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Biologie

Insekten elektrisieren die Luft

Insektenschwärme können ähnlich starke elektrische Felder erzeugen wie Wetter-Ereignisse

Bienen
Honigbienen könne die Luft um sie herum elektrisch aufladen. Im Schwarm kann diese Aufladung Potentialgradienten von 1.000 Volt pro Meter erreichen. © Ellard Hunting

Elektrisierende Wirkung: Insekten können die umgebende Luft elektrisch aufladen. Je dichter und größer ihr Schwarm ist, desto stärker wird dieses elektrische Feld, wie Messungen enthüllen. Demnach kann schon ein normaler Bienenschwarm einen Potentialgradienten von 100 bis 1.000 Volt pro Meter erzeugen. Große Heuschreckenschwärme können die Luft sogar ähnlich stark und großflächig aufladen wie meteorologische Ereignisse. Diese Wechselwirkung von Biologie und Physik war bisher unerforscht.

Ob in Wolken, vor einem Gewitter oder bei Staubstürmen: Viele Wetterphänomene können die Atmosphäre elektrisch aufladen, weil die Bewegungen von Tröpfchen oder Schwebteilchen zu einer Umverteilung von elektrischen Ladungen führen. „Die Erdatmosphäre ist immer in größerem oder geringerem Maße elektrifiziert – selbst bei schönem Wetter und in einiger Entfernung von den Gewittern“, erklären Ellard Hunting von der University of Bristol und seine Kollegen.

Honigbiene
Einzelne Honigbienen tragen elektrische Ladungen von mehreren Pico- bis Nanocoloumb, wie Messungen zeigen. © Ellard Hunting

Diese elektrischen Felder in der Atmosphäre spielen eine wichtige Rolle für das Wetter und atmosphärische Transportprozesse, können aber auch die Wanderung von biologischen Organismen beeinflussen. „Bisher haben wir uns immer angeschaut, wie verschiedene Organismen diese statischen elektrischen Felder nutzen, die fast überall in der Umwelt vorhanden sind“, erklärt Hunting.

Auch Insekten sind geladen

Doch wie sich jetzt zeigt, funktioniert dies auch umgekehrt: Auch lebende Organismen können ihr lokales Umfeld elektrisch beeinflussen. „Bei vielen Arten fliegender Insekten hat man schon nachgewiesen, dass sie eine elektrische Ladung im Bereich von einigen Picocoulomb bis Nanocoloumb tragen können“, erklären Hunting und sein Team. Unklar war jedoch, ob dies auch den Potentialgradienten der umgebenden Atmosphäre beeinflussen kann.

Um das herauszufinden, haben Hunting und seine Kollegen zunächst Messungen an Honigbienen durchgeführt, während diese ausschwärmten. Sie platzierten ein Messgerät für elektrische Felder und eine nach oben gerichtete Kamera auf dem Boden, während der Bienenschwarm darüber hinwegflog.

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Bis zu 1.000 Volt pro Meter

Und tatsächlich: Während der Passage des Bienenschwarms veränderten sich die elektrischen Messwerte. „Der Potentialgradient stieg im Moment der größten Schwarmdichte auf 100 Volt pro Meter an“, berichten Hunting und seine Kollegen. Messungen mit weiteren Bienenschwärmen ergaben sogar Werte von bis zu 1.000 Volt pro Meter. Je dichter der Bienenschwarm war, desto stärker waren die von ihnen erzeugten elektrischen Felder.

Potentialgradient
Gemessener Potentialgradient beim Durchzug eines großen, dichten Bienenschwarms.© Hunting et al./ iScience, CC-by-nc-nd 4.0

„Diese Messdaten deuten darauf hin, dass ein Honigbienenschwarm genügend Ladungen enthält, um den atmosphärischen Potentialgradienten proportional zur Schwarmdichte zu beeinflussen“, konstatieren die Forscher. Sie gehen davon aus, dass dieser Effekt auch bei anderen schwärmenden Insekten wie Termiten, Ameisen, Mücken oder Heuschrecken auftreten kann – vorausgesetzt sie fliegen dicht genug beieinander.

Heuschreckenschwarm steht Sturmwolken kaum nach

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass große Ansammlungen von Insekten eine bisher unerkannte Quelle elektrischer Variabilität in der Atmosphäre sind“, erklären Hunting und sein Team. Im nächsten Schritt entwickelten sie ein Modell, mit dem sie die Stärke der elektrischen Felder auf Basis der Schwarmdichte und Größe einer Insektenart errechnen konnten. Exemplarisch ermittelten sie dies unter anderem für ziehende Schmetterlinge und für die riesigen Schwärme von Wanderheuschrecken.

Das Ergebnis: „Unsere Berechnungen zeigen, dass Schwärme von Wanderheuschrecken sogar Ladungsdichten erreichen können, die über die von elektrischen Stürmen und Wolken hinausgehen können“, berichtet das Team. Im Gegensatz dazu haben Schmetterlinge, die meist in losen, viel weniger dichten Schwärmen ziehen, einen deutlich geringeren Einfluss auf die atmosphärische Elektrizität.

Bedeutung für viele atmosphärische Prozesse

Die Forschenden vermuten, dass neben den Insekten auch andere Organismen wie Bakterien oder auch Vögel die Luft um sie herum elektrisch verändern können. „Diese Entdeckung hat erhebliche Bedeutung für verschiedene physikalisch und biologische relevante Bereiche“, so das Team. Denn solche von Organismen erzeugten elektrischen Felder können den Transport von Staub, Pollen oder Aerosolen in der Atmosphäre beeinflussen.

„Es gibt viele bisher wenig erforschte Verbindungen zwischen Biologie und statischen elektrischen Feldern, deren räumliche Größenordnungen von Mikroben in der Erde über Bestäuber-interaktionen mit Pflanzen bis zu großen Insektenschwärmen reichen“, sagt Hunting. Bei den dynamischen Wechselwirkungen von Physik und Biologie in der Atmosphäre gebe es noch einiges zu erforschen. (iScience, 2022; doi: 10.1016/j.isci.2022.105241)

Quelle: Cell Press

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