Anzeige
Paläontologie

Dinosaurier: War „Iani“ der letzte seiner Art?

99 Millionen Jahre altes Fossil belegt überraschend langes Überleben seiner Linie

Iani
„Iani smithi“ lebte in einer sich verändernden Welt. © Jorge Gonzalez

Urzeitlicher Überlebenskünstler: Paläontologen haben in den USA ein 99 Millionen Jahre altes Dinosaurierfossil entdeckt, das es dort eigentlich nicht geben dürfte. Denn der zweibeinige Pflanzenfresser „Iani smithi“ gehörte zu einer Untergruppe der Dinosaurier, die in Nordamerika damals schon ausgestorben waren – so dachte man bisher. Das Fossil belegt nun, dass diese Dinos die von Umbrüchen geprägte mittlere Kreidezeit doch überdauert haben. „Iani“ könnte aber der letzte Vertreter seiner Stammeslinie gewesen sein.

Die mittlere Kreidezeit war eine Phase extremer Umbrüche. Ähnlich wie heute nahm damals der Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre rapide zu und die Erde erwärmte sich in der Folge so stark, dass an den Polen sogar Regenwälder wachsen konnten. Steigende Meeresspiegel verdrängten die Dinosaurier der Küsten und Archipele, während Blütenpflanzen ihnen die gewohnten Nahrungsquellen streitig machten. In Nordamerika verschwanden einige Dinosauriergruppen, darunter die riesigen Langhalssaurier. Kleinere Pflanzenfresser wie frühe Entenschnabeldinosaurier und große Fleischfresser wie die Tyrannosaurier nahmen ihren Platz ein.

Unterkiefer von Iani
Der Kiefer und die Zähne von Iani eigneten sich perfekt, um damit zähes Pflanzenmaterial zu zerkauen. © National Geographic, Mark Thiessen und Becky Hale

Ein „gottgleicher“ Dinosaurier

Paläontologen um Lindsay Zanno vom North Carolina Museum of Natural Sciences haben nun einen Dinosaurier entdeckt, der diese gravierenden Veränderungen einst live miterlebt hat. Der „Iani smithi“ lebte vor 99 Millionen Jahren und wurde in der Cedar Mountain Formation im Osten des US-Bundesstaates Utah ausgegraben. Dort fanden die Wissenschaftler einen gut erhaltenen Schädel sowie Teile der Wirbelsäule und der Gliedmaßen.

Ihren Schätzungen zufolge war der zweibeinige Pflanzenfresser knapp vier Meter lang und nutzte seinen kräftigen Kiefer, um damit zähe Pflanzenfasern zu zerkauen. Der Name des neu entdeckten Dinosauriers leitet sich von Ianus ab, dem zweigesichtigen römischen Gott der Veränderung. Damit spielen die Paläontologen auf die sich verändernde Welt der mittleren Kreidezeit an, in der Iani einst lebte.

Ein unverhoffter Überlebender

Zanno und ihre Kollegen ordnen Iani der Gruppe der Rhabdodontomorpha zu. Diese Dinosaurier bilden einen frühen Zweig der Ornithopoden, einer Gruppe überwiegend zweibeiniger Pflanzenfresser, zu der auch berühmte Vertreter wie Iguanodon und Tenontosaurus gehören. Das macht Iani zum ersten frühen Ornithopoden, der aus der späten Kreidezeit Nordamerikas bekannt ist, und damit gleichzeitig zu einem unerwarteten Überlebenden.

Anzeige

Denn: „Frühe Ornithopoden waren einst ein häufiger Bestandteil der nordamerikanischen Ökosysteme, aber wir wussten nicht, dass sie bis in die späte Kreidezeit überlebten. Die Entdeckung von Iani hilft uns, ihr Aussterben auf dem Kontinent mit einem großen Intervall globaler Erwärmung in Verbindung zu bringen“, so Zanno und ihre Kollegen.

Zeuge des Umbruchs

Auch wenn Iani und seine Artgenossen offenbar länger überlebten als bislang vermutet, machten die Veränderungen der Kreidezeit auch vor ihnen nicht Halt. „Iani ist möglicherweise das letzte überlebende Mitglied einer Linie von Dinosauriern, die einst in Nordamerika lebten, aber schließlich von den Entenschnabelsauriern verdrängt wurden“, sagt Zanno. „Dieser Dinosaurier stand am Abgrund. Er konnte zurückblicken auf die Art und Weise, wie die nordamerikanischen Ökosysteme in der Vergangenheit waren, aber er war auch nah genug dran, um die Zukunft wie einen Hochgeschwindigkeitszug kommen zu sehen.“

Zanno und ihr Team gehen davon aus, dass nähere Untersuchungen von Ianis Fossil ihnen allerhand neue Einblicke in die Veränderungen während der Kreidezeit geben werden. Sie regen außerdem an, in Zukunft verstärkt kreidezeitliche Küstenablagerungen zu untersuchen, da dort noch weitere Überreste von Iani und seinen nächsten Verwandten zu finden sein könnten. Sie könnten womöglich aufklären, wie lange die frühen Ornithopoden Nordamerikas tatsächlich überlebten und wie ihnen dies gelang. (PLoS ONE, 2023; doi: 10.1371/journal.pone.0286042

Quelle: PLOS, North Carolina State University

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Klimawandel - Bringt der Mensch das irdische Klima aus dem Gleichgewicht?

Bücher zum Thema

Ein Dinosaurier im Heuhaufen - Streifzüge durch die Naturgeschichte von Stephen Jay Gould

Als Deutschland am Äquator lag - Eine Reise in die Urgeschichte von Volker Arzt

Top-Clicks der Woche