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Genetik

Was unterscheidet Erreger von ihren harmlosen Verwandten?

Genvergleich enthüllt gemeinsamen Ursprung von Pneumokokkus und verwandter Bakterienart

Streptococcus pneumoniae © CDC

Mikrobiologen haben jetzt erstmals das Genom eines harmlosen Bakteriums entschlüsselt und mit dem eines eng verwandten Krankheitserregers verglichen. Die Sequenzierung gibt wertvolle Hinweise darüber, was einen Krankheitserreger genetisch von einem harmlosen Bakterium unterscheidet. Sie enthüllte unter anderem, dass beide Bakterien Übereinstimmung in unerwarteten Genbereichen besitzen und dass sich der Erreger vermutlich aus dem harmlosen Typ entwickelt hat.

Das Bakterium Streptococcus pneumoniae, kurz Pneumokokkus gehört zu den bedeutendsten menschlichen Krankheitserregern, kommt aber gleichzeitig im Nasen-Rachenraum jedes gesunden Menschen vor. Bei gesundem Immunsystem meist unschädlich kann es bei Kindern Mittelohrentzündung auslösen, bei älteren und kranken Menschen ist der Erreger oft Verursacher einer Lungenentzündung und führt auch zu einer oft tödlich verlaufenden Hirnhautentzündung. Was aber macht dieses Bakterium zu einem so potenten Erreger, während viele seiner engen Verwandten absolut harmlos sind?

Sequenzierung ermöglicht Genvergleich

Genau das ist die Frage, die die Wissenschaftler heute vor allem durch Genvergleich von Krankheitserregern mit harmlosen Verwandten klären wollen. Der Genvergleich trägt zudem dazu bei, die Gene zu identifizieren, die für Krankheiten ausschlaggebend sind. Ihre Identifizierung ist eine wichtige Voraussetzung um gezielt gegen Krankheitserreger vorgehen zu können, ohne die normale Bakterienflora des Menschen zu beeinträchtigen. Mikrobiologen der TU Kaiserslautern haben jetzt das erste Genom eines harmlosen, nächsten Verwandten der Pneumokokken, Streptococcus mitis, entschlüsselt und können nun eine ausführliche Beschreibung geben, was einen Krankheitserreger von einem harmlosen Bakterium unterscheidet.

Virulenz-Gene auch beim harmlosen „Vetter“

Überraschend war zunächst, dass viele Gene, die man als wichtig für die Virulenz – die krankmachende Wirkung – erachtet hat, auch bei den harmlosen Streptokokken vorkommen. Dabei handelt es sich nach Ansicht der Forscher wahrscheinlich um Komponenten, die das Bakterium benötigt, um in dem Wirt überleben zu können. Für die Gefährlichkeit von Pneumokokken scheinen dagegen nur wenige Proteine, meist solche, die an der Bakterienoberfläche sitzen, verantwortlich zu sein. Sie bilden eine schützende Polysaccharidkapsel, die dem Pneumokokkus den Namen ‚Zuckerbeschichtetes Bakterium‘ gegeben hat.

Evolution durch Gentransfer

Wichtige Ergebnisse lieferte der Genvergleich auch bezüglich der Evolution dieser Bakterienarten. So zeigen Pneumokokkengene und das Genom von Streptococcus mitis vielfache Hinweise auf einen Gentransfer zwischen den Bakterien. Diese Fähigkeit der Mikroorganismen, durch direkten Austausch Gene aufzunehmen und in das eigene Genom einzubauen, spielt sowohl für die Evolution neuer Stämme und Arten eine wichtige Rolle als auch für die Entwicklung und Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen.

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Von vielen Krankheitserregern wird angenommen, dass sie ursprünglich von harmlosen Verwandten abstammen. Erst durch die Aufnahme bestimmter Virulenz-Gene sollen sie ihr Aktionspotential erweitert haben und damit dem Menschen schädlich geworden sein. Genau das scheint für Pneumokokken auch zuzutreffen, wie der Genvergleich jetzt belegt.

(TU Kaiserslautern, 18.05.2010 – NPO)

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