Nahezu alle Lebewesen besitzen einen eingebauten Zeitgeber, eine „innere Uhr“. Bisher glaubte man, das diese hauptsächlich durch den Tag-Nacht-Wechsel „gestellt“ wird. Doch jetzt haben französische Wissenschaftler herausgefunden, dass unsere innere Uhr auch sensibel auf Stoffwechseländerungen reagiert, die mit der Nahrungsaufnahme verbunden sind.
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Tag und Nacht, Winter und Sommer wirken sich sehr stark auf den Rhythmus von Tier und Mensch aus. Wir haben uns an die verschiedenen Jahreszeiten angepasst und unsere Körper können die Veränderungen mit der zentralen Uhr des Körpers, der Master Clock, erspüren. Diese Uhr befindet sich im so genannten suprachiasmatischen Kern (SCN) des Gehirns, hinter den Augen, in der Nähe des Sehnervs. "Wie ein Dirigent schlägt die SCN-Uhr den Takt und übermittelt Signale, die die Tag- und Nacht-Rhythmen des Körpers steuern", erklärt Dr. Etienne Challet von der Abteilung für Neurobiologischen Rhythmus der Universität Strasbourg, Frankreich.
Hauptuhr und „Nebenuhr“ bestimmen Rhythmus
Der SCN enthält Zellen, die einen zirkadianischen Rhythmus von 24 Stunden haben. Über Hormone übermitteln sie dem Körper und dem Nervensystem ihren Takt. Die Uhr kann jedoch durch verschiedene Einflüsse gestellt werden, etwa durch den Hell-Dunkel-Rhythmus von Tag und Nacht. Aus diesem Grund ist der Jetlag, die Zeitverschiebung nach längeren Flügen, so unangenehm. Die innere Uhr kann sich nicht so rasch auf den neuen Tag- und Nacht- Rhythmus einstellen.
Vorausgehende Studien haben gezeigt, dass es neben der zentralen SCN-Uhr im Körper eine weitere innere Uhr gibt, die sich in der Peripherie des Körpers, also nicht im Zentralen Nervensystem befindet. Diese peripheren Uhren werden, wie die Forschung inzwischen entdeckt hat, nicht vom SCN eingestellt. Vielmehr geben bestimmte Essenszeiten den Takt für die periphären Uhren vor. So lernen Ratten, wenn sie immer zu bestimmten Zeiten gefüttert werden, sehr schnell, wann es etwas zu fressen gibt. Sie verlieren diese Fähigkeit auch nicht, wenn sie keinen SCN mehr haben.
Auch SCN durch Nahrungsaufnahme beeinflusst
Challets Arbeiten zeigen nun, dass sich auch die SCN-Uhr über die Nahrungsaufnahme neu einstellen und mit dem Licht synchronisieren lässt. SCN reagiert damit viel sensibler auf die Stoffwechselvorgänge, als bisher angenommen. Das ist überraschend, da SCN als Hauptschaltuhr galt, die hauptsächlich durch Licht reguliert wird. Bleibt die Frage, wie stark SCN die periphären Uhren reguliert.
Essen gegen Rhythmusstörungen?
Die Forscher hoffen, dass diese Erkenntnisse seiner Forschungsarbeiten den Menschen zu gute kommen werden, die unter zirkadianischen Störungen leiden. Die Betroffenen, etwa Schichtarbeiter, haben Schwierigkeiten mit einem normalen 24-Stunden-Rhythmus, da sie ständig veränderte Tag- und Nacht-Rhythmen haben. Aufbauend auf unseren Erfahrungen mit dem Umstellen der inneren Uhr suchen wir nach vorbeugenden oder therapeutischen Maßnahmen. Zur Behandlung zirkadianischer Störungen könnten etwa zeitlich genau eingehaltene Essenszeiten oder chronobiologische Arzneimittel eingesetzt werden.
(Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 13.07.2006 – NPO)