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Paläontologie

Dinosaurier als „Seefahrer“?

Entenschnabelsaurier gelangten über das offene Meer nach Afrika

Hadrosaurier
Erstmals haben Forscher das Fossil eines Entenschnabelsauriers in Afrika entdeckt. Die Echsen können jedoch nur über das Meer dorthin gelangt sein. © Raul Martin

Unglaubliche Reise: In Marokko haben Paläontologen ein Dinosaurier-Fossil entdeckt, das es dort nicht geben dürfte. Denn für Entenschnabelsaurier war Afrika in der Kreidezeit eigentlich unerreichbar, weil tiefe, breite Meere es von den anderen Landmassen trennten. Die Entdeckung des neuen Hadrosauriers belegt jedoch, dass diese Urzeit-Echsen offenbar selbst Ozeane überwinden konnten, wie die Forscher berichten.

Im Verlauf der Erdgeschichte haben schon viele Tierarten geradezu unglaubliche Reisen unternommen, um Inseln oder sogar andere Kontinente zu erreichen. Im kreidezeitlichen Europa schwammen oder trieben die schwergepanzerten Ceratopsia von Insel zu Insel. Vor rund 50 Millionen Jahren überwanden zahlreiche Tierarten den Meeresarm zwischen Afrika und Madagaskar und vor 30 bis 40 Millionen Jahren schafften Nagetiere und Urzeit-Affen sogar den Sprung über den Atlantik.

Fundorte
Kreidezeit-Landkarte mit Fundorten von Hadrosauriern in Europa (1-5) und dem Fundort von Ajnabia odysseus.© Nick Longrich

„So deplatziert wie ein Känguru in Schottland“

Jetzt zeigt sich, dass möglicherweise auch einige Dinosaurier ganze Meere überqueren konnten. Den Beleg liefert das in Marokko entdeckte, 66 Millionen Jahre alte Fossil eines Entenschnabelsauriers. Diese bis zu 15 Meter großen, pflanzenfressenden Dinosaurier mit breiten, schnabelähnlichen Schnauzen entwickelten sich in Nordamerika und breiteten sich über Landbrücken nach Asien und Europa aus. Afrika jedoch gehörte ursprünglich zum Südkontinent Gondwana und war in der Kreidezeit durch tiefe Meere von den anderen Landmassen getrennt – und damit nach gängiger Annahme unerreichbar.

„Diese Entdeckung war daher das letzte, was man erwartet hätte“, sagt Erstautor Nicholas Longrich von der University of Bath. „Das war so deplatziert, als hätte man ein Känguru in Schottland gefunden.“ Das aber scheint die neuentdeckte Art der Hadrosaurier nicht abgehalten zu haben. Den Forschern zufolge gehörte das rund drei Meter große Fossil zu den Arenysaurini, einer Verwandtschaftsgruppe, die bisher nur aus dem kreidezeitlichen Europa bekannt war.

Über den tiefen, offenen Ozean

Doch wie sind diese Dinosaurier nach Afrika gekommen? „Es war damals unmöglich, nach Afrika zu laufen“, erklärt Longrich. „Diese Dinosaurier entwickelten sich lange nach der Trennung dieser Kontinente und Landbrücken gab es dort nicht. Die Geologie sagt uns, dass Afrika zu jener Zeit durch Ozeane isoliert war.“ Das aber bedeutet, dass der einzige Weg von Europa nach Afrika über das Meer führte.

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Mit anderen Worten: Die etwa pferdegroßen Entenschnabelsaurier müssen mehr als hundert Kilometer offenes Wasser überwunden haben, um ihren neuen Lebensraum in Afrika zu erreichen. Longrich und sein Team haben deshalb ihren neuen Fund Ajnabia odysseus getauft – Ajnabi bedeutet im Arabischen „Fremdling“ und Odysseus erinnert an den griechischen Seefahrer, dessen Abenteuer Homer in seinen Sagen beschreibt.

Per Pflanzenfloß oder schwimmend?

Bleibt dennoch die Frage, wie Ajnabia odysseus den Ozean zwischen Europa und Afrika überwunden hat. Dies ist auch für die Paläontologen bislang nur schwer zu erklären. Denn bei kleineren Tieren könnten schon vom Wind losgerissene Pflanzenteile ausgereicht haben, um als Floß zu dienen. Von günstigen Meeresströmungen angetrieben, erreichten sie so nahezu trockenen Fußes ihre neue Heimat. Aber für drei Meter große Echsen dürfte es nur wenige Pflanzenflöße gegeben haben, die stabil genug waren.

Allerdings waren Hadrosaurier wahrscheinlich relativ gute Schwimmer. Sie besaßen starke Schwänze und Beine und ihre Überreste werden häufig in Flusstälern oder Sedimenten urzeitlicher Meeresküsten gefunden, wie die Forscher erklären. Aber konnten diese Dinosaurier wirklich Dutzende von Kilometern am Stück schwimmen?

Bisher die einzige Erklärung

So unglaublich dies auch klingt, scheint die Ozeanüberquerung die einzige Erklärung für den ungewöhnlichen Fund zu sein. „Selbst wenn so etwas nur einmal pro Jahrhundert vorkam, summiert das sich das über die Jahrmillionen hinweg“, sagt Longrich. „Und solche Ozeanüberquerungen muss es immer wieder gegeben haben, beispielsweise um Lemuren und Nilpferde nach Madagaskar oder Affen und Nagetiere nach Südamerika zu bringen.“

Tatsächlich vermuten Paläontologen schon seit längerem, dass die Hadrosaurier und auch Titanosaurier zumindest schmalere Wasserbarrieren überwunden haben – darauf deuten Fossilfunde hin. Dass aber diese Echsen selbst Meeres überwanden, ist neu. „Soweit ich weiß, sind wir die ersten, die Ozeanüberquerungen für Dinosaurier postulieren“, sagt Longrich. Aber ihr Fossilfund liefert nun starke Indizien für dieses Szenario.

„Ajnabia beweist uns, dass Hadrosaurier Afrika erreicht haben, und das sagt uns, dass Ozeanbarrieren nicht immer eine unüberwindbare Hürde sein müssen“, sagt Koautor Nour-Eddine Jalil von der Sorbonne-Universität in Paris. (Cretaceous Research, 2020; doi: 10.1016/j.cretres.2020.104678)

Quelle: University of Bath

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