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Botanik

Was steckt hinter den „Wasserbläschen“ von Quinoa und Co?

Blasenzellen auf manchen Nutzpflanzen haben andere Schutzfunktion als gedacht

Nahaufnahme der Blasenzellen einer Quinoa-Pflanze
Die ballonartigen Blasen, mit denen die Oberflächen vieler Quinoa-Sorten vollständig bedeckt sind, schützen offenbar vor Pflanzenschädlingen. © Universität Kopenhagen

Paradigma widerlegt: Die ballonartigen Bläschenzellen auf der Oberfläche von Quinoa und vielen anderen robusten Pflanzenarten erfüllen einen anderen Zweck als lange angenommen, wie eine Studie enthüllt. Demnach schützen die Blasen ihre Träger nicht vor Trockenheit und Salz, sondern dienen als Bollwerk gegen Schädlinge. Das macht sie aber nicht weniger wichtig. Im Gegenteil: Mit dem Wissen könnten künftig noch klimaresistentere Arten der nährstoffreichen Quinoa-Pflanze gezüchtet werden, die weltweit angebaut werden können.

Die Blätter, Blüten und Stängel der aus Südamerika stammenden Quinoa-Pflanze sind von seltsamen „Wasserbläschen“ übersät. Auch bei knapp 4.000 anderen winterharten Pflanzen aus den Amaranth- und Aizoaceae-Familien sind sie zu finden, allerdings in unterschiedlicher Dichte. Mehr als 100 Jahre lang gingen Biologen davon aus, dass diese mit Flüssigkeit gefüllten Blasenzellen als Wasser- und Salzreservoire dienen und damit vor allem jungen Pflanzenkeimlingen als Schutz vor Wassermangel und zu viel Salz.

Nahaufnahmen der Blasenzellen einer Quinoa-Pflanze
Die Blasenzellen von Quinoa-Pflanzen sind mit Wasser und giftigen Substanzen gefüllt. © Universität Kopenhagen

Vergleich der Quinoa-Pflanzen

Doch das stimmt offenbar nicht. Wie eine Forschungsgruppe nun überraschend herausgefunden hat, erfüllen die haarartigen Strukturen einen ganz anderen Zweck. Um den Schutzmechanismus der Blasenzellen zu verstehen, hat das Team um Max Moog von der Universität Kopenhagen die Bläschen auf der Oberfläche von Quinoa-Pflanzen genauer untersucht. Dafür kultivierten die Wissenschaftler wilden Quinoa sowie genetisch veränderte Pflanzen ohne diese Blasenzellen.

Dann setzten sie die beiden Quinoa-Varianten verschiedenen Stresssituationen aus und verglichen jeweils die Reaktion der Pflanzen. Unter anderem maßen die Forschenden die Verdunstungsrate, den Wasserdruck und den Aufbau neuer Biomasse. Die Stresssituationen umfassten Trockenstress, Staunässe oder Wasser mit erhöhten Salz- oder Schwermetallkonzentrationen sowie intensives Licht, Wind und hohe oder niedrige Temperaturen.

Blasenzellen schützen nicht vor Salz und Trockenheit

Das Ergebnis überraschte die Biologen: Die wilden Quinoa-Pflanzen mit vielen Blasenzellen tolerierten Trockenheit und Salz nicht besser, sondern sogar schlechter als die Pflanzen ohne Blasenzellen. „Wenn wir die mutierten Pflanzen ohne Blasenzellen mit Salzwasser übergossen oder sie der Dürre aussetzten, zeigten sie dennoch eine hervorragende Leistung und widersprachen damit den Erwartungen“, beschreibt Moog.

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Für die anderen Stresssituationen wie Wind, Kälte oder auch intensive Bestrahlung beobachteten Moog und seine Kollegen keine Unterschiede zwischen den beiden Quinoa-Varianten. Sie schließen daraus, dass die Bläschen nicht als Schutz vor diesen Begebenheiten dienen. Insbesondere für die Salz- und Trockenresistenz muss daher ein anderer, bislang unbekannter Mechanismus verantwortlich sein.

Bläschen schützen gegen Insekten

Zugleich machten die Forschenden eine andere Entdeckung: „Wir konnten sehen, dass die mutierten Pflanzen – im Gegensatz zu den wilden, mit Blasenzellen bedeckten Pflanzen – stark von kleinen Insekten befallen waren. Da wurde mir klar, dass Blasenzellen eine ganz andere Funktion haben müssen“, sagt Moog. Demnach dienen die flüssigkeitsgefüllten Bläschen wahrscheinlich als Barriere gegen Schädlinge und Krankheiten.

Doch wie funktioniert diese Abwehr? Um das herauszufinden, analysierten Moog und seine Kollegen auch die chemische Zusammensetzung des Inneren der Blasenzellen. Anders als ursprünglich erwartete, fanden die Biologen in der Flüssigkeit kein Salz – auch nicht, wenn sie die Pflanzen mit Salzwasser gegossen hatten. Stattdessen enthielten die Blasenzellen verschiedene giftige Moleküle, die für Schädlinge tödlich sind – unter anderem Saponine und die auch in Rhabarber vorkommende Oxalsäure.

Flüssigkeit wehrt auch andere Schädlinge ab

In den Versuchen wehrten die Quinoa-Pflanzen mithilfe dieser Bläschenfüllung Insekten und Spinnentiere wie Thripse und Milben und sogar eine Schmetterlingsart und den häufigen bakteriellen Pflanzenschädling Pseudomonas syringae ab. „Unsere Hypothese ist, dass die Blasenzellen so auch vor anderen Pflanzenkrankheiten wie dem Falschen Mehltau schützen, einer Pilzkrankheit, die die Quinoa-Erträge stark einschränkt“, sagt Moog. Wie effektiv der Abwehrmechanismus über die Giftstoffe ist, hänge vermutlich davon ab, wie dicht eine Pflanze mit Blasenzellen übersät ist.

Insgesamt belege die Studie, dass Blasenzellen sowohl als physikalische wie auch als chemische Barriere gegen hungrige Schädlinge wirken, sagt Seniorautor Michael Palmgren von der Universität Kopenhagen. Für die hohe Resistenz der Quinoa-Pflanzen gegen Salz und Trockenheit seien sie aber nicht verantwortlich. Bisher war nur wenig darüber bekannt, wie sich die Pflanze gegen Angriffe feindlicher Organismen wehrt. Die Studie hat dies nun geändert und obendrein den Mythos der Blasenzellen widerlegt.

Kultivierung neuer Quinoa-Arten

Doch die Ergebnisse haben auch praktischen Nutzen. „Quinoa wird als zukunftssichere Nutzpflanze angepriesen, da sie reich an Proteinen und sehr tolerant gegenüber Trockenheit und Salz und damit dem Klimawandel ist“, sagt Palmgren. Die neuen Erkenntnisse könnten daher helfen, den Anbau dieser besonders nährstoffreichen und klimaresistenten Kulturpflanze weltweit auszuweiten.

„Unsere Erkenntnisse könnten genutzt werden, um den Anbau an verschiedene regionale Bedingungen anzupassen“, sagt Moog. In Südeuropa sei das Klima beispielsweise trockener, in Nordeuropa spielten Schädlinge eine größere Rolle. Entsprechend könne man Quinoa-Arten mit weniger oder mehr Blasenzellen einsetzen und Pestizide reduzieren. Möglicherweise könne auch eine besonders resistente und tolerante „Super-Quinoa“ entwickelt werden, die beide Eigenschaften vereint, ergänzt Palmgren. (Current Biology, 2023; doi: 10.1016/j.cub.2023.09.063)

Quelle: Universität Kopenhagen

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