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Erdgeschichte

Wie Blütenpflanzen den „Dinokiller“ überlebten

Stammbaumanalyse belegt überraschende Resilienz der Angiospermen beim Massenaussterben

Asteroideneinschlag
Der Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren ließ drei Viertel aller Arten auf der Erde aussterben. © guvendemir/ iStock

Robuste Überlebenskünstler: Anders als die Dinosaurier und 75 Prozent der urzeitlichen Lebenswelt überstanden die Blütenpflanzen den Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren überraschend gut – trotz Schockwellen, Feuer und Dauerdunkel. Zwar starben damals viele einzelne Pflanzenarten aus, aber die übergeordnete Vielfalt der Angiospermen blieb erhalten, wie eine Analyse nun belegt. Demnach stutzte das Massenaussterben nur die kleinsten Zweige des Blütenpflanzen-Stammbaums, ließ aber die tragenden Äste intakt.

Vor 66 Millionen Jahren löste der Einschlag des Chicxulub-Asteroiden eine globale Katastrophe aus und beendete die Ära der Dinosaurier. Innerhalb weniger Stunden vernichteten Schockwellen, gewaltige Brände und Tsunamis einen Großteil der Lebewesen an Land, darunter auch die Dinosaurier. Durch den Rauch und die beim Einschlag freigesetzten Gase bildete sich ein dichter Aerosolschleier um die Erde, der eine jahrelange Zeit des Dauerdunkels und der Kälte folgen ließ.

Dinoaurier und Asteroid
Das Massenaussterben rottete die Dinosaurier aus, doch wie stark es die Blütenpflanzen traf, war bisher weniger eindeutig.© estt/ Getty images

Widersprüchliche Fossildaten

Das Merkwürdige jedoch: Bei diesem Massenaussterben starben zwar rund 75 aller Tierarten weltweit aus, bei den Pflanzen waren die Verluste dagegen weniger deutlich. Fossilfunde und Pollenanalysen legen nahe, dass die Vegetation nach der Katastrophe vor allem in Nord- und Südamerika stark zurückging. In anderen Regionen zeigen die paläontologischen Funde hingegen keine dramatischen Einbrüche – obwohl die Pflanzen eigentlich überall unter Feuer, Kälte und Dauerdunkel gelitten haben müssten.

Doch wie verlässlich diese Fossildaten sind, war bisher strittig. Denn ob von einer Pflanzenart Relikte gefunden werden oder nicht, hängt auch von der Konservierung der Fossilien und den lokalen geologischen und klimatischen Umständen ab. Dies kann daher den Blick auf die Verbreitung und Häufigkeit von Arten in vergangenen Lebenswelten verzerren.

Um mehr Klarheit zu schaffen, haben sich zwei Evolutionsbiologen die Auswirkungen des kreidezeitlichen Massenaussterbens auf die Blütenpflanzen auf andere Weise angeschaut. Dafür analysierten Jamie Thompson von der University of Bath und Santiago Ramírez-Barahona von der Autonomen Nationaluniversität Mexiko die Verwandtschaftsbeziehungen von gut 700.000 Blütenpflanzen-Arten auf Basis von Genvergleichen. Daraus ermittelten sie, welche Äste und Zweige der Angiospermen auf Überlebende des Massenaussterbens zurückgehen und welche sich erst später entwickelten.

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Hauptäste im Stammbaum überlebten die Katastrophe

Das überraschende Ergebnis: „Die Analysen enthüllten relativ stabile, gleichbleibende Aussterberaten und lieferten keine Belege für ein Massenaussterben unter Angiospermen“, berichten die Forscher. Obwohl Fossilfunde auf hohe Aussterberaten auf der Ebene der einzelnen Pflanzenarten hindeuten, wurde die grundlegende Vielfalt der Blütenpflanzen vor 66 Millionen Jahren demnach kaum eingeschränkt. „Sehr viele Haupt-Stammeslinien der Angiospermen überstanden das Massenaussterben am Übergang von Kreidezeit zum Paläogen“, so die Wissenschaftler.

Anders als bei Dinosauriern, Koniferen oder Fischen verloren die Blütenpflanzen bei der Katastrophe demnach kaum größere Äste ihres Stammbaums, wie die Analysen ergaben. Stattdessen überlebten aus fast allen Familien und Ordnungen der Angiospermen genügend Arten, um diese Linien weiterzuführen. Der Stammbaum der Blütenpflanzen verlor bei dem Massenaussterben nur viele äußere Zweigspitzen, die tragenden Äste und seine Grundstruktur blieben aber erhalten. Dies erklärt auch den scheinbaren Widerspruch in den Fossilfunden.

Ökologische Vielfalt und Anpassungen entscheidend

„Unsere Ergebnisse stützen damit die hohe Resilienz der Angiospermen-Linien in diesem Massenaussterben“, konstatieren Thompson und Ramírez-Barahona. Eine mögliche Ursache dafür sehen sie in der raschen Evolution dieser Pflanzengruppe in der Kreidezeit: Die Blütenpflanzen hatten schon vor dem Massenaussterben eine große Vielfalt an ökologischen Strategien entwickelt. Dies könnte ihnen die Anpassung an die einschneidenden Umweltveränderungen der Einschlagskatastrophe erleichtert haben.

„Blütenpflanzen haben eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit“, sagt Ramírez-Barahona. „Sie nutzen eine Vielzahl verschiedener Mechanismen für die Bestäubung und Samenausbreitung, einige haben iuhr gesamte Genom dupliziert und andere haben neue Varianten der Photosynthese entwickelt. Diese ‚Flower Power‘ macht sie zu echten Überlebenskünstlern.“ Dank ihrer vielfältigen evolutionären Innovationen konnten die Blütenpflanzen das Massenaussterben überleben und anschließend zur dominanten Pflanzengruppe unseres Planeten aufsteigen. (Royal Society Biology Letters, 2023; doi: 10.1098/rsbl.2023.0314)

Quelle: Royal Society Biology Letters

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