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Mikrobiologie

Ein Schleim aus Bakterien

Wie Mikroben sich zum Biofilm zusammenschließen

Siedeln sich Mikroben auf Oberflächen an, bilden sie häufig eine Schleimschicht aus Zuckern, Fetten und Proteinen, in der sie eingebettet sind. Eine solche zähe extrazelluläre Schleimmatrix wird als Biofilm bezeichnet.

Von der Mikrobe zum Biofilm-Verbund

Bis ein Biofilm entsteht, durchleben Mikroben mehrere Phasen: Zunächst siedeln sich einzelne freischwimmende Bakterien zufällig locker auf einer Oberfläche wie etwa einem Mineral, Metall oder Öl an. Die Oberfläche muss sich im Kontakt mit Wasser oder feuchter Luft befinden und den Mikroben Nährstoffe bieten. Am häufigsten siedeln sich Bakterien daher an der Grenzschicht einer festen Oberfläche mit Flüssigkeiten an – beispielsweise auf nassen Sterne, aber auch in medizinischen Kathetern.

Unter den dortigen Voraussetzungen werfen einige Bakterienarten zunächst ihr Fortbewegungsmittel, die Geißel, ab und nutzen fadenförmigen Anhängsel, die Pili, zur Anheftung an die Oberfläche. Dann produzieren sie sogenannte Adhäsine, die es ihnen ermöglichen, fester an der Oberfläche anzuhaften und nicht etwa vom Wasser abtransportiert zu werden. Einmal zu einem „sesshaften“ Bakterium geworden, verändert sich die Genexpression der Mikroorganismen und es werden andere Gene an- und abgeschaltet als bei ihren freischwimmenden Artgenossen. Zum Beispiel werden bei einem sessilen, kugelförmigen Staphylococcus aureus über 250 Gene, bei dem Stäbchenbakterium Pseudomonas aeruginosa sogar über 800 Gene differenziell exprimiert.

Biofilm-Entwicklung
Einzelne, frei bewegliche Bakterien entwickeln sich nach und nach zu einer Bakterienkolonie in einem Biofilm. © D. Davis, D.Monroe / PLOS Biology, CC-by-sa 2.5

Dadurch verändern sich die Mikroben oft auch äußerlich, einige Spezies produzieren zudem ein Sekret aus fädigen Proteinen, Polysacchariden, Nukleinsäuren sowie Lipiden und vor allem Wasser. Beim Bakterium Pseudomonas aeruginosa lässt sich beispielsweise schon innerhalb einer Viertelstunde nach der Ansiedlung nachweisen, dass das Gen algC-Gen aktiv wird, das für die Produktion des flexiblen Polymers Alginat zuständig ist.

Nach und nach bildet sich aus diesen extrazellulären polymeren Substanzen (EPS) eine Schleimschicht um die Mikroben-Gemeinschaft. Dieses Gel klebt auf der Oberfläche und bindet somit die Kleinstlebewesen so fest an diese, dass sie sich nicht mehr frei bewegen können. Der Biofilm hat sich entwickelt.

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Ohne Kommunikation droht der Hungertod

Die Folge: Aufgrund der Unbeweglichkeit der einzelnen Mikroben sind diese darauf angewiesen, dass der Biofilm von Flüssigkeiten durchströmt wird und Nährstoffe zu den Organismen transportiert. An die Nahrung heranzukommen, ist jedoch gerade für diejenigen Zellen problematisch, die im Inneren des Biofilms leben und somit der Nahrungsquelle von außen am entferntesten sind. Verhungern diese, kann aber die Stabilität des gesamten Biofilms nicht aufrechterhalten zu werden.

Deshalb gibt es Mechanismen, die die Nahrungskonkurrenz innerhalb der bakteriellen Schleimmatrix mildern und der Zerstörung der gesamtes Gels entgegenwirken. Dazu gehört vor allem, dass die Mikroben mit ihren Nachbarbakterien interagieren. Bakterien kommunizieren dafür mithilfe ihres eigenen Kommunikationssystems, dem sogenannten Quorum Sensing. Dieses ähnelt dem Informationsaustausch zwischen Nervenzellen im menschlichen Gehirn. Denn dabei senden die Mikroben unterschiedliche chemische Signalmoleküle über Ionenkanäle, Poren oder Gänge im Biofilm aus, die die Nachbarbakterien über ihre Rezeptoren erkennen können.

Wie genau damit der Hungertod von Zellen im Inneren des Biofilms verhindert wird, haben Forscher am Beispiel von Bacillus subtilis, einem stäbchenförmigem Bodenbakterium, untersucht. Es zeigte sich: Hungernde Zellen senden über Ionenkanäle Kalium-Ionen aus, die die Nachbarzellen über Rezeptoren wahrnehmen und wiederum über andere Kanäle weitergeben können. Empfangen gut versorgte Zellen dieses Signal, unterbrechen sie ihr Wachstum und verändern ihre Stoffwechselaktivität so, dass sie nur noch ein Minimum an Nährstoffen selbst nutzen. Den Rest, wie vor allem die Energiequelle Glutamat, geben sie in den Biofilm ab. Das sorgt dafür, dass Nährstoffe im Biofilm verteilt werden.

Wohngemeinschaft auf Mikrobenart

Innerhalb eines Biofilms leben jedoch nicht nur Bakterien einer Spezies: Im Laufe der Zeit bildet sich in ihm eine Lebensgemeinschaft ganz unterschiedlicher Mikroorganismen heraus. Die neu hinzukommenden Bakterien, Pilze oder Algen können aufgrund ihrer unterschiedlichen Anforderungen an ihre Umwelt auch die Bereiche des Biofilms besiedeln, die für die ursprünglichen „Erbauer“ ungeeignet sind.

In einem Biofilm beispielsweise, der einzig das aerobe Bakterium Pseudomonas aeruginosa enthält, können die Zellen nur im äußeren Bereich wachsen und sich teilen. Denn der Sauerstoff dringt nicht tiefer als zwei bis drei hundertstel Millimeter weit ein. Erst die Mischung mit anderen, auch anaeroben Arten, trägt dazu bei, das vernetzte System aufrechtzuerhalten.

REM-Aufnahme
Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme eines Biofilms aus verschiedenen Bakerienarten. © Krzysztof A. Zacharski/ CC-by-sa 4.0

Wie ein Mehrzeller

„Ein reifer Biofilm ist kein willkürliches System aus einzelnen Individuen“, erklärt Thomas Schwartz vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Insgesamt bildet die Mikrobenkolonie stattdessen einen Einzeller-Zusammenschluss, der nahezu mit einem mehrzelligen Organismus verglichen werden kann.

Als stabiles mikrobiologische Ökosystem bleibt der Biofilm so dauerhaft bestehen. Durch unterschiedliche Einflüsse, wie zum Beispiel eine Verschiebung des pH-Wertes oder, wenn etwa Wasser immer wieder über die Schleimschicht geschwemmt wird, kann es aber vorkommen, dass einzelne Bakterien abgetragen werden. Diese können dadurch entweder wieder zu freischwimmenden Mikroben werden oder es bilden sich Tochterzellen, die zu einer erneuten Verbreitung der Bakterien, Algen und Co. und der Bildung eines neuen Biofilms führen.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Mikrobielle Biofilme
Schleimhülle als Überlebensstrategie und Medizinproblem

Ein Schleim aus Bakterien
Wie Mikroben sich zum Biofilm zusammenschließen

Ein Leben in Sicherheit
Die Vorteile und das Vorkommen von Biofilmen

Angriff auf den menschlichen Körper
Warum sind Biofilme für unsere Gesundheit problematisch?

Hartnäckige Biofilme
Immun gegen Antibiotika, Strahlung und Desinfektion

Biofilme wirksam bekämpfen
Maßnahmen gegen hartnäckige Keimkolonien

Vorbild Biofilm
Bakterielle Schleimmatrix als Quelle für Wirkstoffe

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