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Archäologie

Wattenmeer: Kirche von Rungholt gefunden

Archäologen entdecken Fundamente der 1362 versunkenen Rungholter Kirche nahe der Hallig Südfall

Wattenmeer
Heute ist vom untergegangenen Rungholt und seiner Umgebung nichts mehr zu sehen – das Watt hat alles überdeckt. © Dirk Bienen-Scholt, Schleswig

Unter Meer und Schlamm verborgen: Im Wattenmeer haben Archäologen die Überreste der Kirche von Rungholt entdeckt – einem legendären, 1362 bei einer Sturmflut untergegangen Handelsplatz. Die Ausgrabungen förderten mehrere Warften zutage, darunter auch die Kirchenwarft von Rungholt. In ihr waren die Fundamente eines 40 mal 15 Meter großen Sakralbaus erhalten. Dessen Größe bestätigt, dass Rungholt im Mittelalter übergeordnete Bedeutung als Handelsplatz hatte.

Der Untergang von Rungholt ist legendär und wurde durch das Gedicht „Trutz, Blanke Hans“ berühmt. Der auf der nordfriesischen Insel Strand gelegene Ort wurde im Januar 1362 von der Zweiten Marcellusflut, auch „Grote Manndränke“ genannt, zerstört, auch die Insel Strand zerbrach. Insgesamt starben dieser Sturmflutkatastrophe mehr als 100.000 Menschen. Der Untergang von Rungholt galt damals als „Gottesgericht“ und Strafe für Reichtum und Hybris der Stadtbewohner. Doch wie reich und bedeutend der mittelalterliche Handelsplatz Rungholt tatsächlich war, ist umstritten.

Rungholt
In dieser Karte aus dem Jahr 1662 ist das untergangene Rungholt noch eingezeichnet. © historisch

Nachdem schon vor Jahrzehnten vereinzelt Überreste von Rungholt und mittelalterliche Fundstücke im Watt entdeckt wurden, fahnden nun Archäologe im Rahmen zweier Projekte systematischer nach früheren Besiedlungsspuren vor der Küste von Nordfriesland. Dafür führen sie im Wattenmeer zwischen Pellworm und Nordstrand geophysikalische Untersuchungen mittels magnetischer Gradiometrie, elektromagnetischer Induktion und seismischen Messungen durch. An ausgewählten Stellen werden zudem Sedimentproben entnommen oder Ausgrabungen durchgeführt.

Warft-Überreste mit Kirchenfundamenten

Jetzt ist den Archäologen dabei ein besonderer Fund gelungen: Im Mai 2023 haben sie eine bislang unbekannte, zwei Kilometer lange Kette mittelalterlicher Warften nahe der Hallig Südfall entdeckt. In einem dieser künstlichen Siedlungshügel zeigten geophysikalischen Untersuchungen Strukturen, die sich als Fundamente einer mittelalterlichen Kirche von 40 mal 15 Meter Größe erwiesen. Nach Angaben der Wissenschaftler handelt es sich dabei höchstwahrscheinlich um die Kirche von Rungholt.

Damit haben die Archäologen das Zentrum des versunkenen Orts Rungholt entdeckt. In Bohrungen und gezielte Ausgrabungen haben sie bereits erste Einblicke zum Aufbau und zu den Fundamenten des Sakralbaus erhalten. „Damit reiht sich der Fund in die großen Kirchen Nordfrieslands ein“, erläutert Bente Sven Majchczack von der Christian-Albrechts-Universität Kiel.

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Mehr als nur ein normales Küstendorf

Der Fund der Rungholter Kirche und ihre Größe tragen nun dazu bei, die Streitfrage zur einstigen Bedeutung von Rungholt zu klären: „Die Besonderheit des Fundes liegt in der Bedeutung der Kirche als Mittelpunkt eines Siedlungsgefüges, das in seiner Größe als Kirchspiel mit übergeordneter Funktion interpretiert werden muss“, erklärt Ruth Blankenfeldt vom Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie.

Ausgrabungen im Watt
Ein spezieller Metallrahmen ermöglicht archäologische Grabungen im bei Ebbe freiliegenden Watt.
© Ruth Blankenfeldt, Schleswig

Rungholt könnte demnach tatsächlich mehr als nur ein Küstendorf gewesen sein – zumindest war es wohlhabend und bedeutsam genug, um sich eine relativ große Kirche zu leisten. Dafür sprechen auch die übrigen Funde, die die Archäologen in ihrem gut zehn Quadratkilometer großen Untersuchungsgebiet bereits gemacht haben: Sie umfassen 54 Warften, großangelegte Entwässerungssysteme, einen Seedeich mit Sielhafen, zwei Standorte kleinerer Kirchen und nun auch die große Hauptkirche.

Nach Ansicht der Archäologen muss das gefundene Siedlungsgebiet demnach als einer der überlieferten Hauptorte des mittelalterlichen Verwaltungsbezirkes Edomsharde angesehen werden. Das mittelalterliche Rungholt könnte demnach ein zumindest lokal bedeutsamer Handelsplatz gewesen sein.

Erosion gefährdet archäologische Relikte

Allerdings zeigen die Projektergebnisse der letzten Jahre auch, dass die über 600 Jahre alten Kulturspuren im Wattenmeer stark gefährdet sind. Wind und Wellen haben viele von ihnen schon fast vollstündig zerstört. „Um Hallig Südfall und in anderen Wattflächen sind die mittelalterlichen Siedlungsreste bereits stark erodiert und oft nur noch als Negativabdruck nachweisbar“, berichtet Hanna Hadler von der Universität Mainz. „Dies zeigt sich auch im Umfeld der Kirchwarft sehr deutlich, so dass wir die Erforschung hier dringend intensivieren müssen.“

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein, Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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