Schräge Töne sind in der Musik verpönt, haben aber in der Natur durchaus ihren Sinn. So befolgen Erdmännchen schräge Warnrufe ihrer Artgenossen schneller und stärker als harmonische Warnungen, wie Forscher jetzt herausfanden. Diese Reaktion auf die so genannten nicht-linearen Lautphänomene belegt, dass menschliches und tierisches Verhalten auch in dieser Hinsicht deutliche Ähnlichkeiten aufweist, wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Biology Letters“ belegen.
Schreie von Babys, Angst- und Schreckensäußerungen von Menschen und Tieren, quakende Frösche – nicht das gesamte Spektrum der Stimmäußerungen klingt gleich harmonisch und ist physikalisch von regelmäßiger Struktur. Ganz im Gegenteil, einige Töne klingen eher schräg und sogar unangenehm. Solche Unregelmäßigkeiten entstehen, wenn bei Lauten eine Stimmmembran doppelt so schnell wie die andere schwingt. Dies wird als nicht-lineares Lautphänomen bezeichnet. Ob und welchen evolutionsbiologischen Sinn diese nicht-linearen Lautphänomene haben, war bis jetzt nur Gegenstand von Vermutungen.
Warnrufe von Erdmännchen analysiert
Marta Manser, Professorin für Verhaltensbiologie an der Universität Zürich, und ihr Postdoc Simon Townsend sind dieser Frage auf den Grund gegangen. Sie führten Versuche mit frei lebenden Erdmännchen in der Kalahari in Südafrika durch, bei denen sie zunächst verschiedene Warnrufe der Tiere aufnahmen und analysierten. Dabei stellten sie fest, dass auch bei Erdmännchen nicht-lineare Lautphänomene vorkommen und zwar unter anderem dann, wenn sich die Tiere gegenseitig vor Raubtieren warnen. Allerdings weisen nicht alle Warnrufe der Erdmännchen nicht-lineare Phänomene auf.
Stärkere Reaktion bei „schrägen“ Rufen
Anschließend spielten die Wissenschaftler den Tieren Tonaufnahmen von Warnrufen mit nicht- linearen Lautphänomenen und Warnrufe mit harmonischen Rufen vor. Es zeigte sich, dass Warnrufe mit Unregelmäßigkeiten, also mit nicht-linearen Anteilen, eine wesentlich stärkere Reaktion bewirkten als regelmäßig schwingende Töne. Die Erdmännchen retteten sich bei den „schrägen“ Rufen beispielsweise eher in ein Schutzloch und brauchten länger, bis sie wieder auf Nahrungssuche gingen.
Parallelen zum menschlichen Verhalten
Frühere Forschungen hatten bereits nahe gelegt, dass solche nicht-lineare Lautphänomene überraschender, unvorhersehbarer und damit schwieriger zu überhören seien – so wie das Schreien eines hungrigen Säuglings nicht zu ignorieren ist und bei den Eltern sofort für rege Betriebsamkeit sorgt. Townsend und Mansers neue Arbeit unterstützt diese Hypothese und zeigt zum ersten Mal, dass nicht- lineare Lautphänomene auch bei Tierrufen eine wichtige Funktion haben. Weitere Forschungen werden darauf abzielen, diese Lautphänomene bei Erdmännchen, und von einem evolutionsbiologischen Standpunkt aus auch beim Menschen, besser zu verstehen.
(Universität Zürich, 22.07.2010 – NPO)