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Gesellschaft

Mehr als die Hälfte aller Sprachen in Gefahr

Sprachensterben betrifft rund 3.660 Sprachen weltweit

Sprachensterben
Rund um den Globus sterben Sprachen. © Pepifoto/ iStock.com

Auf der linguistischen Roten Liste: Mehr als die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen drohen in naher Zukunft zu verschwinden – und damit ein wertvoller Teil unseres kulturellen Gedächtnisses. Allein 600 dieser insgesamt rund 3.660 gefährdeten Sprachen könnten sogar schon in wenigen Jahren vollständig ausgestorben sein. Denn sie werden nur noch gelegentlich von der Großeltern-Generation gesprochen, wie Forscher berichten.

Die Kommunikation durch Sprache macht den Menschen einzigartig – und es gibt wohl nichts, das uns so sehr prägt wie die eigene Muttersprache. Sie ist nicht nur das erste, was wir als Kinder zu hören bekommen. In ihr spiegeln sich auch unser Wissen und unsere Wahrnehmung wieder und damit ein Teil unserer Kultur.

Die meisten von uns wachsen mit verbreiteten Sprachen wie Chinesisch, Arabisch, Englisch, Spanisch oder Russisch auf. Solche sogenannten Großsprachen verstellen jedoch den Blick darauf, wie groß die sprachliche Vielfalt wirklich ist: Weltweit sprechen Menschen heute rund 7.000 unterschiedliche Sprachen – noch. Denn viele Sprachen gerade kleinerer Völker drohen in absehbarer Zeit zu verschwinden.

Mit den Großeltern verschwunden?

Wie sehr das Phänomen des Sprachensterbens inzwischen um sich greift, haben nun Wissenschaftler um Frank Seifart von der Universität Amsterdam untersucht. Dafür werteten sie Informationen aus drei großen ethnologischen Sprachdatenbanken aus. Ihre Auswertung stellt nach eigenen Angaben den aktuell genauesten und umfassendsten Bericht zum Zustand der Sprachen rund um den Globus dar.

Das besorgniserregende Ergebnis: Mehr als die Hälfte aller derzeit lebenden Sprachen sind bedroht. Das sind rund 3.660 linguistische und kulturelle Schätze. 600 dieser gefährdeten Sprachen werden heute nur noch gelegentlich von der Großeltern-Generation gesprochen. Damit stehen sie kurz vor dem Aussterben, wie das Forscherteam betont. Weitere 950 Sprachen werden zwar noch von Kindern gesprochen – der Anteil junger Menschen, die diese Sprachen erlernen, wird jedoch immer kleiner. Kann dieser Trend nicht umgekehrt werden, sterben auch diese Sprachen über kurz oder lang aus.

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Bedrohter Schatz

Bei ihren Untersuchungen stellten die Forscher außerdem fest: Zwar ist unser Wissen über die Sprachen der Welt in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. „Doch über ein Drittel aller Sprachen sind noch immer kaum erforscht und dokumentiert– darunter über 1.400 bedrohte Sprachen“, berichtet Seifart. „Selbst grundlegende Informationen über deren Grammatik und Wortschatz fehlen, vom kulturspezifischen Sprachgebrauch einmal ganz zu schweigen.“

Klar scheint: Beeilen sich die Linguisten nicht, könnten einige Sprachen verschwinden, bevor sie jemals dokumentiert und damit zumindest in Schrift und Ton für die Nachwelt bewahrt wurden. „Der potenzielle Verlust ist gewaltig“, sagt Seifart. So könnten nicht nur bisher unbekannte grammatikalische Phänomene und Laute für immer verloren gehen, sondern auch ganz grundsätzliches Wissen: „Die Arbeit mit kaum untersuchten Sprachen erweitert unser Verständnis darüber, wie Sprache gelernt, verarbeitet und sozial organisiert wird und wie sie sich binnen nur einer Generation weiter entwickeln kann“, schließt Seifart. (Language, 2018)

Quelle: Universität Amsterdam

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