uns heute, Millionen Jahre später, einen einzigartigen Einblick in die Lebenswelt der Kreidezeit. (Nature Communications, 2014; doi: 10.1038/ncomms4151)

(wissenschaft.de, 05.02.2014 – NPO)

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