Anzeige
Zoologie

Putzerfische erkennen ihr eigenes Gesicht

Fische bestehen den Spiegeltest und unterscheiden ihr Spiegelbild von Artgenossen-Porträts

Putzerfisch Spiegel
Dieser Putzerfisch weiß, dass er sich gerade selbst im Spiegel sieht. Aber wie macht er das? © Masanori Kohda, Osaka Metropolitan University

Das bin ja ich! Auch Putzerfische können lernen, ihr Spiegelbild zu erkennen. Einmal gemerkt, können sie ihr Abbild auch von den Gesichtern anderer Artgenossen unterscheiden, wie ein Experiment belegt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Fähigkeit eine Art Nebeneffekt des sozialen Zusammenlebens ist und deshalb auch bei vielen anderen soziallebenden Tieren wie Schimpansen oder Elstern vorkommt.

Nicht nur wir Menschen erkennen uns selbst im Spiegel. Auch eine Vielzahl anderer Tiere – darunter Schimpansen, Elefanten, Delfine, Elstern und Putzerfische – sind zu dieser Ich-Wahrnehmung fähig. Aber was bedeutet es überhaupt, wenn ein Tier sich im Spiegel erkennt? Sagt diese Fähigkeit etwas darüber aus, wie sich Tiere selbst wahrnehmen? Oder erkennen sie sich lediglich anhand der gespiegelten Bewegungen wieder? Die Mechanismen, die der Selbsterkennung im Spiegel zugrunde liegen, sind erst in Teilen geklärt.

Fische im Spiegel

Forschende um Masanori Kohda von der Osaka Metropolitan University haben dieses Mysterium nun womöglich gelöst. In Experimenten mit Putzerlippfischen (Labroides dimidiatus) untersuchten sie, wie es den Tieren gelingt, sich selbst im Spiegel zu erkennen. Dafür konfrontierten sie die Fische zunächst zum allerersten Mal mit ihrem eigenen Spiegelbild.

Die Tiere brauchten zwar anfangs ein paar Anläufe, um zu verstehen, dass das Spiegelbild keinen Rivalen, sondern sie selbst darstellte. Doch schon nach kurzer Zeit hatten sie das Konzept so gut verinnerlicht, dass sie beim Blick in den Spiegel sogar eine künstlich aufgemalte Markierung an ihrem Körper erkannten und versuchten, diese abzukratzen. Ihnen war also eindeutig bewusst, dass sie dort im Spiegel sich selbst sahen.

Unterscheidung zwischen eigenem und fremdem Gesicht

Anschließend konfrontierten die Forschenden die Fische mit verschiedenen Fotos. Eines zeigte einen fremden Putzerfisch, ein zweites den Laborfisch selbst und ein drittes und viertes waren Fotomontagen. Die darin dargestellten Fische waren entweder aus dem Gesicht eines fremden Fisches und dem Körper des Laborfisches zusammengesetzt oder aus dem Gesicht des Laborfisches und dem Körper eines fremden Fisches.

Anzeige

Das Erstaunliche: Die Putzerfische nahmen nur die Fotos mit fremdem Gesicht als Rivalen wahr und griffen sie an. Hatte ein Foto zwar einen fremden Körper, dafür aber das Gesicht des Laborfisches, wurde es verschont. „Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse, dass Putzerfische sich selbst in einem unbewegten Bild erkennen können und dies anscheinend durch Erkennung des eigenen Gesichts erreichen“, berichten Kohda und seine Kollegen.

Nachdem sie sich einmal bewusst im Spiegel erkannt haben, formen die Fische demnach ein mentales Bild ihres eigenen Gesichts, das sie anschließend auch auf Fotos wiedererkennen können.

„Nebeneffekt“ sozialer Lebensweise?

Aber wieso haben Putzerfische diese Fähigkeit? Im Ozean liegen schließlich keine Spiegel oder Fotos herum, die das Wiedererkennen des eigenen Gesichts erfordern würden. Kohda und sein Team vermuten, dass das Abspeichern des eigenen Gesichts eine Art Erweiterung der sozialen Fähigkeiten darstellt. Weil Putzerfische soziale Tiere sind und daher die Gesichter anderer Individuen wiedererkennen müssen, lässt sich dieser Mechanismus offenbar auch auf das eigene Gesicht übertragen – auch wenn ihnen diese erweiterte Fähigkeit keine großen Vorteile bringt.

Interessanterweise handelt es sich bei den meisten anderen Tieren, die sich selbst im Spiegel erkennen können – etwa Elefanten, Delfine oder auch Menschen – ebenfalls um soziale Lebewesen. „Wir vermuten, dass diese Arten ebenfalls auf mentale Bilder von individualspezifischen Gesichtsmerkmalen zurückgreifen, um vertraute von unbekannten Individuen zu unterscheiden und bestimmte vertraute Individuen zu identifizieren“, so Kohda und seine Kollegen. Denn andere Gruppenmitglieder wiedererkennen zu können, stärkt den Zusammenhalt der Gemeinschaft.

Wer andere Gesichter auseinanderhalten kann, ist wahrscheinlich auch dazu fähig, das eigene Gesicht als mentales Bild abzuspeichern. Die Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass auch andere Arten ein geistiges Bild des eigenen Gesichts nutzen, um sich selbst im Spiegel zu erkennen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2208420120

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences, Osaka Metropolitan University

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Genies der Lüfte - Die verblüffende Intelligenz von Krähen und anderen Rabenvögeln

Bücher zum Thema

Wilde Intelligenz - Was Tiere wirklich denken von Marc D. Hauser

Tierisch intelligent - Von schlauen Katzen und sprechenden Affen von Immanuel Birmelin

Das selbstbewusste Gehirn - Perspektiven der Neurophilosophie

Top-Clicks der Woche