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Energie

Wenn der Zug das Elektroauto lädt

Projekt erforscht Autoreisezug als alternative Lade- und Transportmöglichkeit für Elektroautos

Autozug
Der klassische Autoreisezug könnte zu einer rollenden Ladestation umfunktioniert werden. © Lya_Cattel/ Getty images

Laden statt selbstfahren: Im Projekt RailCharge erforschen Wissenschaftler eine ungewöhnliche Lösung für das Reichweitenproblem der Elektroautos – die Fahrt mit dem Ladezug. Dabei wird der Autoreisezug mit dem Laden der Elektrofahrzeuge kombiniert. Das Auto wird während der Zugfahrt über das Bahnstromnetz aufgeladen und ist so am Zielort vollgetankt und fahrbereit. Gleichzeitig könnte dieses Laden per Zugstrom das Stromnetz entlasten.

Die Elektromobilität gilt als wichtiger Baustein für künftige Verkehrskonzepte. Allerdings hapert es bisher noch mit der Reichweite der Elektroautos und mit der Ladeinfrastruktur. Gerade auf längeren Strecken führt dies zu teils langen Verzögerungen und erheblich mehr Aufwand und Stress. Zwar tüfteln Wissenschaftler bereits an leistungsfähigeren Batterien oder Techniken zum induktiven Laden während der Fahrt, aber diese Technologien sind noch experimentell.

Zug und E-Auto in Kombination

An diesem Punkt setzt das Projekt RailCharge der Technischen Universität Graz an. In ihm untersuchen Forscher um Armin Buchroithner die Möglichkeit, auf längeren Strecken, wie beispielsweise einer Urlaubsreise, Zugfahren und Elektroauto auf neue Weise zu kombinieren. Die Idee: den Autoreisezug zu nutzen, um die Elektroautos während der Fahrt über das Zugstromnetz aufzuladen. Dies würde die Flexibilität und Individualität eines elektrifizierten PKW am Start- und Zielort erhalten, aber das Reichweitenproblem lösen.

Aus dieser Kombination ergeben sich einige Vorteile: Auf den meisten Strecken ist die Bahn schneller als ein Auto, außerdem werden die transportierten Elektroautos über das Energiemanagementsystem des Zuges geladen, das über ein eigenes Stromnetz versorgt wird. Das würde auch das öffentliche Stromnetz entlasten. „Und wenn man Roll- und Luftwiderstand auf Kilometertonne oder einen Passagier aufrechnet, ist es mit der Bahn auch deutlich effizienter“, sagt Buchroithner.

Für lange Strecken wie Urlaubsreisen sinnvoll

Das Ziel des Projekts ist es jedoch nicht den gesamten Autoverkehr auf die Schiene zu verlegen, sondern das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen. So wäre das Laden per Zug auf kürzeren Strecken wie dem Pendeln wenig sinnvoll, da allein das Verladen der Autos zu viel Zeit frisst. Anders sieht dies bei längeren Strecken wie der Urlaubsreise aus: In den Hauptreisewochen ließe sich ein Zug anbieten, auf dem Reisende ihre Elektroautos abstellen, die Fahrt in einem Abteil verbringen und dann mit einem vollgeladenen Fahrzeug nahe ihrer Urlaubsdestination ankommen.

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„Da kann ich das zeitlich begrenzt machen, verkaufe vorher die Tickets, es ist technologisch überschaubar und ich habe lange Zeiten, in denen ich die Akkus laden kann“, erklärt Buchroithner. „Ich bekomme die Auto-Akkus recht einfach voll, weil ich auf der längeren Fahrt keine unglaublichen Leistungen brauche.“

Laden über den Unterboden

Allerdings würde ein solcher Autoladezug einige Anpassungen erfordern, an denen die Forscher im Projekt RailCharge zurzeit arbeiten. So muss das Energiemanagement des Zuges an die Spannungsniveaus und Frequenzen der gängigen Ladesäulentechnologie angepasst werden. Zudem müssen Elektroauto und die Stromversorgung des Zugs über spezielle Verbindungen gekoppelt werden, weil die klassische Ladekabel durch die Vibrationen bei der Zugfahrt am Lack scheuern könnten.

Buchroithner und sein Team haben dafür bereits eine passende Schnittstelle entwickelt, die sich am Unterboden des Fahrzeuges befindet. Von dort fährt ein nachrüstbarer, flexibler Rüssel auf eine Ladeplattform am Boden des Zuges und bezieht darüber den Ladestrom. Damit entfällt auch das Risiko, durch verlegte Kabel Stolperfallen im Autowagon zu haben.

Neue Waggons und Verlademethoden nötig

Eine weitere Herausforderung ist die Waggonarchitektur: Sie muss so angepasst werden, dass die Elektrofahrzuge schneller auf- und abgeladen werden können als bisher bei Autoreisezügen oder Autotransport-Güterzügen üblich. Soll der Zug wie die gängigen ICEs mit hohen Geschwindigkeiten von 300 Kilometern pro Stunde fahren, wären zudem geschlossenen Autowaggons nötig – sonst würde der Luftdruck bei Einfahrt in einen Tunnel die Autoscheiben bersten lassen. „Aktuell gibt es keine Wagons, die dafür vorgesehen wären“, sagt Buchroithner.

Um zu ermitteln, welche Anpassungen machbar und mit den aktuellen Normen und Zertifizierungen im Bahnwesen vereinbar wären, arbeiten die Wissenschaftler der TU Graz eng mit den Unternehmen SSC Railtech und Rail Competence und Certification GmbH zusammen. Beide haben Erfahrung mit der Entwicklung von Waggondesigns und Ladelösungen, was die Entwicklung realistisch umsetzbarer Konzepte erleichtert.

„Was mir persönlich vorschwebt, wäre ein Technologiedemonstrator in Form eines Wagons, der auf einer Teststrecke unterwegs ist“, sagt Buchroithner. „Vielleicht auch eine Strecke mit einem Grenzübergang. Es wäre schön, wenn man darstellen kann, dass das etwa bei einer Fahrt von Wien nach Dresden oder Leipzig möglich ist. Im Wesentlichen soll gezeigt werden, dass es möglich ist, Fahrzeuge unterschiedlicher Topologie auf der Schiene zu laden und sie kommen vollgeladen an.“

Quelle: Technische Universität Graz

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