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Chemie

Mit Röntgenpulsen in die Welt der Elektronen

Freie Elektronen Laser ermöglicht neuen Blick auf chemische Reaktionen

Teilchenbeschleuniger © DESY

Moleküle tauschen Elektronen schneller aus als Wissenschaftler gucken können – bislang jedenfalls. Bald jedoch werden Forscher chemische Reaktionen mit den äußerst kurzen und intensiven Laserpulsen des Röntgenlichts verfolgen können, das sehr schnelle freie Elektronen abstrahlen. Der Freie Elektronen Laser (XFEL), der zurzeit am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg im Bau ist, soll ab 2012 genau dies ermöglichen.

Röntgenlicht im Femtosekundentakt

Der Röntgenlaser verschafft Wissenschaftlern völlig neue Einblicke in die molekulare Welt. Das Licht des Röntgenlasers blitzt nur für einige Femtosekunden auf. Eine Femtosekunde ist der Millionste Teil einer Milliardstel Sekunde. In dieser Zeit legt auch Licht nur wenige Mikrometer zurück. Daher lässt sich mit den Pulsen in chemischen Reaktionen beobachten, wie sich dabei Elektronen umgruppieren. Diese springen sehr schnell von einem Reaktionspartner zum anderen, sodass ihre Spur in längeren Lichtpulsen verwischt. Laser, die Femtosekundenpulse abfeuern, gibt es bereits. Ihre Energie reicht aber nicht, um die Elektronen in Atomen unterschiedlicher Elemente sichtbar zu machen.

Röntgenlaserpulse liefern detaillierte Bilder von Molekülen und den Oberflächen von Festkörpern. Denn die Wellenlänge des Röntgenlichts entspricht in etwa den Atomabständen in diesen Proben. "Da die Pulse zudem sehr intensiv sind, kann vielleicht schon ein einzelnes Molekül ein Beugungsmuster hervorbringen.", sagt Schlögl. Ein Beugungsmuster entsteht, wenn Röntgenlicht mit Atomen wechselwirkt. Um den Effekt mit gewöhnlichen Röntgenquellen auszulösen, müssen Wissenschaftler einige Millionen Moleküle durchleuchten. Gerade von Biomolekülen haben sie aber oft nur winzige Spuren, die sie künftig mit dem XFEL analysieren könnten.

Slalomstrecke für Elektronen

Um das besondere Licht des Röntgenlasers zu erzeugen, müssen Wissenschaftler auch zu besonderen Mitteln greifen: Auf einer Strecke von 3,4 Kilometern werden sie Elektronen durch eine Röhre jagen. Sobald die Elektronen fast Lichtgeschwindigkeit erreicht haben, werden Magnete sie auf dem letzten Drittel der Strecke in eine Slalomfahrt zwingen. Auf dem Schlingerkurs nehmen die Elektronen ständig Energie auf – und müssen auch Energie abgeben: die Röntgenpulse. Nach demselben Prinzip funktioniert auch ein Synchrotron, das Elektronen in einer Kreisbahn beschleunigt. Nur auf dem Slalomkurs können die Wissenschaftler jedoch Laserpulse, also kohärentes und sehr intensives Licht, aus den Elektronen herauskitzeln.

Großprojekt mit europäischer Beteiligung

Bereits 2003 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung beschlossen XFEL zu fördern, nachdem der Wissenschaftsrat sich für dieses Großprojekt stark gemacht hat. Es wird insgesamt voraussichtlich 900 Millionen Euro kosten, die zu 60 Prozent von der Bundesrepublik Deutschland getragen werden. Die restlichen 40 Prozent sollen die 13 europäischen Partnerländer aufbringen, zu denen unter anderen Frankreich, England und Italien gehören. Auf deutscher Seite werden die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, zu der DESY gehört, und verschiedene Universitäten mit dem Röntgenlaser forschen.

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Eine Max-Planck-Forschungsgruppe am Centre for Free Electron Laser Studies wird ab 2008 die Grundlagen der Spektroskopie mit dem Röntgenlaser erforschen. Denn so viel versprechend die Aussichten für einen Röntgenlaser sind, so begrenzt sind die Erfahrungen, die Wissenschaftler mit einem solchen Instrument bislang haben. Zwar experimentieren sie schon seit einiger Zeit mit Lasern, die nach demselben Prinzip arbeiten und UV-Pulse liefern. Röntgenlaser gibt es aber noch nicht.

Röntgenpulse: Kurz und potenziell zerstörerisch

Daher ist auch noch nicht ganz klar, wie Proben auf die Energiepakete des Röntgenlasers reagieren: "Sie erzeugen in der Probe für sehr kurze Zeit ein Plasma", sagt Schlögl. In einem Plasma trennen sich die Elektronen von den Atomkernen. "Wir müssen erst einmal herausfinden, ob wir die Materie anschließend überhaupt noch so sehen wie sie vorher war", so Prof. Robert Schlögl, Vorsitzender der Sektion für Chemie, Physik und Technik in der Max-Planck-Gesellschaft. Schließlich könnte die energiereiche Strahlung die Moleküle auch zerstören. Zumindest wenn der Puls zu lange dauert. "Erst kürzlich hat ein Experiment bewiesen, dass Moleküle verdampfen, wenn ein Puls länger als 30 Femtosekunden auf sie einwirkt." Also müssen sie dafür sorgen, dass die Pulse möglichst kurz sind.

Solche kurzen Pulse richten im Untersuchungsobjekt zwar keinen Schaden an, stellen die Wissenschaftler aber gleich vor die nächste Aufgabe: Wie lässt sich ein Lichtsignal detektieren, wenn es nicht mal im Untersuchungsmolekül eine bleibende Spur hinterlässt. Diesem Problem widmet sich das Halbleiterlabor der beiden Max-Planck-Institute für Physik und für extraterrestrische Physik. Die ersten Detektoren für besonders energiereiches Röntgenlicht haben die Forscher des Labors, das Satelliten mit Detektoren ausstattet, bereits gebaut.

Detektoren verbessern

"Die Detektoren arbeiten nach dem Prinzip der CCD-Kameras", erklärt Schlögl. In ihnen löst Licht einen elektrischen Impuls aus, indem es in einem Halbleiter eine Ladungswolke zerstäubt. Für XFEL müssen die Detektoren aber noch schneller und empfindlicher werden. Auch dafür haben die Wissenschaftler schon eine Idee: "Wir werden mit metastabilen Ladungswolken arbeiten." Diese lösen auch bei einem Puls von wenigen Femtosekunden ein Signal aus. Satelliten verdanken ihre scharfen Augen diesem Prinzip. Doch die Detektoren für XFEL sollen sogar noch besser werden. "Davon könnten auch Astrophysiker profitieren", so Schlögl.

Erste Versuche werden die Wissenschaftler der neuen Max-Planck-Forschungsgruppe schon 2009 machen. Dann allerdings nicht am freien Elektronenlaser in Hamburg, sondern am SLAC, dem ersten Laser dieser Art, der gerade in Stanford (USA) entsteht. Im Gegenzug werden deutsche Forscher den amerikanischen Wissenschaftlern einen Detektor zur Verfügung stellen. XFEL wird sein erstes Licht voraussichtlich erst 2012 aussenden, dafür wird er aber kürzere, energiereichere und intensivere Pulse abstrahlen als SLAC. Noch kürzere, wenn auch nicht so energiereiche Röntgenpulse wird einige Jahre später ein Röntgenlaser am BESSY-Synchrotron in Berlin produzieren. "Der Röntgenlaser am BESSY eignet sich daher noch besser, um chemische Reaktionen zu untersuchen", sagt Schlögl: "XFEL wird dafür mehr Informationen über die Struktur geben, weil er härtere, also energiereichere Röntgenstrahlung produziert."

(MPG, 14.07.2006 – NPO)

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