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Neurowissenschaften

Somnambule Marionetten

Hypnose in Fiktion und Geschichte

Ein schummriger Raum, ein Mensch sitzt auf einem Sessel, eine leise, eindringliche Stimme ertönt und sagt: „Du fühlst dich entspannt und konzentrierst dich nur auf deinen Atem und meine Stimme. Achte nur noch auf meine Worte… nichts anderes ist mehr wichtig…“ Langsam gleitet der Mensch in einen tranceähnlichen Zustand, der ihn empfänglich macht für Suggestionen aller Art – er ist hypnotisiert.

Hypnose in der Kunst
Darstellung der Hypnose in der Kunst: Das Opfer ist willenlos und in Trance. © Richard Bergh, 1887/ Schwedisches Nationalmuseum

Die gängigen Szenarien

So oder so ähnlich beginnen unzählige Darstellungen der Hypnose – ob im Buch, im Film oder auch in unserer Vorstellung. Demnach versetzt uns die Hypnose in einen Zustand nahezu willenloser Beeinflussbarkeit, der uns für Manipulationen anfällig macht. Wir sehen, spüren und tun Dinge, die uns suggeriert werden und die nicht der Realität oder unserem normalen Verhalten entsprechen. Selbst zu kriminellen Taten vom Diebstahl bis zum Mord lassen sich Unschuldige durch Hypnose bringen – zumindest in vielen Filmen.

Diese Vorstellung findet sich auch in der landläufigen Meinung wieder: In einer Studie von 2006 hielten 44 Prozent der knapp 300 Befragten aus vier Ländern diese Aussage für zutreffend: „Eine tief hypnotisierte Person ist roboterähnlich und folgt automatisch allem, was ein Hypnotiseur ihr suggeriert.“ 36 Prozent waren der Ansicht, dass Hypnose vollkommen willenlos macht: „Den unter Hypnose gegebenen Suggestionen kann man nicht widerstehen.“

Glaubt man den gängigen Darstellungen, lässt sich durch Hypnose auch unser Gedächtnis manipulieren. Unter ihrem Einfluss lassen sich Taten, Erlebnisse und ganze Zeiträume wahlweise aus der Erinnerung löschen oder wieder hervorholen. Unwissende Opfer tun zudem unter Zwang Dinge, an die sie sich später nicht mehr erinnern können. Umgekehrt erlauben es Zeugenbefragungen unter Hypnose, verschüttete Details eines beobachteten oder erlebten Ereignisses wieder ins Gedächtnis zu rufen oder verdrängte Erfahrungen zu verarbeiten.

Vom Mesmerisieren zum Hypnoskop

Doch was ist dran an all diesen Vorstellungen über Hypnose? Kann sie all dies wirklich? Und was ist sie überhaupt? Wie der Name schon andeutet – Hypnos steht im Altgriechischen für Schlaf – galt die Hypnose früher als ein künstlich herbeigeführter somnambuler Zustand, eine Art Halbschlaf oder Trance, der Menschen manipulierbar macht. Bis heute werden hypnotisierte Personen in Filmen deswegen manchmal mit starrem Blick und quasi schlafwandelnd dargestellt.

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Hypnoskop
Hypnoskop, dargestellt auf einem Patenantrag von Anfang des 20. Jahrhunderts. © historisch

Populär wurde die Hypnose im 18. Jahrhundert durch den österreichischen Arzt Franz Mesmer, der zahlreiche Krankheiten und psychische Leiden auf Störungen des „animalischen Magnetismus“ zurückführte. Seine Behandlung umfasste das „Mesmerisieren“ – eine Mischung aus Hypnose und Handauflegen. Bis heute steht „to mesmerize“ im Englischen für verzaubern, in den Bann ziehen oder hypnotisieren.

Die Vorstellung, dass Hypnose und Hypnotisierbarkeit mit einem unsichtbaren Feld oder einer Magnetraft zusammenhängt, hielt sich bis über das 19. Jahrhundert hinaus. Entsprechende Behandlungen erfreuten sich vor allem in okkultistischen und esoterischen Kreisen großer Beliebtheit. Der österreichische Beamte und Okkultist Gustav Geßmann konstruierte 1909 sogar ein Gerät, mit dem sich das animalistische Magnetfeld und damit auch der Grad der Hypnotisierbarkeit einer Person messen lassen sollte: Man steckte den Zeigefinger in dieses aus mehreren Magneten zusammengesetzte „Hypnoskop“ und die dadurch ausgelösten Empfindungen verrieten die Empfänglichkeit für das Mesmerisieren.

Hypnotiseur
Welche Rolle spielt die „magische Aura“ des Hypnotiseurs? © DrGrounds/ Getty images

Der „magische“ Hypnotiseur

Auf Mesmer geht auch die Vorstellung zurück, dass der Hypnotiseur eine Art „magischer“ Kraft oder zumindest besonders Fähigkeiten besitzen muss, um seine Patienten erfolgreich in Trance zu versetzen. Diese Annahme hält sich bis heute: In der Befragung von 2006 stimmten 79 Prozent der Teilnehmenden der Aussage zu, dass der Erfolg der Hypnose entscheidend von der Kunst des Hypnotiseurs abhängt.

„Diese weit verbreitete Vorstellung ist purer Mythos: In Wirklichkeit erfordern die Einleitung der Hypnose und spezifische Suggestionen keine speziellen Fähigkeiten, die über grundlegende soziale Interaktionen und die Fähigkeit zum Beziehungsaufbau hinausgehen“, erklären Steven Jay Lynn von der Binghamton University und seine Kollegen. Studien zufolge sind völlig ungeübte Menschen deshalb nicht weniger erfolgreich bei der Einleitung einer Hypnose als erfahrene Hypnotiseure.

Förderlich ist es allerdings, wenn der Akteur ein gewisses Charisma besitzt und Autorität ausstrahlt – bei Franz Mesmer dürfte dies der Fall gewesen sein. Ähnliches gilt für die Hypnotiseure, die bis heute in Zaubershows auftreten oder karrierefördernde Hypnoseseminare anbieten. Auch sie nutzen oft ihre psychologischen Kenntnisse in Verbindung mit ihrer Ausstrahlung, um die Empfänglichkeit von Menschen für Suggestionen auszunutzen.

Doch wie funktioniert Hypnose?

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Hypnose
Mythen und Fakten zu einem psychologischen Phänomen

Somnambule Marionetten
Hypnose in Fiktion und Geschichte

Mehr als nur Show
Wie funktioniert das Hypnotisieren?

Eingriff in die Psyche
Wie Hypnose auf Gedächtnis und Willen wirkt

Manipulierte Wahrnehmung
Wie beeinflusst Hypnose unsere Sinne?

Veränderte Muster
Was passiert bei der Hypnose im Gehirn?

Diaschauen zum Thema

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